ISBN | 3446249249 | |
Autor | Jane Gardam | |
Verlag | Hanser | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 352 | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Extras | - |
Jane Gardam, Jahrgang 1928, schrieb ihr erstes Buch, ein Kinderbuch (A long way from Verona), im Alter von vierzig Jahren und gewann bereits damit den Phoenix Award. Dazu wurde sie, dies zudem als einzige Schriftstellerin bislang, zweimal mit dem Whitbread/Costa Prize ausgezeichnet (fĂŒr The Hollow Land, 1981, sowie The Queen of the Tambourine, 1991). Mit Old Filth stand sie auf der Shortlist des Orange Prize und im Jahr 2015 erschien Old Filth nun erstmals in deutscher Ăbersetzung unter dem Titel Ein untadeliger Mann. Es ist wirklich erstaunlich, dass diese Autorin in Deutschland bislang so wenig Aufmerksamkeit erfahren hat, denn es ist ein VergnĂŒgen den Roman zu lesen. Das ist natĂŒrlich auch der Leistung der Ăbersetzerin Isabel Bogdan zu verdanken, aber den Charakter eines Buches kann auch eine Ăbersetzung nicht wesentlich verĂ€ndern.
Die Umbenennung des Werks in âEin untadeliger Mannâ gibt den Protagonisten Edward Feathers gut wieder: er ist, jedenfalls Ă€uĂerlich, bis ins hohe Alter ein Mann mit Manieren, gutem Aussehen, noch besserem, stilsicheren und unerschĂŒtterlichen Benehmenskodex, der im Zweifel eher zu ZurĂŒckhaltung und Understatement tendiert als seiner Umwelt am Ende noch sein persönliches Befinden aufzuoktroyieren. Man erfĂ€hrt zunĂ€chst, dass er ein berĂŒhmter Anwalt und Richter in Hongkong gewesen ist und nunmehr mit seiner Frau Betty in England einen Altersruhesitz bezogen hat. Betty aber stirbt nach einer Weile und etwas gerĂ€t in Feathers in Bewegung, nĂ€mlich seine bewegte Vergangenheit, der er sich bis heute emotional nicht gestellt hat. Der Leser wird dann auf eine spannende Zeitreise in Feathersâ Vergangenheit mitgenommen und erfĂ€hrt so nicht nur vieles ĂŒber dessen Schicksal, sondern erhĂ€lt wie nebenbei auch noch einen Einblick in den sukzessiven Untergang des British Empire im Laufe des 20. Jahrhunderts.
Dass dieser Roman ĂŒber die Raj-Waise Feathers nun gerade 2015 erscheint, dem Jahr, in welchem Rudyard Kipling, einer der berĂŒhmtesten Raj-Waisen, jubilarisch geehrt wurde, passt perfekt. Immerhin wird auf Kipling im Buch durchaus Bezug genommen. Neben dem ĂŒblen Schicksal des als nach England zu einer Pflegefamilie verschickten Jungen erfĂ€hrt man allerlei ĂŒber den Werdegang des Jungen, der es irgendwie geschafft hat, von vielen Menschen gemocht und unterstĂŒtzt zu werden, obwohl er selbst zu tiefgehender EmotionalitĂ€t nicht mehr in der Lage war. Diese UnterstĂŒtzung wird manchmal nur mittelbar angedeutet, etwa nach dem Diebstahl des Adressbuches durch Albert Loss wĂ€hrend einer zermĂŒrbenden Schifffahrt Richtung Colombo, und man kann sich als Leser ĂŒber die Unwissenheit des Protagonisten fast schon amĂŒsieren. Feathers muss sich am Ende eingestehen, dass er die psychisch heftig auf ihn einwirkenden Erlebnisse bewĂ€ltigen muss und lĂ€sst dies auch geschehen. In seiner Art und in seinem Tempo. Dabei macht er ganz unerwartete Begegnungen und Erfahrungen, insbesondere diejenige, dass es sich mit anderen doch leichter leben und die Sorgen teilen lĂ€sst. Am Ende lĂ€sst er sich zu einer fast ĂŒbermĂŒtigen Aktion hinreiĂen und verschafft auf diese Weise sowohl sich als auch dem Leser ein bewegendes Ende.
Das Buch ist von einer ganz subtilen Schönheit, einer fast altmodischen sprachlichen Konsequenz, die dem Protagonisten, aber auch den erzĂ€hlten UmstĂ€nden bestens zupass kommt. Selbst die Knalleffekte und belastenden Passagen des Buches kommen in ruhigem Tonfall daher und betonen den angenehmen Charakter des Romans. Das LektĂŒreerlebnis ist nachhaltig, man kann sich in die Zeiten und Orte gut hineinversetzen und vermisst die im Buch beschriebene Vergangenheit am Ende irgendwie gar nicht.
geschrieben am 09.03.2016 | 542 Wörter | 3156 Zeichen
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