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Altes Eisen


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Rezension von

Frank Drehmel

Altes Eisen Vor zehn Jahren war “Die Crew” ein Runner-Team, von dem man in den Schatten sprach; heute sind vier der fünf überlebenden Mitglieder alte Leute, denn für Orks und Trolle sind auf Grund ihre besonderen Physiologie zehn Jahre eine lange Zeit und kaum einer der “Hauer” vollendet das 40. Lebensjahr. Lulatsch, der 3,70m große Troll, ist mittlerweile Image-Berater für politisch ambitionierte Metamenschen, Clown genießt im Kreise seiner Lieben den Ruhestand -falls Gattin, Kinder und Enkel ihn lassen-, und Grizzly, der Sam der Gruppe, wartet nach dem Verlust der Liebe seines Lebens nur noch auf den Tod. Eines Tages schreckt ein Anruf die drei Alten aus ihrem beschaulich-lethargischen Dasein: Madame Trix, die ehemalige Deckerin des Teams, die für sie 10 Jahre in den Knast ging, wird entlassen und möchte sich mit ihrem Anteil an der Beute des letzten gemeinsamen Runs die ihr verbleibende Zeit auf Erden versüßen. Um den Schatz aus seinem Versteck zu holen, soll das ehemalige Team ein allerletztes Mal zusammenkommen. Gesagt, getan. Zu viert und trotz einiger persönlicher Differenzen machen sie sich an die Arbeit, stellen jedoch alsbald fest, dass irgendjemand vor kurzem das Versteck geplündert hat. Es dauert nicht lange bis die Ex-Runner die Schuldige ausgemacht haben: Winter, die völlig durchgeknallte Elfen-Magierin der damaligen Crew. Und sie finden heraus, dass Winter noch mehr Dreck am Stecken hat. Zwar gebietet ihnen die Runner-Ehre, ihr die Beute wieder abzujagen, doch die Elfin ist eine mächtige, skrupellose Feindin, die auch vor Mord an Kindern nicht zurückschreckt, während sie selbst schmerzlich erfahren müssen, dass sie in den Schatten des Jahres 2064 tatsächlich zum Alten Eisen gehören. Nach "Shelley", "Im Namen des Herrn" und "Feuerzauber" legt Wiesler mit "Altes Eisen" seinen bislang vierten und besten Shadowrun-Roman vor. Die Qualität dieses originellen Buches liegt weniger in dem eher unspektakulären Plot um eine gestohlenes Artefakt, als vielmehr in den für Shadowrun-Verhältnisse äußerst ungewöhnlichen, liebevoll charakterisierten Protagonisten und dem interessanten Aufbau der Geschichte, der kapitelweise zwischen dem “Heute” -2064 bzw. der Jagd auf Winter- und dem “Damals” -2054 bzw. dem letzten gemeinsamen Run der Crew- hin und her springt. Ein fast vier Meter großer, schwuler Troll, ein depressiver Samurai, ein durch und durch bürgerlicher Ork mit einer riesengroßen Familie, der als Stand-Up-Comedian seinen Lebensunterhalt bestreitet, eine Deckerin, die eher als Hausfrau mit geblümter Schürze denn als eine Matrix-Koryphäe durchgeht und eine total psychotische Elf-Magierin hätten an sich schon Unterhaltungswert genug; der Autor jedoch treibt das Ganze dadurch auf die Spitze, dass er seine Helden -jedenfalls die Vertreter der “kurzlebigen Rassen”- alte Leute sein lässt, die den Zenit ihres Lebens längst überschritten haben. Dabei ist dieser Ansatz nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein zentrales Moment, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Die Helden sind explizit keine Super-Runner (mehr), sondern müssen sich mit zahlreichen alltäglichen Fährnissen und Problemen, die das Leben und Alt-Sein in der Sechsten Welt insbesondere für “Hauer” mit sich bringt, rumschlagen. Sie sind gefangen in gesellschaftlichen Zwängen, welche man als Leser jederzeit nachvollziehen kann. Daher bieten die Figuren, deren Entwicklung Wiesler durch das Gegenüberstellen von Gegenwart und Vergangenheit unterstreicht, dem Leser zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten. Mehr als einmal wird er auf Situationen stoßen, die er so oder ähnlich schon erlebt hat oder von denen er sich vorstellen kann, ihnen noch zu begegnen. Kurz und gut: Lulatsch, Clown, Grizzly und Madame Trix sind durch und durch authentische, glaubwürdige Figuren. Der Eindruck der Normalität und Gemütlichkeit, den sie ausstrahlen, wird zudem dadurch verstärkt, dass der Autor ihnen eine Antagonistin gegenüberstellt, die in hohem Maße psychotisch, amoralisch und skrupellos ist. Ein zweites prägendes Moment des Buches ist die Absage an massive Gewalt um ihrer selbst willen. Statt die Story in Blut zu ertränken, lässt Wiesler seine Helden in beiden Handlungssträngen -damals und heute- mit Köpfchen und viel Chuzpe zum Erfolg kommen, d.h. Wasserpistole mit Betäubungsmitteln und Halluzinogenen anstelle der Ares Predator. Fast gewaltfrei -dafür aber umso anschaulicher geschildert- sind auch die Matrix-Trips der Deckerin, auch wenn die virtuelle Realität mit ihren herunterrieselnden Bits und Bytes streckenweise etwas klischeehaft wirkt. Schließlich kommt als drittes Element der Humor hinzu. Wenn sich die Smartgun verabschiedet, weil ein Software-Upgrade fehlt, wenn Walker und Simmons -die beiden Protagonisten aus “Shelley”- durch das Bild stolpern, Lulatsch darüber nachsinnt, dass sich sein Freund Holger beim Verabschieden wie eine Tunte aus dem Film “La Cage aux folles” verhält oder Clown bei der Sexual-Aufklärung seines Sohnes im Vergleich zu seiner Frau als der totale Spießer erscheint, so wirkt das vor allem deshalb komisch, weil diese Szenen dank Wieslers gefälligem Stil auf eine lebendige, lockere -eher beiläufige- und völlig unpathetische Art und Weise in die Geschichte integriert sind. Fazit: Die Absage an liebgewonnene und oft kolportierte Shadowrun-Klischees, die den obercoolen, kraftstrotzenden, vor brandneuer, ultraheißer Cyberware starrenden Adrenalin-Junkie im Kampf gegen mindestens einen Drachen, weltbedrohende Mega-Cons oder den Hunger der Welt in den Mittelpunkt stellen, bringt wieder “echtes” Leben in eine Reihe, die spätestens seit Markus Heitz´ actionüberladenen SR-Romanen qualitativ darniederlag.

Vor zehn Jahren war “Die Crew” ein Runner-Team, von dem man in den Schatten sprach; heute sind vier der fünf überlebenden Mitglieder alte Leute, denn für Orks und Trolle sind auf Grund ihre besonderen Physiologie zehn Jahre eine lange Zeit und kaum einer der “Hauer” vollendet das 40. Lebensjahr.

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Lulatsch, der 3,70m große Troll, ist mittlerweile Image-Berater für politisch ambitionierte Metamenschen, Clown genießt im Kreise seiner Lieben den Ruhestand -falls Gattin, Kinder und Enkel ihn lassen-, und Grizzly, der Sam der Gruppe, wartet nach dem Verlust der Liebe seines Lebens nur noch auf den Tod.

Eines Tages schreckt ein Anruf die drei Alten aus ihrem beschaulich-lethargischen Dasein: Madame Trix, die ehemalige Deckerin des Teams, die für sie 10 Jahre in den Knast ging, wird entlassen und möchte sich mit ihrem Anteil an der Beute des letzten gemeinsamen Runs die ihr verbleibende Zeit auf Erden versüßen. Um den Schatz aus seinem Versteck zu holen, soll das ehemalige Team ein allerletztes Mal zusammenkommen.

Gesagt, getan. Zu viert und trotz einiger persönlicher Differenzen machen sie sich an die Arbeit, stellen jedoch alsbald fest, dass irgendjemand vor kurzem das Versteck geplündert hat. Es dauert nicht lange bis die Ex-Runner die Schuldige ausgemacht haben: Winter, die völlig durchgeknallte Elfen-Magierin der damaligen Crew. Und sie finden heraus, dass Winter noch mehr Dreck am Stecken hat.

Zwar gebietet ihnen die Runner-Ehre, ihr die Beute wieder abzujagen, doch die Elfin ist eine mächtige, skrupellose Feindin, die auch vor Mord an Kindern nicht zurückschreckt, während sie selbst schmerzlich erfahren müssen, dass sie in den Schatten des Jahres 2064 tatsächlich zum Alten Eisen gehören.

Nach "Shelley", "Im Namen des Herrn" und "Feuerzauber" legt Wiesler mit "Altes Eisen" seinen bislang vierten und besten Shadowrun-Roman vor.

Die Qualität dieses originellen Buches liegt weniger in dem eher unspektakulären Plot um eine gestohlenes Artefakt, als vielmehr in den für Shadowrun-Verhältnisse äußerst ungewöhnlichen, liebevoll charakterisierten Protagonisten und dem interessanten Aufbau der Geschichte, der kapitelweise zwischen dem “Heute” -2064 bzw. der Jagd auf Winter- und dem “Damals” -2054 bzw. dem letzten gemeinsamen Run der Crew- hin und her springt.

Ein fast vier Meter großer, schwuler Troll, ein depressiver Samurai, ein durch und durch bürgerlicher Ork mit einer riesengroßen Familie, der als Stand-Up-Comedian seinen Lebensunterhalt bestreitet, eine Deckerin, die eher als Hausfrau mit geblümter Schürze denn als eine Matrix-Koryphäe durchgeht und eine total psychotische Elf-Magierin hätten an sich schon Unterhaltungswert genug; der Autor jedoch treibt das Ganze dadurch auf die Spitze, dass er seine Helden -jedenfalls die Vertreter der “kurzlebigen Rassen”- alte Leute sein lässt, die den Zenit ihres Lebens längst überschritten haben. Dabei ist dieser Ansatz nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein zentrales Moment, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Die Helden sind explizit keine Super-Runner (mehr), sondern müssen sich mit zahlreichen alltäglichen Fährnissen und Problemen, die das Leben und Alt-Sein in der Sechsten Welt insbesondere für “Hauer” mit sich bringt, rumschlagen. Sie sind gefangen in gesellschaftlichen Zwängen, welche man als Leser jederzeit nachvollziehen kann. Daher bieten die Figuren, deren Entwicklung Wiesler durch das Gegenüberstellen von Gegenwart und Vergangenheit unterstreicht, dem Leser zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten. Mehr als einmal wird er auf Situationen stoßen, die er so oder ähnlich schon erlebt hat oder von denen er sich vorstellen kann, ihnen noch zu begegnen. Kurz und gut: Lulatsch, Clown, Grizzly und Madame Trix sind durch und durch authentische, glaubwürdige Figuren. Der Eindruck der Normalität und Gemütlichkeit, den sie ausstrahlen, wird zudem dadurch verstärkt, dass der Autor ihnen eine Antagonistin gegenüberstellt, die in hohem Maße psychotisch, amoralisch und skrupellos ist.

Ein zweites prägendes Moment des Buches ist die Absage an massive Gewalt um ihrer selbst willen. Statt die Story in Blut zu ertränken, lässt Wiesler seine Helden in beiden Handlungssträngen -damals und heute- mit Köpfchen und viel Chuzpe zum Erfolg kommen, d.h. Wasserpistole mit Betäubungsmitteln und Halluzinogenen anstelle der Ares Predator. Fast gewaltfrei -dafür aber umso anschaulicher geschildert- sind auch die Matrix-Trips der Deckerin, auch wenn die virtuelle Realität mit ihren herunterrieselnden Bits und Bytes streckenweise etwas klischeehaft wirkt.

Schließlich kommt als drittes Element der Humor hinzu. Wenn sich die Smartgun verabschiedet, weil ein Software-Upgrade fehlt, wenn Walker und Simmons -die beiden Protagonisten aus “Shelley”- durch das Bild stolpern, Lulatsch darüber nachsinnt, dass sich sein Freund Holger beim Verabschieden wie eine Tunte aus dem Film “La Cage aux folles” verhält oder Clown bei der Sexual-Aufklärung seines Sohnes im Vergleich zu seiner Frau als der totale Spießer erscheint, so wirkt das vor allem deshalb komisch, weil diese Szenen dank Wieslers gefälligem Stil auf eine lebendige, lockere -eher beiläufige- und völlig unpathetische Art und Weise in die Geschichte integriert sind.

Fazit: Die Absage an liebgewonnene und oft kolportierte Shadowrun-Klischees, die den obercoolen, kraftstrotzenden, vor brandneuer, ultraheißer Cyberware starrenden Adrenalin-Junkie im Kampf gegen mindestens einen Drachen, weltbedrohende Mega-Cons oder den Hunger der Welt in den Mittelpunkt stellen, bringt wieder “echtes” Leben in eine Reihe, die spätestens seit Markus Heitz´ actionüberladenen SR-Romanen qualitativ darniederlag.

geschrieben am 19.11.2005 | 815 Wörter | 4870 Zeichen

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Rezension von

Oliver Lippert

Altes Eisen Zehn Jahre ist es her, seit Lulatsch, Clown, Grizzly und Madame Trix ihren letzten Coup gelandet haben. Und ein Jahrzehnt ist in der sechsten Welt eine lange Zeit, vor allem für die kurzlebigen Orks und Trolle. Sie haben die Straßen der ADL hinter sich gelassen, aber wie heißt es so schön: Niemand verlässt die Schatten ganz. So holt die Vergangenheit die Runner ein und lässt sie erkennen, dass sie im Jahr 2064 vor allem eines sind: Altes Eisen Zehn Jahre lang saß Madame Trix, Ihr Runner-Name, der reele Name lautet Helen, im Gefängnis nun da Sie entlassen wird, sammeln sich die gesamten Crew-Mitglieder um nun die damalige Beute aufzuteilen. Die Crew bestand damals aus Clown, Madame Trix, Grizzly, Lulatsch, Winter und Dietrich. Letzterer starb bei dem Überfall und Winter, eine Elfin und Freundin von Dietrich, verließ danach die Crew. Die Crew hatte eine gewisse Runner-Ethik, vermied Tote, Verletzte und ebenfalls Wetwork. Das Buch hat außerdem als Ergänzung ein Glossar um Runner-Slang zu erklären, was sehr positiv auffällt. Die Geschichte liest sich flüssig und verliert kaum an Spannung auf den 426 Seiten. Macht auf jeden Fall Spaß auf mehr.

Zehn Jahre ist es her, seit Lulatsch, Clown, Grizzly und Madame Trix ihren letzten Coup gelandet haben. Und ein Jahrzehnt ist in der sechsten Welt eine lange Zeit, vor allem für die kurzlebigen Orks und Trolle. Sie haben die Straßen der ADL hinter sich gelassen, aber wie heißt es so schön: Niemand verlässt die Schatten ganz. So holt die Vergangenheit die Runner ein und lässt sie erkennen, dass sie im Jahr 2064 vor allem eines sind: Altes Eisen

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Das Buch hat außerdem als Ergänzung ein Glossar um Runner-Slang zu erklären, was sehr positiv auffällt. Die Geschichte liest sich flüssig und verliert kaum an Spannung auf den 426 Seiten. Macht auf jeden Fall Spaß auf mehr.

geschrieben am 02.12.2007 | 188 Wörter | 969 Zeichen

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