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Hans Kroll (1898-1967). Eine diplomatische Karriere im 20. Jahrhundert


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Rezension von

Max Bloch

Hans Kroll (1898-1967). Eine diplomatische Karriere im 20. Jahrhundert Hans Kroll, von 1958 bis 1962 bundesdeutscher Botschafter in Moskau, hat das Ziel der Verständigung mit der Sowjetunion mit Zähigkeit, Impulsivität und Eigenwilligkeit verfolgt. Sein gutes persönliches Verhältnis zu dem sowjetischen Ministerpräsidenten Chrustschow, ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der Verlässlichkeit der Westmächte und ein Geltungsbedürfnis, das ihn die Grenze zwischen Diplomatie und Politik mehr als einmal überschreiten ließ, nährten sein Bewusststein, der einzig richtige Mann für diese Aufgabe zu sein. Deutschland müsse, so sein Credo, nach beiden Seiten, West und Ost, handlungsfähig sein. Das übergeordnete Ziel der deutschen Außenpolitik, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten in Frieden und Freiheit, könne nur über Moskau erfolgen. Dort läge der Schlüssel, und die deutsche Politik sei gut beraten, sich die Verbesserung der westdeutsch-sowjetischen Beziehungen angelegentlich sein zu lassen. Mit seinem Plädoyer für eine flexiblere Ostpolitik habe Kroll, wie seine Biographin Kordula Kühlem schlussfolgert, den Weg zum Moskauer Vertrag wenn nicht geebnet, so doch gewiesen. 1888 in Oberschlesien, nahe der russischen Grenze, geboren, trat Kroll nach Studium und Promotion 1920 in den diplomatischen Dienst ein, der ihn – nach verschiedenen Stationen in Madrid, Odessa, Chicago und San Francisco – 1936 in die Türkei führte, wo er als Erster Botschaftsrat der Deutschen Botschaft in Ankara zu den engsten Mitarbeitern Franz von Papens zählte. Als einziges Botschaftsmitglied, das nicht der NSDAP angehörte und sich darüber hinaus eine heftige Privatfehde mit deren Auslandsorganisation leistete, konnte er sich des späterhin erhobenen Vorwurfs, ein Mittäter gewesen zu sein, erfolgreich erwehren. 1945 wurde er als Generalkonsul in Barcelona verhaftet und für einige Monate interniert. Nach vergeblichen Bemühungen, seine Tatkraft und Erfahrungen in den Aufbau des neuen Auswärtigen Amtes einzubringen, und verschiedenen Tätigkeiten unter anderem für die nordrhein-westfälische Landesregierung und das Bundeswirtschaftsministerium konnte Kroll von 1953 bis 1955 als deutscher Botschafter in Belgrad den gesellschaftlichen wie politischen Umgang mit kommunistischen Staatsführungen proben. Sein prinzipieller Antikommunismus hielt den gläubigen Katholiken nicht davon ab, bestehende ideologische Gräben pragmatisch überbrücken zu helfen. Insbesondere Marschall Tito hat ihn persönlich stark beeindruckt und das Gefühl, an einer welthistorischen Schnittstelle zu wirken, seinem Geltungsbedürfnis geschmeichelt. Das Amt des deutschen Botschafters in Tokio musste er hiernach als Abschiebung begreifen. Umso erfreuter nahm er von seiner Versetzung nach Moskau Kenntnis, wo er seine Qualitäten endlich sich und anderen beweisen konnte. Die von vielen Zeitgenossen diagnostizierte Eitelkeit des deutschen Botschafters in Moskau schlägt dem Leser auf jeder Seite dieser gründlichen und gut geschriebenen Biographie entgegen. Penibel verzeichnete er jedes würdigende Wort, jede freundliche Geste seiner Gastregierung – insbesondere Chrustschows persönlich – und vergas darüber die Abstimmung mit seiner Heimatbehörde oft völlig. So großen Einfluss er in Moskau entfaltete – für einen Diplomaten erstaunlich großen Einfluss –, so nonchalant er sich über wiederholte Weisungen des Amtes hinwegsetzte, so argwöhnisch er in Bonn düstere Verschwörungen witterte, die die Größe seiner Aufgabe nicht ermäßen, so aufgeschlossen und gesprächsfreudig präsentierte er sich den in Moskau akkreditierten deutschen Journalisten. Im Auswärtigen Amt wuchs das Unbehagen, und insbesondere Außenminister Schröder war auf die Dauer nicht geneigt, Krolls Extratouren zu tolerieren und dadurch Zweifel an der Westbindung der Bundesrepublik zu schüren. Die sogenannte Kroll-Affäre 1962, im Grunde nur ein Glied in einer langen Kette von Insubordinationen, bot ihm die Möglichkeit zum Durchgreifen. Ein Redakteur der „Welt“ machte Äußerungen Krolls publik, die der Politik der Bundesregierung diametral entgegenliefen und weitgehende Zugeständnisse an die sowjetische Seite beinhalteten. Auch Adenauer, der ihn lange gehalten hatte, ließ ihn nun fallen. Kroll rächte sich durch seine Memoiren, in denen er sich zum tragischen Helden, die Beamten des Auswärtigen Amtes zu bedenkentragenden Krämerseelen stilisierte. Das Buch wurde zum Bestseller. Kordula Kühlem hat das sorgsam gepflegte Selbstbild Krolls durch akribisches Quellenstudium, insbesondere durch die Auswertung seines Tagebuchs, zurechtgerückt. Dabei liegt ihr jede denunziatorische Absicht fern. Entstanden ist eine lesenswerte Biographie über einen eigenwilligen und umstrittenen Diplomaten, die darüber hinaus interessante Einblicke in das Innere des Amtes und in die Ostpolitik der Ära Adenauer gestattet.

Hans Kroll, von 1958 bis 1962 bundesdeutscher Botschafter in Moskau, hat das Ziel der Verständigung mit der Sowjetunion mit Zähigkeit, Impulsivität und Eigenwilligkeit verfolgt. Sein gutes persönliches Verhältnis zu dem sowjetischen Ministerpräsidenten Chrustschow, ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der Verlässlichkeit der Westmächte und ein Geltungsbedürfnis, das ihn die Grenze zwischen Diplomatie und Politik mehr als einmal überschreiten ließ, nährten sein Bewusststein, der einzig richtige Mann für diese Aufgabe zu sein. Deutschland müsse, so sein Credo, nach beiden Seiten, West und Ost, handlungsfähig sein. Das übergeordnete Ziel der deutschen Außenpolitik, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten in Frieden und Freiheit, könne nur über Moskau erfolgen. Dort läge der Schlüssel, und die deutsche Politik sei gut beraten, sich die Verbesserung der westdeutsch-sowjetischen Beziehungen angelegentlich sein zu lassen. Mit seinem Plädoyer für eine flexiblere Ostpolitik habe Kroll, wie seine Biographin Kordula Kühlem schlussfolgert, den Weg zum Moskauer Vertrag wenn nicht geebnet, so doch gewiesen.

1888 in Oberschlesien, nahe der russischen Grenze, geboren, trat Kroll nach Studium und Promotion 1920 in den diplomatischen Dienst ein, der ihn – nach verschiedenen Stationen in Madrid, Odessa, Chicago und San Francisco – 1936 in die Türkei führte, wo er als Erster Botschaftsrat der Deutschen Botschaft in Ankara zu den engsten Mitarbeitern Franz von Papens zählte. Als einziges Botschaftsmitglied, das nicht der NSDAP angehörte und sich darüber hinaus eine heftige Privatfehde mit deren Auslandsorganisation leistete, konnte er sich des späterhin erhobenen Vorwurfs, ein Mittäter gewesen zu sein, erfolgreich erwehren. 1945 wurde er als Generalkonsul in Barcelona verhaftet und für einige Monate interniert. Nach vergeblichen Bemühungen, seine Tatkraft und Erfahrungen in den Aufbau des neuen Auswärtigen Amtes einzubringen, und verschiedenen Tätigkeiten unter anderem für die nordrhein-westfälische Landesregierung und das Bundeswirtschaftsministerium konnte Kroll von 1953 bis 1955 als deutscher Botschafter in Belgrad den gesellschaftlichen wie politischen Umgang mit kommunistischen Staatsführungen proben. Sein prinzipieller Antikommunismus hielt den gläubigen Katholiken nicht davon ab, bestehende ideologische Gräben pragmatisch überbrücken zu helfen. Insbesondere Marschall Tito hat ihn persönlich stark beeindruckt und das Gefühl, an einer welthistorischen Schnittstelle zu wirken, seinem Geltungsbedürfnis geschmeichelt. Das Amt des deutschen Botschafters in Tokio musste er hiernach als Abschiebung begreifen. Umso erfreuter nahm er von seiner Versetzung nach Moskau Kenntnis, wo er seine Qualitäten endlich sich und anderen beweisen konnte.

Die von vielen Zeitgenossen diagnostizierte Eitelkeit des deutschen Botschafters in Moskau schlägt dem Leser auf jeder Seite dieser gründlichen und gut geschriebenen Biographie entgegen. Penibel verzeichnete er jedes würdigende Wort, jede freundliche Geste seiner Gastregierung – insbesondere Chrustschows persönlich – und vergas darüber die Abstimmung mit seiner Heimatbehörde oft völlig. So großen Einfluss er in Moskau entfaltete – für einen Diplomaten erstaunlich großen Einfluss –, so nonchalant er sich über wiederholte Weisungen des Amtes hinwegsetzte, so argwöhnisch er in Bonn düstere Verschwörungen witterte, die die Größe seiner Aufgabe nicht ermäßen, so aufgeschlossen und gesprächsfreudig präsentierte er sich den in Moskau akkreditierten deutschen Journalisten. Im Auswärtigen Amt wuchs das Unbehagen, und insbesondere Außenminister Schröder war auf die Dauer nicht geneigt, Krolls Extratouren zu tolerieren und dadurch Zweifel an der Westbindung der Bundesrepublik zu schüren. Die sogenannte Kroll-Affäre 1962, im Grunde nur ein Glied in einer langen Kette von Insubordinationen, bot ihm die Möglichkeit zum Durchgreifen. Ein Redakteur der „Welt“ machte Äußerungen Krolls publik, die der Politik der Bundesregierung diametral entgegenliefen und weitgehende Zugeständnisse an die sowjetische Seite beinhalteten. Auch Adenauer, der ihn lange gehalten hatte, ließ ihn nun fallen. Kroll rächte sich durch seine Memoiren, in denen er sich zum tragischen Helden, die Beamten des Auswärtigen Amtes zu bedenkentragenden Krämerseelen stilisierte. Das Buch wurde zum Bestseller. Kordula Kühlem hat das sorgsam gepflegte Selbstbild Krolls durch akribisches Quellenstudium, insbesondere durch die Auswertung seines Tagebuchs, zurechtgerückt. Dabei liegt ihr jede denunziatorische Absicht fern. Entstanden ist eine lesenswerte Biographie über einen eigenwilligen und umstrittenen Diplomaten, die darüber hinaus interessante Einblicke in das Innere des Amtes und in die Ostpolitik der Ära Adenauer gestattet.

geschrieben am 17.12.2008 | 639 Wörter | 4151 Zeichen

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