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Freundlichkeit - Diskrete Anmerkungen zu einer unzeitgemäßen Tugend


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Freundlichkeit - Diskrete Anmerkungen zu einer unzeitgemäßen Tugend Wir – das heißt die Bewohner der westlichen Welt – leben in einer Gesellschaft der Unfreundlichkeit, sagen Adam Phillips und Barbara Taylor. Eine Gesellschaft, die Erfolg ausschließlich am materiellen Eigentum messe, die brutal zwischen den sogenannt Erfolgreichen und den Verlierern trenne, stoße die Freundlichkeit von sich ab. Was heute zähle seien Coolness, Unabhängigkeit und Lifestyle. Dagegen setzen die Autoren ihr Plädoyer für die Tugend der Freundlichkeit mit dem Untertitel »Diskrete Anmerkungen zu einer unzeitgemäßen Tugend«. Tatsächlich scheint es so, als habe die Freundlichkeit es verdient, dass wir ihr ein wenig Aufmerksamkeit widmen. Aber was ist das überhaupt – Freundlichkeit? Und wenn überhaupt, wozu brauchen wir sie? Das Autorengespann begibt sich auf die Suche. In einer kurzen Geschichte der Freundlichkeit im zweiten Kapitel zeigt es die Entwicklung dieser Tugend. Man erfährt, wie sich ihr Wert und Ansehen über 2000 Jahre Menschheitsgeschichte verändert haben. Als Denker, der die Freundlichkeit diskeditiert habe und so in der Moderne zu ihrem Niedergang erheblich beigetragen habe, sehen sie Thomas Hobbes. Da der englische Philosoph im Menschen vor allem das egoistisch-brutale Tier gesehen habe, habe er im 17. Jahrhundert der Freundlichkeit nachhaltigen Schaden zugefügt, der sich bis heute auswirke. Die Autoren sind in der Lage zu differenzieren, sehen sie beispielsweise in der protestantischen Caritas nach der Reformation eine Einschränkung von Freundlichkeit: Die Haltung der Freundlichkeit habe ihren wichtigen Rang im moralischen Selbstverständnis des Christentums eingebüßt. Schwerpunkt des Traktates über die Freundlichkeit ist die Haltung der Psychoanalyse zu ihr. Diese Ausführungen sind detailliert und kenntnisreich. Kein Wunder, ist doch Adam Phillips Psychoanalytiker in London und Herausgeber der englischen Gesamtausgabe von Sigmund Freud. So geraten diese Kapitel zu ausführlich, zu langatmig und auch zu Freud-lastig. Kaum ein Leser, der sich vom Titel des Büchleins angesprochen fühlte und zur Lektüre greift, wird derartig lange Schilderungen über die Psychoanalyse erwarten. Interessant wären Hinweise, wie die verschiedenen Religionen zur Freundlichkeit stehen. Was sagt die Bibel oder lassen sich biblische Aussagen als solche zur Freundlichkeit interpretieren? Auch eine - nennen wir sie spirituelle - Dimension fehlt. Bin ich freundlich, erhalte ich in der Regel eine freundliche Reaktion zurück. So könnte man die Tugend der Freundlichkeit auch als Fenster zu Gott ansehen. Dennoch ist das Büchlein eine gelungene Bresche für diese heute oft vergessene Verhaltensweise. Die Autoren bringen viele Facetten der Freundlichkeit, so auch deren Kehrseiten: »Die eigene Fähigkeit oder der Trieb, freundlich zu sein, kann unbewusst von dem Anteil in uns sabotiert werden, der vor zu großer mitmenschlicher Nähe zurückschreckt. Freundlichkeit verkompliziert gewissermaßen besonders subtil und befriedigend die zwischen- und mitmenschlichen Beziehungen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wenn wir freundlich handeln, offenbaren wir unmissverständlich, dass wir verletzliche und abhängige Lebewesen sind«. Freundlich zu sein, zeugt von Bildung und Selbstbewusstsein.

Wir – das heißt die Bewohner der westlichen Welt – leben in einer Gesellschaft der Unfreundlichkeit, sagen Adam Phillips und Barbara Taylor. Eine Gesellschaft, die Erfolg ausschließlich am materiellen Eigentum messe, die brutal zwischen den sogenannt Erfolgreichen und den Verlierern trenne, stoße die Freundlichkeit von sich ab. Was heute zähle seien Coolness, Unabhängigkeit und Lifestyle.

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Dagegen setzen die Autoren ihr Plädoyer für die Tugend der Freundlichkeit mit dem Untertitel »Diskrete Anmerkungen zu einer unzeitgemäßen Tugend«. Tatsächlich scheint es so, als habe die Freundlichkeit es verdient, dass wir ihr ein wenig Aufmerksamkeit widmen. Aber was ist das überhaupt – Freundlichkeit? Und wenn überhaupt, wozu brauchen wir sie? Das Autorengespann begibt sich auf die Suche. In einer kurzen Geschichte der Freundlichkeit im zweiten Kapitel zeigt es die Entwicklung dieser Tugend. Man erfährt, wie sich ihr Wert und Ansehen über 2000 Jahre Menschheitsgeschichte verändert haben. Als Denker, der die Freundlichkeit diskeditiert habe und so in der Moderne zu ihrem Niedergang erheblich beigetragen habe, sehen sie Thomas Hobbes. Da der englische Philosoph im Menschen vor allem das egoistisch-brutale Tier gesehen habe, habe er im 17. Jahrhundert der Freundlichkeit nachhaltigen Schaden zugefügt, der sich bis heute auswirke. Die Autoren sind in der Lage zu differenzieren, sehen sie beispielsweise in der protestantischen Caritas nach der Reformation eine Einschränkung von Freundlichkeit: Die Haltung der Freundlichkeit habe ihren wichtigen Rang im moralischen Selbstverständnis des Christentums eingebüßt.

Schwerpunkt des Traktates über die Freundlichkeit ist die Haltung der Psychoanalyse zu ihr. Diese Ausführungen sind detailliert und kenntnisreich. Kein Wunder, ist doch Adam Phillips Psychoanalytiker in London und Herausgeber der englischen Gesamtausgabe von Sigmund Freud. So geraten diese Kapitel zu ausführlich, zu langatmig und auch zu Freud-lastig. Kaum ein Leser, der sich vom Titel des Büchleins angesprochen fühlte und zur Lektüre greift, wird derartig lange Schilderungen über die Psychoanalyse erwarten. Interessant wären Hinweise, wie die verschiedenen Religionen zur Freundlichkeit stehen. Was sagt die Bibel oder lassen sich biblische Aussagen als solche zur Freundlichkeit interpretieren? Auch eine - nennen wir sie spirituelle - Dimension fehlt. Bin ich freundlich, erhalte ich in der Regel eine freundliche Reaktion zurück. So könnte man die Tugend der Freundlichkeit auch als Fenster zu Gott ansehen.

Dennoch ist das Büchlein eine gelungene Bresche für diese heute oft vergessene Verhaltensweise. Die Autoren bringen viele Facetten der Freundlichkeit, so auch deren Kehrseiten: »Die eigene Fähigkeit oder der Trieb, freundlich zu sein, kann unbewusst von dem Anteil in uns sabotiert werden, der vor zu großer mitmenschlicher Nähe zurückschreckt. Freundlichkeit verkompliziert gewissermaßen besonders subtil und befriedigend die zwischen- und mitmenschlichen Beziehungen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wenn wir freundlich handeln, offenbaren wir unmissverständlich, dass wir verletzliche und abhängige Lebewesen sind«.

Freundlich zu sein, zeugt von Bildung und Selbstbewusstsein.

geschrieben am 23.07.2010 | 446 Wörter | 2777 Zeichen

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