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Robert Musil und der genius loci


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Robert Musil und der genius loci Robert Musils (1880-1942) ungeheure Schrift Der Mann ohne Eigenschaften teilt das Schicksal anderer, vielleicht ähnlicher Romane, wie Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit oder Fernando Pessoas Buch der Unruhe: Sie gehören zum weltweiten so genannten Kanon der Literatur. Bücher, die man gelesen haben sollte. Romane, deren Titel beinahe jeder kennt; - und die keiner gelesen hat. (Bis auf Roger Willemsen.) Robert Musils Roman-Versuch ist unvollendet geblieben. Er musste unvollendet bleiben, weil sein Autor in eine einzige Erzählung viel zu viel hereinpacken wollte: Eine stringente Rahmenhandlung, die Ansprüche, die das Leben an unterschiedliche Charaktere stellt… Musils Anspruch war kein geringerer, als eine in Romanform gegossene Philosophie über die Welt und das menschliche Leben zu verfassen. Deshalb schrieb er immer wieder um, ergänzte, verwarf, schrieb Teile komplett neu und konnte bis zu seinem Tod, mit den er nicht gerechnet hatte, nicht fertig werden. Der Tokyoter Hochschullehrer Nanao Hayasaka beschäftigt sich seit etwa dreißig Jahren mit Robert Musil. Nun hat er ein unglaubliches Buch vorgelegt, dass dem Interessierten die Welt des Robert Musil näher bringen soll. Es handelt sich um keine klassische Biographie, die ja auch nicht nötig ist seit den grundlegenden Forschungen unter anderen von Karl Corino, der 1988 eine Bildbiographie vorlegte, und seine klassische Biographie dann 2003 folgen ließ. Bei Hayasakas 400-Seiten-Buch handelt es sich um eine Art Handbuch der Wohn- und Wirkungsstätten Musils. Es ist eine wirklich universelle Beschreibung der diversen Wohnungen Musils einschließlich der sozialen Heimat seiner Vorfahren. Der Japaner beschränkte sich dabei nicht auf die Wohnverhältnisse, sondern bezog im Weiteren die jeweilige Lebenssituation des großen Romanciers mit ein. Und insbesondere hierbei handelt es sich um eine unglaublich umfangreiche und im Detail akribische Forschungsarbeit, die allerhöchste Anerkennung verdient. So beginnt der Wissenschaftler mit einer weitläufigen Darstellung der Lebenswelt des Großvaters väterlicherseits und dessen Ehefrau. Hayasak findet das Tagebuch von Aloisia Musil und kann so den Alltag der Großfamilie auf dem Plachelhof rekonstruieren (6. Nov. Heute erhielten wir die frohe Nachricht daß Alfreds Frau ihn mit einem Buberl beglückt; Gott gebe dem neuen Enkel Gedeihen.) Durch diverse Gespräche mit Verwandten und Bekannten von Vermietern, ehemaligen Bekannten und Freunden Musils erschafft Hayasaka ein Handbuch der Lebensumstände Musils, wie es seinesgleichen sucht. In gewisser Hinsicht folgt der Biograph damit seinem Studienobjekt: War es Musils Anspruch, das bürgerliche Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts möglichst vollständig in Worte zu fassen und bis in die kleinsten Verästelungen von Seelenzuständen festzuhalten, so ist Hayasaka bemüht, jedweden Aufenthaltsort des von ihm bewunderten Schriftstellers möglichst vollständig zu rekonstruieren. Er selbst schreibt in seiner Einleitung bescheiden, ein positivistisches Verfahren allein führe zu keinem Ergebnis. »Durch die minutiöse Betrachtung des Gegenstandes wird man zu einer bestimmten Hypothese hingeleitet, die durch Assoziation und Phantasie bestätigt wird und zu weiteren Recherche führt. Der Zusammenhang von Akribie, freier Assoziation und analytischen Entwurf ermöglicht eine fundierte Interpretation und somit substantielle Erkenntnisse.« Hayasakas Forschungsleistung ist ein grandioser Meilenstein, der die Musilforschung nicht nur deutlich voranbringt, sondern über viele Jahre viele Ansatzpunkte zu weiterer Recherche bietet.

Robert Musils (1880-1942) ungeheure Schrift Der Mann ohne Eigenschaften teilt das Schicksal anderer, vielleicht ähnlicher Romane, wie Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit oder Fernando Pessoas Buch der Unruhe: Sie gehören zum weltweiten so genannten Kanon der Literatur. Bücher, die man gelesen haben sollte. Romane, deren Titel beinahe jeder kennt; - und die keiner gelesen hat. (Bis auf Roger Willemsen.)

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Robert Musils Roman-Versuch ist unvollendet geblieben. Er musste unvollendet bleiben, weil sein Autor in eine einzige Erzählung viel zu viel hereinpacken wollte: Eine stringente Rahmenhandlung, die Ansprüche, die das Leben an unterschiedliche Charaktere stellt… Musils Anspruch war kein geringerer, als eine in Romanform gegossene Philosophie über die Welt und das menschliche Leben zu verfassen. Deshalb schrieb er immer wieder um, ergänzte, verwarf, schrieb Teile komplett neu und konnte bis zu seinem Tod, mit den er nicht gerechnet hatte, nicht fertig werden.

Der Tokyoter Hochschullehrer Nanao Hayasaka beschäftigt sich seit etwa dreißig Jahren mit Robert Musil. Nun hat er ein unglaubliches Buch vorgelegt, dass dem Interessierten die Welt des Robert Musil näher bringen soll. Es handelt sich um keine klassische Biographie, die ja auch nicht nötig ist seit den grundlegenden Forschungen unter anderen von Karl Corino, der 1988 eine Bildbiographie vorlegte, und seine klassische Biographie dann 2003 folgen ließ. Bei Hayasakas 400-Seiten-Buch handelt es sich um eine Art Handbuch der Wohn- und Wirkungsstätten Musils. Es ist eine wirklich universelle Beschreibung der diversen Wohnungen Musils einschließlich der sozialen Heimat seiner Vorfahren.

Der Japaner beschränkte sich dabei nicht auf die Wohnverhältnisse, sondern bezog im Weiteren die jeweilige Lebenssituation des großen Romanciers mit ein. Und insbesondere hierbei handelt es sich um eine unglaublich umfangreiche und im Detail akribische Forschungsarbeit, die allerhöchste Anerkennung verdient. So beginnt der Wissenschaftler mit einer weitläufigen Darstellung der Lebenswelt des Großvaters väterlicherseits und dessen Ehefrau. Hayasak findet das Tagebuch von Aloisia Musil und kann so den Alltag der Großfamilie auf dem Plachelhof rekonstruieren (6. Nov. Heute erhielten wir die frohe Nachricht daß Alfreds Frau ihn mit einem Buberl beglückt; Gott gebe dem neuen Enkel Gedeihen.)

Durch diverse Gespräche mit Verwandten und Bekannten von Vermietern, ehemaligen Bekannten und Freunden Musils erschafft Hayasaka ein Handbuch der Lebensumstände Musils, wie es seinesgleichen sucht. In gewisser Hinsicht folgt der Biograph damit seinem Studienobjekt: War es Musils Anspruch, das bürgerliche Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts möglichst vollständig in Worte zu fassen und bis in die kleinsten Verästelungen von Seelenzuständen festzuhalten, so ist Hayasaka bemüht, jedweden Aufenthaltsort des von ihm bewunderten Schriftstellers möglichst vollständig zu rekonstruieren.

Er selbst schreibt in seiner Einleitung bescheiden, ein positivistisches Verfahren allein führe zu keinem Ergebnis. »Durch die minutiöse Betrachtung des Gegenstandes wird man zu einer bestimmten Hypothese hingeleitet, die durch Assoziation und Phantasie bestätigt wird und zu weiteren Recherche führt. Der Zusammenhang von Akribie, freier Assoziation und analytischen Entwurf ermöglicht eine fundierte Interpretation und somit substantielle Erkenntnisse.«

Hayasakas Forschungsleistung ist ein grandioser Meilenstein, der die Musilforschung nicht nur deutlich voranbringt, sondern über viele Jahre viele Ansatzpunkte zu weiterer Recherche bietet.

geschrieben am 15.04.2012 | 493 Wörter | 3111 Zeichen

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