ISBN | 3550080360 | |
Autor | John le Carré | |
Verlag | Ullstein | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 400 | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Extras | - |
„Empfindliche Wahrheit“ spielt – einmal wieder – im Geheimdienst und Ministeriumsilieu und ist ein handwerklich sehr gut gemachter Krimi. Von Le Carré erwartet man diesbezüglich natürlich auch nichts anderes, auch das Sujet ist nicht wirklich überraschend. Das Thema ist diesmal eine interessante Spielart der Moderne, nämlich das Institut der Public-Private-Partnership bezogen auf militärische bzw. geheimdienstliche Tätigkeiten. Ein solcher Einsatz findet in Gibraltat statt, wo der Roman beginnt. Vor Ort ist ein Abgesandter des britischen Außenministeriums, Deckname Paul, der erst kurz vor der Mitte des Romans wieder und dann unter seinem echten Namen auftritt – ein schöner Kniff, um den Leser zum munteren Mitdenken zu verleiten, dazu ein kleiner Trupp britischer Elitesoldaten, außerdem eine paramilitärische Einheit, die den Amerikanern zugeordnet ist, aber die von einer privaten Organisation gelenkt wird. Auf diese Weise werden die Handelnden formal der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zunächst entzogen bzw. die Staaten sind auf den ersten Blick nicht für deren Tun verantwortlich, so die Erläuterung des im Hintergrund die Fäden spinnenden Jay Crispin. Nach dem Eingangskapitel in Gibralter schwenkt die Perspektive zu Toby Bell, dem eigentlichen Protagonisten des Romans. Dieser arbeitet im Außenministerium als persönlicher Referent des Staatsministers Fergus Quinn, der den genannten Einsatz abgesegnet hat, kann sich aber mit dessen Eigentümlichkeiten nicht so recht arrangieren. Er erfährt im Laufe der Zeit immer neue Ungereimtheiten über Quinn, über dessen Vergangenheit, seine Bekanntschaft zu Crispin und vermutet Unbotmäßiges. Er lässt sich dann zu einem Schritt hinreißen, der seine Zukunft im Ministerium aufs Spiel setzt. Parallel wird Paul alias Sir Christopher Probyn von dem damaligen Führer der Elitesoldaten Jeb auf einem Jahrmarkt wieder entdeckt, sodass Probyn mit der damaligen Operation erneut konfrontiert wird. Jeb erläutert ihm den wahren, nämlich fehlgeschlagenen Ausgang der Operation „Wildlife“ samt Kollateralschaden und Probyn beschließt, zusammen mit Jeb die Wahrheit zu Papier zu bringen. Zeitgleich nimmt Probyn zu Bell Kontakt auf und sie setzen die jeweiligen Teile ihrer Erkenntnisse zu einem vorläufigen Puzzel zusammen. Jeb erscheint dann nicht zu einem vereinbarten Treffen, Probyn versucht auf eigene Faust, seine Version im Außenministerium zu Gehör zu bringen. Dass er damit grandios scheitert, war nicht nur dramaturgisch zu erwarten, sondern ist auch eine Befriedigung für den Leser, denn Probyns Charakter ist so unstet und beeinflussbar, dass er einen wenig zufriedenstellenden Helden abgegeben hätte. Also muss sich Bell der Sache annehmen, weiß, dass er in ein ziemlich großes Wespennest stechen wird, wenn er nach all seinen Recherchen den Whistleblower geben wird, bekommt verbale und körperliche Hindernisse in den Weg gestellt und sein ehemaliger Ausbilder Oakley spielt am Ende auch noch eine bedeutende Rolle, obwohl Bell und der Leser ihn schon abgeschrieben haben. Das Ende ist eine interessante Variante, die dem Leser viel interpretatorischen Spielraum lässt, die aber auch realistisch erscheint. Insgesamt ein spannendes Buch, manchmal mit sprachlichen Schwächen, die aber auch auf die Übersetzung bzw. die schwierige Umsetzung des angelsächsischen Geheimdienst- und Ministeriumsgefüges auf deutsches Verständnis zurückgehen können.
geschrieben am 06.07.2014 | 477 Wörter | 2936 Zeichen
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