ISBN | 3453521099 | |
Autor | André Wiesler | |
Verlag | Heyne | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 422 | |
Erscheinungsjahr | 2005 | |
Extras | broschierte Ausgabe |
Vor zehn Jahren war âDie Crewâ ein Runner-Team, von dem man in den Schatten sprach; heute sind vier der fĂŒnf ĂŒberlebenden Mitglieder alte Leute, denn fĂŒr Orks und Trolle sind auf Grund ihre besonderen Physiologie zehn Jahre eine lange Zeit und kaum einer der âHauerâ vollendet das 40. Lebensjahr.
Lulatsch, der 3,70m groĂe Troll, ist mittlerweile Image-Berater fĂŒr politisch ambitionierte Metamenschen, Clown genieĂt im Kreise seiner Lieben den Ruhestand -falls Gattin, Kinder und Enkel ihn lassen-, und Grizzly, der Sam der Gruppe, wartet nach dem Verlust der Liebe seines Lebens nur noch auf den Tod.
Eines Tages schreckt ein Anruf die drei Alten aus ihrem beschaulich-lethargischen Dasein: Madame Trix, die ehemalige Deckerin des Teams, die fĂŒr sie 10 Jahre in den Knast ging, wird entlassen und möchte sich mit ihrem Anteil an der Beute des letzten gemeinsamen Runs die ihr verbleibende Zeit auf Erden versĂŒĂen. Um den Schatz aus seinem Versteck zu holen, soll das ehemalige Team ein allerletztes Mal zusammenkommen.
Gesagt, getan. Zu viert und trotz einiger persönlicher Differenzen machen sie sich an die Arbeit, stellen jedoch alsbald fest, dass irgendjemand vor kurzem das Versteck geplĂŒndert hat. Es dauert nicht lange bis die Ex-Runner die Schuldige ausgemacht haben: Winter, die völlig durchgeknallte Elfen-Magierin der damaligen Crew. Und sie finden heraus, dass Winter noch mehr Dreck am Stecken hat.
Zwar gebietet ihnen die Runner-Ehre, ihr die Beute wieder abzujagen, doch die Elfin ist eine mĂ€chtige, skrupellose Feindin, die auch vor Mord an Kindern nicht zurĂŒckschreckt, wĂ€hrend sie selbst schmerzlich erfahren mĂŒssen, dass sie in den Schatten des Jahres 2064 tatsĂ€chlich zum Alten Eisen gehören.
Nach "Shelley", "Im Namen des Herrn" und "Feuerzauber" legt Wiesler mit "Altes Eisen" seinen bislang vierten und besten Shadowrun-Roman vor.
Die QualitĂ€t dieses originellen Buches liegt weniger in dem eher unspektakulĂ€ren Plot um eine gestohlenes Artefakt, als vielmehr in den fĂŒr Shadowrun-VerhĂ€ltnisse Ă€uĂerst ungewöhnlichen, liebevoll charakterisierten Protagonisten und dem interessanten Aufbau der Geschichte, der kapitelweise zwischen dem âHeuteâ -2064 bzw. der Jagd auf Winter- und dem âDamalsâ -2054 bzw. dem letzten gemeinsamen Run der Crew- hin und her springt.
Ein fast vier Meter groĂer, schwuler Troll, ein depressiver Samurai, ein durch und durch bĂŒrgerlicher Ork mit einer riesengroĂen Familie, der als Stand-Up-Comedian seinen Lebensunterhalt bestreitet, eine Deckerin, die eher als Hausfrau mit geblĂŒmter SchĂŒrze denn als eine Matrix-KoryphĂ€e durchgeht und eine total psychotische Elf-Magierin hĂ€tten an sich schon Unterhaltungswert genug; der Autor jedoch treibt das Ganze dadurch auf die Spitze, dass er seine Helden -jedenfalls die Vertreter der âkurzlebigen Rassenâ- alte Leute sein lĂ€sst, die den Zenit ihres Lebens lĂ€ngst ĂŒberschritten haben. Dabei ist dieser Ansatz nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein zentrales Moment, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Die Helden sind explizit keine Super-Runner (mehr), sondern mĂŒssen sich mit zahlreichen alltĂ€glichen FĂ€hrnissen und Problemen, die das Leben und Alt-Sein in der Sechsten Welt insbesondere fĂŒr âHauerâ mit sich bringt, rumschlagen. Sie sind gefangen in gesellschaftlichen ZwĂ€ngen, welche man als Leser jederzeit nachvollziehen kann. Daher bieten die Figuren, deren Entwicklung Wiesler durch das GegenĂŒberstellen von Gegenwart und Vergangenheit unterstreicht, dem Leser zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten. Mehr als einmal wird er auf Situationen stoĂen, die er so oder Ă€hnlich schon erlebt hat oder von denen er sich vorstellen kann, ihnen noch zu begegnen. Kurz und gut: Lulatsch, Clown, Grizzly und Madame Trix sind durch und durch authentische, glaubwĂŒrdige Figuren. Der Eindruck der NormalitĂ€t und GemĂŒtlichkeit, den sie ausstrahlen, wird zudem dadurch verstĂ€rkt, dass der Autor ihnen eine Antagonistin gegenĂŒberstellt, die in hohem MaĂe psychotisch, amoralisch und skrupellos ist.
Ein zweites prĂ€gendes Moment des Buches ist die Absage an massive Gewalt um ihrer selbst willen. Statt die Story in Blut zu ertrĂ€nken, lĂ€sst Wiesler seine Helden in beiden HandlungsstrĂ€ngen -damals und heute- mit Köpfchen und viel Chuzpe zum Erfolg kommen, d.h. Wasserpistole mit BetĂ€ubungsmitteln und Halluzinogenen anstelle der Ares Predator. Fast gewaltfrei -dafĂŒr aber umso anschaulicher geschildert- sind auch die Matrix-Trips der Deckerin, auch wenn die virtuelle RealitĂ€t mit ihren herunterrieselnden Bits und Bytes streckenweise etwas klischeehaft wirkt.
SchlieĂlich kommt als drittes Element der Humor hinzu. Wenn sich die Smartgun verabschiedet, weil ein Software-Upgrade fehlt, wenn Walker und Simmons -die beiden Protagonisten aus âShelleyâ- durch das Bild stolpern, Lulatsch darĂŒber nachsinnt, dass sich sein Freund Holger beim Verabschieden wie eine Tunte aus dem Film âLa Cage aux follesâ verhĂ€lt oder Clown bei der Sexual-AufklĂ€rung seines Sohnes im Vergleich zu seiner Frau als der totale SpieĂer erscheint, so wirkt das vor allem deshalb komisch, weil diese Szenen dank Wieslers gefĂ€lligem Stil auf eine lebendige, lockere -eher beilĂ€ufige- und völlig unpathetische Art und Weise in die Geschichte integriert sind.
Fazit: Die Absage an liebgewonnene und oft kolportierte Shadowrun-Klischees, die den obercoolen, kraftstrotzenden, vor brandneuer, ultraheiĂer Cyberware starrenden Adrenalin-Junkie im Kampf gegen mindestens einen Drachen, weltbedrohende Mega-Cons oder den Hunger der Welt in den Mittelpunkt stellen, bringt wieder âechtesâ Leben in eine Reihe, die spĂ€testens seit Markus HeitzÂŽ actionĂŒberladenen SR-Romanen qualitativ darniederlag.
geschrieben am 19.11.2005 | 815 Wörter | 4977 Zeichen
Zehn Jahre ist es her, seit Lulatsch, Clown, Grizzly und Madame Trix ihren letzten Coup gelandet haben. Und ein Jahrzehnt ist in der sechsten Welt eine lange Zeit, vor allem fĂŒr die kurzlebigen Orks und Trolle. Sie haben die StraĂen der ADL hinter sich gelassen, aber wie heiĂt es so schön: Niemand verlĂ€sst die Schatten ganz. So holt die Vergangenheit die Runner ein und lĂ€sst sie erkennen, dass sie im Jahr 2064 vor allem eines sind: Altes Eisen
Zehn Jahre lang saĂ Madame Trix, Ihr Runner-Name, der reele Name lautet Helen, im GefĂ€ngnis nun da Sie entlassen wird, sammeln sich die gesamten Crew-Mitglieder um nun die damalige Beute aufzuteilen. Die Crew bestand damals aus Clown, Madame Trix, Grizzly, Lulatsch, Winter und Dietrich. Letzterer starb bei dem Ăberfall und Winter, eine Elfin und Freundin von Dietrich, verlieĂ danach die Crew. Die Crew hatte eine gewisse Runner-Ethik, vermied Tote, Verletzte und ebenfalls Wetwork.
Das Buch hat auĂerdem als ErgĂ€nzung ein Glossar um Runner-Slang zu erklĂ€ren, was sehr positiv auffĂ€llt. Die Geschichte liest sich flĂŒssig und verliert kaum an Spannung auf den 426 Seiten. Macht auf jeden Fall SpaĂ auf mehr.
geschrieben am 02.12.2007 | 188 Wörter | 985 Zeichen
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