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Nordlicht


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Rezension von

Julia Göpfert

Nordlicht Zwei Frauenleben, eine (gemeinsame) Geschichte Packend und berĂŒhrend schildert Melitta Breznik die Vergangenheit und das Zusammentreffen zweier Frauen in Norwegen: Die eine reist dorthin, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Die andere wurde dort geboren und kĂ€mpft mit Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit. War da ein Bus? Oder wird Anna langsam verrĂŒckt? Immer hĂ€ufiger kommt es ihr vor als wĂŒrde sie von SinnestĂ€uschungen gequĂ€lt. Den Anforderungen ihrer Arbeit als Ärztin schafft sie es nicht mehr gerecht werden. Auch mit dem Wechsel aus Schweigen und dem bedingungslos verlangten Zuhören in ihrer Ehe kommt sie nicht mehr zurecht. Als sie auszieht und ihr Mann sich kurz darauf die NĂ€chste nimmt, beschließt sie einen lang gehegten Traum zu verwirklichen. Sie will nach Norwegen, um dort am Ende eines nahezu lichtlosen, skandinavischen Winters das Nordlicht zu sehen. Mit sich nimmt sie die TagebĂŒcher ihres Vaters, der dort als Soldat im Zweiten Weltkrieg stationiert war und den dieses Land sein Leben lang faszinierte. In KĂ€lte, Lichtlosigkeit und Einsamkeit hofft Anna wieder zu sich selbst zu finden, mit einem Fotoapparat dokumentiert sie ihre fortschreitende VerrĂŒcktheit. Bei ihren Nachforschungen ĂŒber die Vergangenheit ihres Vaters, lernt sie die Norwegerin Giske kennen, deren Leben durch die Stationierung deutscher Soldaten in diesem Teil Norwegens beeinflusst wurde. Durch ihre Freundschaft mit Anna beginnt sie sich wieder an ihre Vergangenheit zu erinnern und sich mit ihr auseinander zu setzen. BĂŒcher, die aus der Sicht verschiedener Blickpunkte geschrieben sind, kennt man einige, Melitta Breznik aber hat diese Technik perfektioniert. Sie schreibt ihr Buch nicht nur aus dem Blickwinkel zweier Personen, sondern berichtet auch innerhalb der einzelnen Blickwinkel abwechselnd, und dazu noch in unterschiedlichen ErzĂ€hlperspektiven, von Gegenwart und Vergangenheit der Protagonisten. Sowohl bei Anna, als auch bei Giske werden vergangene Erlebnisse in einem sachlichen Ton erzĂ€hlt, GefĂŒhle grĂ¶ĂŸtenteils indirekt und durch Außenhandlungen deutlich gemacht. Es wirkt somit so als ob die Protagonisten ihr Leben lediglich von außen betrachten. Ein Eindruck, der durch die personale Perspektive noch verstĂ€rkt wird. Die gegenwĂ€rtigen Geschehnisse in Norwegen hingegen werden aus der Ich-Perspektive geschildert, hierbei steht weniger die Ă€ußere als die innere Handlung im Vordergrund. Der Wechsel zwischen Giske und Anna geht oft abrupt vor sich, auch braucht man zu Beginn eine Weile bis man den ErzĂ€hlwechsel nachvollziehen kann. Das ist zwar irgendwie verwirrend, hat aber auch seinen ganz eigenen Charme. Und es wird in einer eindringlichen Sprache geschildert, die berĂŒhrt. Parallel zum Scheitern von Annas Ehe und ihres bisherigen Lebens wird erzĂ€hlt, wie sie den nordischen Winter erlebt. Ihre Angst vor dem VerrĂŒcktwerden wird so deutlicher, da man sie parallel bei deren Aufkommen und BekĂ€mpfung verfolgen kann. Giskes Geschichte hingegen zeigt eine Facette der grausamen Nachkriegswelt, die eher selten in den SchulbĂŒchern behandelt wird. NĂ€mlich, wie sie als Kind eines Deutschen und einer Norwegerin nach dem verlorenen Krieg als „Deutschenbastard“ wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt wird, wenn ĂŒberhaupt. Gerade die ruhige, sachliche Schilderung Giskes Lebens, welches von Ablehnung, Hass und stĂ€ndigem Missbrauch geprĂ€gt wurde, macht das Ganze nur umso schockierender. Zeitweise scheint es, als wĂŒrde ihre Herkunft jedem eine Rechtfertigung dafĂŒr geben, sie, besonders als sie noch ein Kind und damit nahezu wehrlos ist, nach GutdĂŒnken zu missbrauchen. Sei es als PrĂŒgelmĂ€dchen, Mobbingopfer oder Sexualobjekt. Am Ende des Buches können die Erlebnisse, die beide Personen machen mussten, nicht wieder gut oder ungeschehen gemacht werden. Allerdings erlebt man doch, dass die beiden Hauptpersonen es geschafft haben, sich mit ihrem Schicksal nicht nur zu arrangieren, sondern auch auszusöhnen, und somit die Möglichkeit haben den Rest ihres Lebens nach ihrem Willen zu nutzen. Trotzdem kommt es zu keinem allzu kitschigen Schluss, wie er in Frauenromanen allzu hĂ€ufig vorkommt. Dies ist nicht die Geschichte zweier Frauen, die plötzlich beschlossen, ihr Leben umzukrempeln und als Superfrauen nun den Erfolg ihres Lebens feiern. Es ist etwas Anderes, Selteneres, AnrĂŒhrenderes. Und wirkt dadurch glaubwĂŒrdiger. Dieses Buch zeigt Möglichkeiten das Leben zu leben, auch ohne dass erst von außen ein Wunder oder etwas Bahnbrechendes geschehen muss. Und gerade dadurch ist es etwas Besonderes.

Zwei Frauenleben, eine (gemeinsame) Geschichte

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Packend und berĂŒhrend schildert Melitta Breznik die Vergangenheit und das Zusammentreffen zweier Frauen in Norwegen: Die eine reist dorthin, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Die andere wurde dort geboren und kĂ€mpft mit Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit.

War da ein Bus? Oder wird Anna langsam verrĂŒckt? Immer hĂ€ufiger kommt es ihr vor als wĂŒrde sie von SinnestĂ€uschungen gequĂ€lt. Den Anforderungen ihrer Arbeit als Ärztin schafft sie es nicht mehr gerecht werden. Auch mit dem Wechsel aus Schweigen und dem bedingungslos verlangten Zuhören in ihrer Ehe kommt sie nicht mehr zurecht. Als sie auszieht und ihr Mann sich kurz darauf die NĂ€chste nimmt, beschließt sie einen lang gehegten Traum zu verwirklichen. Sie will nach Norwegen, um dort am Ende eines nahezu lichtlosen, skandinavischen Winters das Nordlicht zu sehen. Mit sich nimmt sie die TagebĂŒcher ihres Vaters, der dort als Soldat im Zweiten Weltkrieg stationiert war und den dieses Land sein Leben lang faszinierte. In KĂ€lte, Lichtlosigkeit und Einsamkeit hofft Anna wieder zu sich selbst zu finden, mit einem Fotoapparat dokumentiert sie ihre fortschreitende VerrĂŒcktheit. Bei ihren Nachforschungen ĂŒber die Vergangenheit ihres Vaters, lernt sie die Norwegerin Giske kennen, deren Leben durch die Stationierung deutscher Soldaten in diesem Teil Norwegens beeinflusst wurde. Durch ihre Freundschaft mit Anna beginnt sie sich wieder an ihre Vergangenheit zu erinnern und sich mit ihr auseinander zu setzen.

BĂŒcher, die aus der Sicht verschiedener Blickpunkte geschrieben sind, kennt man einige, Melitta Breznik aber hat diese Technik perfektioniert. Sie schreibt ihr Buch nicht nur aus dem Blickwinkel zweier Personen, sondern berichtet auch innerhalb der einzelnen Blickwinkel abwechselnd, und dazu noch in unterschiedlichen ErzĂ€hlperspektiven, von Gegenwart und Vergangenheit der Protagonisten. Sowohl bei Anna, als auch bei Giske werden vergangene Erlebnisse in einem sachlichen Ton erzĂ€hlt, GefĂŒhle grĂ¶ĂŸtenteils indirekt und durch Außenhandlungen deutlich gemacht. Es wirkt somit so als ob die Protagonisten ihr Leben lediglich von außen betrachten. Ein Eindruck, der durch die personale Perspektive noch verstĂ€rkt wird. Die gegenwĂ€rtigen Geschehnisse in Norwegen hingegen werden aus der Ich-Perspektive geschildert, hierbei steht weniger die Ă€ußere als die innere Handlung im Vordergrund.

Der Wechsel zwischen Giske und Anna geht oft abrupt vor sich, auch braucht man zu Beginn eine Weile bis man den ErzĂ€hlwechsel nachvollziehen kann. Das ist zwar irgendwie verwirrend, hat aber auch seinen ganz eigenen Charme. Und es wird in einer eindringlichen Sprache geschildert, die berĂŒhrt.

Parallel zum Scheitern von Annas Ehe und ihres bisherigen Lebens wird erzĂ€hlt, wie sie den nordischen Winter erlebt. Ihre Angst vor dem VerrĂŒcktwerden wird so deutlicher, da man sie parallel bei deren Aufkommen und BekĂ€mpfung verfolgen kann.

Giskes Geschichte hingegen zeigt eine Facette der grausamen Nachkriegswelt, die eher selten in den SchulbĂŒchern behandelt wird. NĂ€mlich, wie sie als Kind eines Deutschen und einer Norwegerin nach dem verlorenen Krieg als „Deutschenbastard“ wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt wird, wenn ĂŒberhaupt. Gerade die ruhige, sachliche Schilderung Giskes Lebens, welches von Ablehnung, Hass und stĂ€ndigem Missbrauch geprĂ€gt wurde, macht das Ganze nur umso schockierender. Zeitweise scheint es, als wĂŒrde ihre Herkunft jedem eine Rechtfertigung dafĂŒr geben, sie, besonders als sie noch ein Kind und damit nahezu wehrlos ist, nach GutdĂŒnken zu missbrauchen. Sei es als PrĂŒgelmĂ€dchen, Mobbingopfer oder Sexualobjekt.

Am Ende des Buches können die Erlebnisse, die beide Personen machen mussten, nicht wieder gut oder ungeschehen gemacht werden. Allerdings erlebt man doch, dass die beiden Hauptpersonen es geschafft haben, sich mit ihrem Schicksal nicht nur zu arrangieren, sondern auch auszusöhnen, und somit die Möglichkeit haben den Rest ihres Lebens nach ihrem Willen zu nutzen. Trotzdem kommt es zu keinem allzu kitschigen Schluss, wie er in Frauenromanen allzu hĂ€ufig vorkommt. Dies ist nicht die Geschichte zweier Frauen, die plötzlich beschlossen, ihr Leben umzukrempeln und als Superfrauen nun den Erfolg ihres Lebens feiern. Es ist etwas Anderes, Selteneres, AnrĂŒhrenderes. Und wirkt dadurch glaubwĂŒrdiger. Dieses Buch zeigt Möglichkeiten das Leben zu leben, auch ohne dass erst von außen ein Wunder oder etwas Bahnbrechendes geschehen muss. Und gerade dadurch ist es etwas Besonderes.

geschrieben am 10.04.2010 | 660 Wörter | 3932 Zeichen

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