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Helmut Kohl: Ein Leben für die Politik. Die Biografie


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Rezension von

Gérard Bökenkamp

Helmut Kohl: Ein Leben für die Politik. Die Biografie Kanzler der Mitte Helmut Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. In seine Regierungszeit fielen der NATO-Doppelbeschluss, die Wiedervereinigung, der Ausgleich mit dem Westen und dem Osten und die Entscheidung für den Euro. Kohl begleitete dabei stets eine kritische Berichterstattung und die Gegnerschaft großer Teile der öffentlichen Meinung. „Reform-Stau“, Flick- und Spendenaffäre verdunkeln das Bild des Altkanzlers. Kohl wurden die Folgen der Wiedervereinigung angelastet und das zentrale Projekt der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit, die europäische Währungsunion, ist nicht zu einem Glanzstück der europäischen Integration, sondern zu einem Sorgenkind geworden. Folgt man seinem Biographen, dem Historiker Henning Köhler hellt sich dieses Bild jedoch auf, wenn man die Zeitumstände berücksichtigt und faire Maßstäbe zur Beurteilung anlegt. Kohl als Mann der Mitte Interessant werden Biographien und historische Darstellungen dadurch, dass sie gängige Deutungsmuster in Frage stellen und den Gegenstand aus einer anderen Perspektive beschreiben als die die etablierten Sichtweisen. Köhler folgt konsequent dieser Linie, das gängige Kohl-Bild zu revidieren. Kohl ist in Köhlers Biographie weder der tumbe Provinzpolitikern noch der brutale Machtpolitiker, als den ihn seine Kritiker in den Medien, der Opposition aber auch in der eigenen Partei gesehen haben. Köhler beschreibt Kohl als „Mann der Mitte“ und europäischen Staatsmann, der stets um Ausgleich bemüht war, einen Ausgleich zwischen den Flügeln seiner eigenen Partei, den Parteien seiner Koalition, Regierung und Opposition und den Partnern in Europa, den USA, Frankreich und Russland herzustellen. Was Kohl in der Innenpolitik die dauerhafte Kritik aus verschiedenen Richtungen einbrachte, verhalf ihm gerade in den Jahren nach der Wiedervereinigung auf der internationalen Bühne zu einer einmaligen Anerkennung sowohl in Osteuropa, als auch in Russland, bei Franzosen, ebenso wie bei Amerikanern. Die Schwierigkeit des Ausgleichs Die Unzufriedenheit, die Kohls Regierungszeit in der Innenpolitik begleitete, ist wenigstens zum Teil mit der Schwierigkeit zu erklären, die ein Politiker der Mitte hat, es allen recht zu machen. Den Konservativen mit ihrem Idol Franz Josef Strauß war Kohl zu moderat, für die Linken war er ein Symbol der Beharrung und des Stillstands. Den Wirtschaftsliberalen erschien Kohl mit seinen Reformen nicht mutig genug, den Sozialpolitiker erschien die Politik seiner Regierung oft als Ausdruck „sozialer Kälte.“ Anders als Kohls Amtsvorgänger Helmut Schmidt oder auch parteiinterne Gegner wie Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf legte Kohl weniger wert auf Selbstinszenierung und setzte stattdessen darauf, Kritik und Angriffe auszuhalten, was ihm mit seinem „breiten Kreuz“ erst ermöglichte unpopuläre Entscheidungen wie den NATO-Doppelbeschluss und Schlüsselentscheidungen der Deutschland- und Europapolitik durchzusetzen. Die Partei über die eigene Person stellen In verschiedenen Situationen zeigte Kohl seine Bereitschaft als Parteimann seine persönlichen Belange dem der CDU/CSU unterzuordnen. Etwa als er im Wahlkampf 1980 seinem Konkurrenten Franz Josef Strauß, der kaum eine Möglichkeit Kohl öffentlich vorzuführen ausgelassen hatte, bis hin zur Drohung die CSU von der CDU abzuspalten, mit großer Energie bei dessen Kanzlerkandidatur unterstützte. Köhler interpretiert auch die Spendenaffäre aus dieser Perspektive. Die Parteienfinanzen der CDU waren schon immer ein heikles Thema gewesen und die Aufdeckung des geheimen Finanzierungssystems der Christdemokraten bot enormen Sprengstoff. Zahlreiche Ermittlungsverfahren hätten wie bei der Flick-Affäre große Kreise ziehen können. Indem Kohl öffentlich dafür die Verantwortung übernahm und sich weigerte die Spender zu nennen, zog er die Aufmerksamkeit von Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit auf sich und lenkte damit zu gleich von der Verwicklung der CDU als Ganzes ab. Aus einer CDU-Affäre wurde durch Köhls öffentlichkeitswirksames Bekenntnis eine reine Kohl-Affäre. Nach Köhler hat sich Kohl am Ende seiner Karriere einmal mehr als der Parteimann gezeigt, der er seit frühester Jugend gewesen ist. Ein positiver Blick auf die deutsche Geschichte Dass Köhler in seiner Lebensbeschreibung des Altkanzlers eine gewisse Sympathie für seinen Untersuchungsgegenstand nicht verbirgt, ist für einen Biographen nichts Ungewöhnliches Im Grunde scheint in der Darstellung auch das Bemühen des Berliner Historikers durch, von dem schon sein Buch „Deutschland auf dem Weg zu sich selbst“ zeugt, nämlich den Deutschen positive Sicht auf ihre Geschichte zu vermitteln. Dazu gehört eben auch die Leistungen des Kanzlers der Wiedervereinigung fair und nach den Maßstäben des in seiner Position und zu seiner Zeit Möglichen zu deuten. Ob ein anderer Kanzler bei der Lage der Dinge, die Wiedervereinigung nach innen effektiver gestaltet und weitreichendere Reformschritte unternehmen, können als Kohl es getan hat, bleibt eine schwer zu beantwortende Frage. Die Person aus ihrer Zeit heraus verstehen Etwas zu lapidar fällt die Köhlers Äußerung der vagen Hoffnung am Ende des Buches aus, die Probleme der Eurozone müssten doch zu bewältigen sein. Angesichts der jüngeren Entwicklung ist hier eine größere Skepsis angebracht, aber die Stärke des Buches besteht gerade darin, dass Köhler sich weder als Ökonom, noch als Hobby-Ökonom den Ereignissen nähert, sondern als Historiker der das Denken und Handeln Kohls aus der Sicht seiner Zeit verständlich machen will. Das gelingt in dieser Biographie in hohem Maße. Wer von einem Buch über Kohl eine Fortsetzung des allgemein üblichen Kohl-Bashings erwartet, wird von dem Buch enttäuscht werden. Wer mehr über die Persönlichkeit, Motive und Grenzen des Altbundeskanzlers erfahren will und mehr über die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die europäischen Politik in dieser Epoche erfahren will, kann aus dem Buch eine Menge lernen.

Kanzler der Mitte

Helmut Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. In seine Regierungszeit fielen der NATO-Doppelbeschluss, die Wiedervereinigung, der Ausgleich mit dem Westen und dem Osten und die Entscheidung für den Euro. Kohl begleitete dabei stets eine kritische Berichterstattung und die Gegnerschaft großer Teile der öffentlichen Meinung. „Reform-Stau“, Flick- und Spendenaffäre verdunkeln das Bild des Altkanzlers. Kohl wurden die Folgen der Wiedervereinigung angelastet und das zentrale Projekt der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit, die europäische Währungsunion, ist nicht zu einem Glanzstück der europäischen Integration, sondern zu einem Sorgenkind geworden. Folgt man seinem Biographen, dem Historiker Henning Köhler hellt sich dieses Bild jedoch auf, wenn man die Zeitumstände berücksichtigt und faire Maßstäbe zur Beurteilung anlegt.

Kohl als Mann der Mitte

Interessant werden Biographien und historische Darstellungen dadurch, dass sie gängige Deutungsmuster in Frage stellen und den Gegenstand aus einer anderen Perspektive beschreiben als die die etablierten Sichtweisen. Köhler folgt konsequent dieser Linie, das gängige Kohl-Bild zu revidieren. Kohl ist in Köhlers Biographie weder der tumbe Provinzpolitikern noch der brutale Machtpolitiker, als den ihn seine Kritiker in den Medien, der Opposition aber auch in der eigenen Partei gesehen haben. Köhler beschreibt Kohl als „Mann der Mitte“ und europäischen Staatsmann, der stets um Ausgleich bemüht war, einen Ausgleich zwischen den Flügeln seiner eigenen Partei, den Parteien seiner Koalition, Regierung und Opposition und den Partnern in Europa, den USA, Frankreich und Russland herzustellen. Was Kohl in der Innenpolitik die dauerhafte Kritik aus verschiedenen Richtungen einbrachte, verhalf ihm gerade in den Jahren nach der Wiedervereinigung auf der internationalen Bühne zu einer einmaligen Anerkennung sowohl in Osteuropa, als auch in Russland, bei Franzosen, ebenso wie bei Amerikanern.

Die Schwierigkeit des Ausgleichs

Die Unzufriedenheit, die Kohls Regierungszeit in der Innenpolitik begleitete, ist wenigstens zum Teil mit der Schwierigkeit zu erklären, die ein Politiker der Mitte hat, es allen recht zu machen. Den Konservativen mit ihrem Idol Franz Josef Strauß war Kohl zu moderat, für die Linken war er ein Symbol der Beharrung und des Stillstands. Den Wirtschaftsliberalen erschien Kohl mit seinen Reformen nicht mutig genug, den Sozialpolitiker erschien die Politik seiner Regierung oft als Ausdruck „sozialer Kälte.“ Anders als Kohls Amtsvorgänger Helmut Schmidt oder auch parteiinterne Gegner wie Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf legte Kohl weniger wert auf Selbstinszenierung und setzte stattdessen darauf, Kritik und Angriffe auszuhalten, was ihm mit seinem „breiten Kreuz“ erst ermöglichte unpopuläre Entscheidungen wie den NATO-Doppelbeschluss und Schlüsselentscheidungen der Deutschland- und Europapolitik durchzusetzen.

Die Partei über die eigene Person stellen

In verschiedenen Situationen zeigte Kohl seine Bereitschaft als Parteimann seine persönlichen Belange dem der CDU/CSU unterzuordnen. Etwa als er im Wahlkampf 1980 seinem Konkurrenten Franz Josef Strauß, der kaum eine Möglichkeit Kohl öffentlich vorzuführen ausgelassen hatte, bis hin zur Drohung die CSU von der CDU abzuspalten, mit großer Energie bei dessen Kanzlerkandidatur unterstützte. Köhler interpretiert auch die Spendenaffäre aus dieser Perspektive. Die Parteienfinanzen der CDU waren schon immer ein heikles Thema gewesen und die Aufdeckung des geheimen Finanzierungssystems der Christdemokraten bot enormen Sprengstoff. Zahlreiche Ermittlungsverfahren hätten wie bei der Flick-Affäre große Kreise ziehen können. Indem Kohl öffentlich dafür die Verantwortung übernahm und sich weigerte die Spender zu nennen, zog er die Aufmerksamkeit von Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit auf sich und lenkte damit zu gleich von der Verwicklung der CDU als Ganzes ab. Aus einer CDU-Affäre wurde durch Köhls öffentlichkeitswirksames Bekenntnis eine reine Kohl-Affäre. Nach Köhler hat sich Kohl am Ende seiner Karriere einmal mehr als der Parteimann gezeigt, der er seit frühester Jugend gewesen ist.

Ein positiver Blick auf die deutsche Geschichte

Dass Köhler in seiner Lebensbeschreibung des Altkanzlers eine gewisse Sympathie für seinen Untersuchungsgegenstand nicht verbirgt, ist für einen Biographen nichts Ungewöhnliches Im Grunde scheint in der Darstellung auch das Bemühen des Berliner Historikers durch, von dem schon sein Buch „Deutschland auf dem Weg zu sich selbst“ zeugt, nämlich den Deutschen positive Sicht auf ihre Geschichte zu vermitteln. Dazu gehört eben auch die Leistungen des Kanzlers der Wiedervereinigung fair und nach den Maßstäben des in seiner Position und zu seiner Zeit Möglichen zu deuten. Ob ein anderer Kanzler bei der Lage der Dinge, die Wiedervereinigung nach innen effektiver gestaltet und weitreichendere Reformschritte unternehmen, können als Kohl es getan hat, bleibt eine schwer zu beantwortende Frage.

Die Person aus ihrer Zeit heraus verstehen

Etwas zu lapidar fällt die Köhlers Äußerung der vagen Hoffnung am Ende des Buches aus, die Probleme der Eurozone müssten doch zu bewältigen sein. Angesichts der jüngeren Entwicklung ist hier eine größere Skepsis angebracht, aber die Stärke des Buches besteht gerade darin, dass Köhler sich weder als Ökonom, noch als Hobby-Ökonom den Ereignissen nähert, sondern als Historiker der das Denken und Handeln Kohls aus der Sicht seiner Zeit verständlich machen will. Das gelingt in dieser Biographie in hohem Maße. Wer von einem Buch über Kohl eine Fortsetzung des allgemein üblichen Kohl-Bashings erwartet, wird von dem Buch enttäuscht werden. Wer mehr über die Persönlichkeit, Motive und Grenzen des Altbundeskanzlers erfahren will und mehr über die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die europäischen Politik in dieser Epoche erfahren will, kann aus dem Buch eine Menge lernen.

geschrieben am 27.12.2015 | 835 Wörter | 5125 Zeichen

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