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Roman ohne U


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Roman ohne U Ein großer, umfassender Familienroman über fast 60 Jahre Zeitgeschichte, mit Wurzeln vor und am Ende des zweiten Weltkrieges und daraus folgenden Entwicklungen, Geheimnissen, Zerwürfnissen, Entbehrungen, Versöhnungen - mithin: viel dramatischer Stoff. Im Mittelpunkt des Romans steht zunächst das Ehepaar Katharina und Julius Bergmüller. Diese haben insgesamt vier Kinder, wenngleich alles irgendwie anders geplant war. Kennen gelernt haben sich die beiden in Wien und mit den ersten beiden ungewollt gezeugten Kindern, Zwillingen, ziehen die beiden noch mit ihrer Rolle als Paar und Eltern überforderten jungen Leute zu Julius‘ Vater Arthur aufs Land. Der kümmert sich hingebungsvoll um Katharina und die Kinder, was Julius aber nicht gerade positiv stimmt. Warum? Das erfährt man sukzessive, mit Gegenwartsbeschreibungen und vielen Rückblenden. Julius‘ Mutter starb früh und deren amerikanische Mutter nahm Julius mit zu sich in die Vereinigten Staaten. Arthur floh vor der Verantwortung und stieß so auch die eigenen Eltern vor den Kopf, die sich liebevoll um den kleinen Jungen gekümmert hätten. Nach dem Tod der amerikanischen Großmutter holt Arthur den Jungen dann doch nach Österreich, mit etwa 6 Jahren, aber ein inniges Vater-Sohn-Verhältnis will sich nie so recht einstellen. Parallel erfährt der Leser dann Stück für Stück, dass Julius nicht nur in der ersten Ehezeit mit der Mutter einer früheren Schulfreundin ein Verhältnis hat, sondern auch in den Folgejahren immer wieder intensive Verhältnisse mit anderen Frauen hat, die er aufgrund seiner neuen Tätigkeit als Pharmareferent weitab vom heimatlichen Dorf recht risikolos führen kann. Mit der letzten so gewonnenen Dame, Stephanie, wird Julius dann in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt - ausgerechnet am so genannten Weltuntergangstag, dem 21.12.2012 (was allerdings außer diesem Zufall keine weitere Bedeutung im Roman hat). Das Brisante daran ist, dass ebendiese Stephanie zunächst bewusst den Kontakt zu Julius‘ Familie gesucht hat, um Katharina mit dem Verfassen einer Erinnerungserzählung ihres Onkels Thomas zu beauftragen. Dennoch beginnen Stephanie und Julius dieses Verhältnis. Katharina wiederum geht mit Julius und den Kindern durch viele Höhen und noch mehr Tiefen des Ehelebens und ist am Ende froh, dass Julius unter der Woche aus dem Haus ist. Sie arbeitet sich in das Manuskript von Thomas ein, der nach seiner Zeit in sowjetischer Gefangenschaft im Gulag seine Erlebnisse mit einer alten Schreibmaschine, bei der das U nicht mehr richtig funktionierte -deshalb der Romantitel -, festhält und am Ende noch Tonbandaufnahmen mit seinem behandelnden Psychiater erstellt. Thomas gerät 1945 durch Leichtsinn in sowjetische Gefangenschaft, wird nach Sibirien abtransportiert und lernt auf dieser Reise Ludovica kennen, eine begnadete Pianistin, die sich durch diese Fähigkeit die ungewollte Gunst des Lagerleiters erspielt. Thomas und Ludovica verlieben sich ineinander und versuchen sogar mehrfach spektakulär die Flucht. Erst Mitte der 60er Jahre kehrt Thomas nach Österreich zurück. Am Ende werden beide Handlungsstränge, also Katharina samt Familie und Thomas, zusammengeführt, was zu erstaunlichen Verknüpfungen, Verwicklungen und Erkenntnissen führt. Der Roman ist insgesamt interessant zu lesen und nie langatmig. Die Schlusswendung ist etwas umständlich herbei geschrieben und man muss bisweilen ein wenig den Überblick mit den ganzen Namen und familiären Beziehungen behalten, aber dennoch ist das Ende des Romans zufriedenstellend. Allerdings stören mich an dem Buch handwerklich einige Dinge. Zum einen ist die Sprache zwischendurch immer wieder flach und wenig fordernd - vergleichen mit den Zeit- und Handlungssprüngen, die die Autorin dem Leser sonst zumutet. Gerade wenn es um den Alltag von Katharina, das Nebenbei-Liebesleben von Julius oder generell die familiären Beziehungen untereinander geht, wirkt die Sprache manchmal wie blutleer, metaphorisch einfallslos. Hier wäre vielleicht weniger Ausführlichkeit angezeigt gewesen, auch um die Phantasie des Lesers zu fördern. Des Weiteren sind Passagen enthalten, die für das Buch überhaupt keinen Mehrwert haben, vor allem ganz zu Beginn die seitenlange Beschreibung der Familie Bergmüller mit allen vier Kindern samt Eigenschaften und Vorlieben: das ist wie ein unnützes Zwischenspiel. Auch die intensive Beschreibung des Verhältnisses zwischen Julius und Claudia ist wenig Gewinn bringend, zumal man nicht wirklich erkennen kann, dass Claudias Lebenstipps an Julius irgendwelchen Ertrag gebracht hätten. Was ich ebenfalls sehr kritisch sehe, ist die enorme Diskrepanz zwischen den teilweise brutalen Szenen aus dem Gulag und der Alltagsbewältigung der Bergmüllers mit Kinderversorgung, Ehekrach und Yogastunden. Man ist emotional vor allem auf die Schlusswendung in Russland kaum vorbereitet und die Heftigkeit des dortigen Ereignisses findet sich - trotz des Verkehrsunfalls von Julius und Stephanie - in den finalen Kapiteln des Romans keineswegs korrelierend wieder. Schließlich wird gegen Ende eine Art Eingriff des Erzählers vorgenommen, der die Ereignisse dem Leser gegenüber wertet, fast schon flapsig wirkt das. Soll das ein wirklicher oder gar ein lustiger Kunstgriff sein? Oder hält die Autorin den Leser für dumm? Es passt einfach nicht, weder stilistisch noch handwerklich. Und ob man die aufklärende Volte im allerletzten kleinen Kapitel wirklich noch gebraucht hat für das Verständnis oder die Interpretation des Romans und seiner Figuren, dürfte mehr als zweifelhaft sein. Dennoch komme ich zu einem positiven Gesamtergebnis: die Lektüre ist unterhaltsam, die genannten Kritikpunkte sorgen zwar für leichtes Stirnrunzeln, aber nicht für eine Abwertung des Gesamteindrucks.

Ein großer, umfassender Familienroman über fast 60 Jahre Zeitgeschichte, mit Wurzeln vor und am Ende des zweiten Weltkrieges und daraus folgenden Entwicklungen, Geheimnissen, Zerwürfnissen, Entbehrungen, Versöhnungen - mithin: viel dramatischer Stoff.

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Im Mittelpunkt des Romans steht zunächst das Ehepaar Katharina und Julius Bergmüller. Diese haben insgesamt vier Kinder, wenngleich alles irgendwie anders geplant war. Kennen gelernt haben sich die beiden in Wien und mit den ersten beiden ungewollt gezeugten Kindern, Zwillingen, ziehen die beiden noch mit ihrer Rolle als Paar und Eltern überforderten jungen Leute zu Julius‘ Vater Arthur aufs Land. Der kümmert sich hingebungsvoll um Katharina und die Kinder, was Julius aber nicht gerade positiv stimmt. Warum? Das erfährt man sukzessive, mit Gegenwartsbeschreibungen und vielen Rückblenden. Julius‘ Mutter starb früh und deren amerikanische Mutter nahm Julius mit zu sich in die Vereinigten Staaten. Arthur floh vor der Verantwortung und stieß so auch die eigenen Eltern vor den Kopf, die sich liebevoll um den kleinen Jungen gekümmert hätten. Nach dem Tod der amerikanischen Großmutter holt Arthur den Jungen dann doch nach Österreich, mit etwa 6 Jahren, aber ein inniges Vater-Sohn-Verhältnis will sich nie so recht einstellen.

Parallel erfährt der Leser dann Stück für Stück, dass Julius nicht nur in der ersten Ehezeit mit der Mutter einer früheren Schulfreundin ein Verhältnis hat, sondern auch in den Folgejahren immer wieder intensive Verhältnisse mit anderen Frauen hat, die er aufgrund seiner neuen Tätigkeit als Pharmareferent weitab vom heimatlichen Dorf recht risikolos führen kann. Mit der letzten so gewonnenen Dame, Stephanie, wird Julius dann in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt - ausgerechnet am so genannten Weltuntergangstag, dem 21.12.2012 (was allerdings außer diesem Zufall keine weitere Bedeutung im Roman hat). Das Brisante daran ist, dass ebendiese Stephanie zunächst bewusst den Kontakt zu Julius‘ Familie gesucht hat, um Katharina mit dem Verfassen einer Erinnerungserzählung ihres Onkels Thomas zu beauftragen. Dennoch beginnen Stephanie und Julius dieses Verhältnis. Katharina wiederum geht mit Julius und den Kindern durch viele Höhen und noch mehr Tiefen des Ehelebens und ist am Ende froh, dass Julius unter der Woche aus dem Haus ist.

Sie arbeitet sich in das Manuskript von Thomas ein, der nach seiner Zeit in sowjetischer Gefangenschaft im Gulag seine Erlebnisse mit einer alten Schreibmaschine, bei der das U nicht mehr richtig funktionierte -deshalb der Romantitel -, festhält und am Ende noch Tonbandaufnahmen mit seinem behandelnden Psychiater erstellt. Thomas gerät 1945 durch Leichtsinn in sowjetische Gefangenschaft, wird nach Sibirien abtransportiert und lernt auf dieser Reise Ludovica kennen, eine begnadete Pianistin, die sich durch diese Fähigkeit die ungewollte Gunst des Lagerleiters erspielt. Thomas und Ludovica verlieben sich ineinander und versuchen sogar mehrfach spektakulär die Flucht. Erst Mitte der 60er Jahre kehrt Thomas nach Österreich zurück.

Am Ende werden beide Handlungsstränge, also Katharina samt Familie und Thomas, zusammengeführt, was zu erstaunlichen Verknüpfungen, Verwicklungen und Erkenntnissen führt.

Der Roman ist insgesamt interessant zu lesen und nie langatmig. Die Schlusswendung ist etwas umständlich herbei geschrieben und man muss bisweilen ein wenig den Überblick mit den ganzen Namen und familiären Beziehungen behalten, aber dennoch ist das Ende des Romans zufriedenstellend.

Allerdings stören mich an dem Buch handwerklich einige Dinge. Zum einen ist die Sprache zwischendurch immer wieder flach und wenig fordernd - vergleichen mit den Zeit- und Handlungssprüngen, die die Autorin dem Leser sonst zumutet. Gerade wenn es um den Alltag von Katharina, das Nebenbei-Liebesleben von Julius oder generell die familiären Beziehungen untereinander geht, wirkt die Sprache manchmal wie blutleer, metaphorisch einfallslos. Hier wäre vielleicht weniger Ausführlichkeit angezeigt gewesen, auch um die Phantasie des Lesers zu fördern. Des Weiteren sind Passagen enthalten, die für das Buch überhaupt keinen Mehrwert haben, vor allem ganz zu Beginn die seitenlange Beschreibung der Familie Bergmüller mit allen vier Kindern samt Eigenschaften und Vorlieben: das ist wie ein unnützes Zwischenspiel. Auch die intensive Beschreibung des Verhältnisses zwischen Julius und Claudia ist wenig Gewinn bringend, zumal man nicht wirklich erkennen kann, dass Claudias Lebenstipps an Julius irgendwelchen Ertrag gebracht hätten.

Was ich ebenfalls sehr kritisch sehe, ist die enorme Diskrepanz zwischen den teilweise brutalen Szenen aus dem Gulag und der Alltagsbewältigung der Bergmüllers mit Kinderversorgung, Ehekrach und Yogastunden. Man ist emotional vor allem auf die Schlusswendung in Russland kaum vorbereitet und die Heftigkeit des dortigen Ereignisses findet sich - trotz des Verkehrsunfalls von Julius und Stephanie - in den finalen Kapiteln des Romans keineswegs korrelierend wieder.

Schließlich wird gegen Ende eine Art Eingriff des Erzählers vorgenommen, der die Ereignisse dem Leser gegenüber wertet, fast schon flapsig wirkt das. Soll das ein wirklicher oder gar ein lustiger Kunstgriff sein? Oder hält die Autorin den Leser für dumm? Es passt einfach nicht, weder stilistisch noch handwerklich. Und ob man die aufklärende Volte im allerletzten kleinen Kapitel wirklich noch gebraucht hat für das Verständnis oder die Interpretation des Romans und seiner Figuren, dürfte mehr als zweifelhaft sein.

Dennoch komme ich zu einem positiven Gesamtergebnis: die Lektüre ist unterhaltsam, die genannten Kritikpunkte sorgen zwar für leichtes Stirnrunzeln, aber nicht für eine Abwertung des Gesamteindrucks.

geschrieben am 15.12.2014 | 812 Wörter | 4922 Zeichen

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