Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928-1933


Statistiken
  • 6914 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Max Bloch

In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928-1933 Die eingängige Betrachtung der KPD zwischen 1928 und 1932 als eines bloßen Vollzugsorgans Moskauer Direktiven – das legt Bert Hoppe in seiner Studie dar – greift zu kurz. Schon allein deshalb, weil sich diese Direktiven häufig widersprachen, Komintern, sowjetische Diplomatie und bolschewistische Partei vielfach andere Ziele verfolgten und auch Stalin selbst sich in einer orakelhaften Uneindeutigkeit gefiel. All das leistete dem Verlangen der deutschen Funktionäre Vorschub, dem „Führer entgegenzuarbeiten“, wie Hoppe in Anlehnung an Kershaws Hitler-Biographie ausführt, das Vertrauen des Diktators zu erlangen und missliebige Konkurrenten, in das personale Netzwerk des Übervaters Stalin eingebunden, auf diese Weise ausschalten zu können. Der Kampf, der in der deutschen Parteiführung zwischen Ernst „Teddi“ Thälmann und Heinz Neumann tobte, war in dieser Beleuchtung weniger eine politische Auseinandersetzung um die grundsätzliche ideologische Ausrichtung der Partei, sondern ein Buhlen um Stalins Gunst, das Thälmann – der die bolschewistischen Methoden der persönlichen Diskreditierung, der Bespitzelung und Infamie rasch erlernte – letztlich für sich und gegen den Favoriten Neumann entschied. In der Sowjetunion habe also, folgt man Hoppe, ein „in Ansätzen polykratisches System“ geherrscht, das sich durch eine signifikante „Ähnlichkeit zum nationalsozialistischen Herrschaftssystem“ auszeichnete und in dessen Zentrum der – häufig nur erahnbare – Wille des Diktators stand. Dass beide Konkurrenten, Neumann ebenso wie Thälmann, ein gewaltsames Ende fanden: der eine wurde vom NKWD 1937 liquidiert, der andere schien als Märtyrer wichtiger denn als lebender Gefolgsmann, zeigt, dass auch die persönliche Nähe Stalins vor der Vernichtung nicht zu bewahren vermochte. Die Ideologen der Komintern und der bolschewistischen Partei waren durch den illegalen Kampf, durch Revolution und Bürgerkrieg geprägt. Für sie waren die deutschen Kommunisten, wie Hoppe schreibt, „unmündig wie Kinder, die der Anleitung durch die erfahrenen Funktionäre der russischen Partei bedurften“, die aber – so bliebe zu ergänzen – durchaus aufsässig werden konnten. Die „Sozialfaschismus“-Theorie, die den Hauptfeind in der SPD erkannte und an der mit verbissener Zähigkeit festgehalten wurde, war den Kommunisten an der Basis, die den Übergriffen nationalsozialistischer Schlägertrupps ebenso wie ihre sozialdemokratischen Kollegen ausgesetzt waren, mitunter schwer vermittelbar und schürte Zweifel an der Stringenz der Moskauer Vorgaben. Die nationalpolitische Wende von 1930, die einer spontanen Eingebung Stalins folgte, geriet bald außer Kontrolle, als es die deutschen Kommunisten, von Moskauer Warte aus betrachtet, mit ihrem Nationalismus gar zu weit trieben, die Zusammenarbeit von KPD und NSDAP beim Volksbegehren zur Auflösung des preußischen Landtags und beim Berliner BVG-Streik den gewünschten und erwarteten Erfolg aber nicht gebracht hatte. Auch konnte sich manch deutscher Funktionär eines gewissen Gefühls kultureller Überlegenheit gegenüber den russischen Genossen nicht erwehren, und so wurden die Resolutionen der Komintern häufig lieblos heruntergebetet, gerannen zu Phrasen, die außerhalb der kommunistischen Gemeinde niemand mehr verstand und die die Arbeiter zu gewinnen kaum angetan waren. Stalin – das hat insbesondere der Volkskommissar des Äußeren, Tschitscherin, mit bemerkenswerter Offenheit ausgesprochen – hatte von den Bedingungen des politischen Kampfes unter demokratischen Bedingungen kaum eine rechte Vorstellung. Die deutschen Kommunisten, die insbesondere in den Gemeindeparlamenten, teilweise auch in den Ausschüssen des Reichstags durchaus konstruktive (und das heißt: reformistische) Arbeit leisteten, galten aus Moskauer Sicht als „Kaffeehaussozialisten“, die über den Annehmlichkeiten des parlamentarischen Betriebes den kompromisslosen revolutionären Kampf, die Vernichtung der Gegner, vergäßen. Die Antwort hierauf konnte nur „Tschistka“, Säuberung lauten, ewiges Misstrauen und Denunziation. Der Katastrophe von 1933, dem Verbot der KPD, der Verhaftung und Folter Tausender von Genossen, konnte man vor diesem Hintergrund in Moskau sogar Gutes abgewinnen: Nun werde sich, so ließ sich ein ranghoher Funktionär vernehmen, „eine Härtung der Partei“ vollziehen, weil sich die Spreu vom Weizen trenne und der revolutionäre Kern endlich unverfälscht zum Vorschein komme. Hier zeigt sich die ideologische Blasiertheit der russischen Strategen in Reinkultur, deren Vorgaben von den deutschen Kommunisten – vielfach wider besseres Wissen und bis zum bitteren Ende – befolgt worden sind und die ein System offenlegen, das – bereits lange vor den Jahren des Großen Terrors – von einer steten Anspannung, der Sorge zu gefallen, ja der schieren Angst geprägt worden ist. Dieses System stalinistischer Herrschaft, das durch personale Netzwerke funktionierte, hat Bert Hoppe in seinen wechselseitigen Wirkungen auf die Politik der KPD auf Grundlage vielfach neuerschlossener und umsichtig ausgewerteter Quellen aus russischen und deutschen Archiven dargestellt und analysiert. Zutage tritt die Schwäche der Komintern, die den deutschen Genossen in Ermangelung effektiver Instrumente ihren Willen nicht aufzuzwingen vermochte. Die Schwäche der kommunistischen Institutionen war aber die Stärke Stalins und seiner persönlichen Macht.

Die eingängige Betrachtung der KPD zwischen 1928 und 1932 als eines bloßen Vollzugsorgans Moskauer Direktiven – das legt Bert Hoppe in seiner Studie dar – greift zu kurz. Schon allein deshalb, weil sich diese Direktiven häufig widersprachen, Komintern, sowjetische Diplomatie und bolschewistische Partei vielfach andere Ziele verfolgten und auch Stalin selbst sich in einer orakelhaften Uneindeutigkeit gefiel. All das leistete dem Verlangen der deutschen Funktionäre Vorschub, dem „Führer entgegenzuarbeiten“, wie Hoppe in Anlehnung an Kershaws Hitler-Biographie ausführt, das Vertrauen des Diktators zu erlangen und missliebige Konkurrenten, in das personale Netzwerk des Übervaters Stalin eingebunden, auf diese Weise ausschalten zu können. Der Kampf, der in der deutschen Parteiführung zwischen Ernst „Teddi“ Thälmann und Heinz Neumann tobte, war in dieser Beleuchtung weniger eine politische Auseinandersetzung um die grundsätzliche ideologische Ausrichtung der Partei, sondern ein Buhlen um Stalins Gunst, das Thälmann – der die bolschewistischen Methoden der persönlichen Diskreditierung, der Bespitzelung und Infamie rasch erlernte – letztlich für sich und gegen den Favoriten Neumann entschied. In der Sowjetunion habe also, folgt man Hoppe, ein „in Ansätzen polykratisches System“ geherrscht, das sich durch eine signifikante „Ähnlichkeit zum nationalsozialistischen Herrschaftssystem“ auszeichnete und in dessen Zentrum der – häufig nur erahnbare – Wille des Diktators stand. Dass beide Konkurrenten, Neumann ebenso wie Thälmann, ein gewaltsames Ende fanden: der eine wurde vom NKWD 1937 liquidiert, der andere schien als Märtyrer wichtiger denn als lebender Gefolgsmann, zeigt, dass auch die persönliche Nähe Stalins vor der Vernichtung nicht zu bewahren vermochte.

Die Ideologen der Komintern und der bolschewistischen Partei waren durch den illegalen Kampf, durch Revolution und Bürgerkrieg geprägt. Für sie waren die deutschen Kommunisten, wie Hoppe schreibt, „unmündig wie Kinder, die der Anleitung durch die erfahrenen Funktionäre der russischen Partei bedurften“, die aber – so bliebe zu ergänzen – durchaus aufsässig werden konnten. Die „Sozialfaschismus“-Theorie, die den Hauptfeind in der SPD erkannte und an der mit verbissener Zähigkeit festgehalten wurde, war den Kommunisten an der Basis, die den Übergriffen nationalsozialistischer Schlägertrupps ebenso wie ihre sozialdemokratischen Kollegen ausgesetzt waren, mitunter schwer vermittelbar und schürte Zweifel an der Stringenz der Moskauer Vorgaben. Die nationalpolitische Wende von 1930, die einer spontanen Eingebung Stalins folgte, geriet bald außer Kontrolle, als es die deutschen Kommunisten, von Moskauer Warte aus betrachtet, mit ihrem Nationalismus gar zu weit trieben, die Zusammenarbeit von KPD und NSDAP beim Volksbegehren zur Auflösung des preußischen Landtags und beim Berliner BVG-Streik den gewünschten und erwarteten Erfolg aber nicht gebracht hatte. Auch konnte sich manch deutscher Funktionär eines gewissen Gefühls kultureller Überlegenheit gegenüber den russischen Genossen nicht erwehren, und so wurden die Resolutionen der Komintern häufig lieblos heruntergebetet, gerannen zu Phrasen, die außerhalb der kommunistischen Gemeinde niemand mehr verstand und die die Arbeiter zu gewinnen kaum angetan waren. Stalin – das hat insbesondere der Volkskommissar des Äußeren, Tschitscherin, mit bemerkenswerter Offenheit ausgesprochen – hatte von den Bedingungen des politischen Kampfes unter demokratischen Bedingungen kaum eine rechte Vorstellung.

Die deutschen Kommunisten, die insbesondere in den Gemeindeparlamenten, teilweise auch in den Ausschüssen des Reichstags durchaus konstruktive (und das heißt: reformistische) Arbeit leisteten, galten aus Moskauer Sicht als „Kaffeehaussozialisten“, die über den Annehmlichkeiten des parlamentarischen Betriebes den kompromisslosen revolutionären Kampf, die Vernichtung der Gegner, vergäßen. Die Antwort hierauf konnte nur „Tschistka“, Säuberung lauten, ewiges Misstrauen und Denunziation. Der Katastrophe von 1933, dem Verbot der KPD, der Verhaftung und Folter Tausender von Genossen, konnte man vor diesem Hintergrund in Moskau sogar Gutes abgewinnen: Nun werde sich, so ließ sich ein ranghoher Funktionär vernehmen, „eine Härtung der Partei“ vollziehen, weil sich die Spreu vom Weizen trenne und der revolutionäre Kern endlich unverfälscht zum Vorschein komme. Hier zeigt sich die ideologische Blasiertheit der russischen Strategen in Reinkultur, deren Vorgaben von den deutschen Kommunisten – vielfach wider besseres Wissen und bis zum bitteren Ende – befolgt worden sind und die ein System offenlegen, das – bereits lange vor den Jahren des Großen Terrors – von einer steten Anspannung, der Sorge zu gefallen, ja der schieren Angst geprägt worden ist. Dieses System stalinistischer Herrschaft, das durch personale Netzwerke funktionierte, hat Bert Hoppe in seinen wechselseitigen Wirkungen auf die Politik der KPD auf Grundlage vielfach neuerschlossener und umsichtig ausgewerteter Quellen aus russischen und deutschen Archiven dargestellt und analysiert. Zutage tritt die Schwäche der Komintern, die den deutschen Genossen in Ermangelung effektiver Instrumente ihren Willen nicht aufzuzwingen vermochte. Die Schwäche der kommunistischen Institutionen war aber die Stärke Stalins und seiner persönlichen Macht.

geschrieben am 13.07.2008 | 721 Wörter | 4631 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen