Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Hindenburg – Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler


Statistiken
  • 7979 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Max Bloch

Hindenburg – Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler Der Stuttgarter Historiker Wolfram Pyta hat mit seiner großen Hindenburg-Biographie Maßstäbe gesetzt. In seinem methodischen Ansatz, politik- und kulturwissenschaftliche Aspekte in seine historische Betrachtung zu integrieren, deutet Pyta den Feldmarschall-Reichspräsidenten als (im Sinne Max Webers) Träger charismatischer Herrschaft, der nicht als demagogischer Tribun, sondern als Mahner zur Einigkeit die historische Bühne betrat und der so zur Projektionsfläche der nationalen Hoffnungen, zum „Treuhänder einer imaginierten Volksgemeinschaft“ wurde. Mag dieser theoretische Ansatz zuweilen auch etwas strapaziert werden, hemmen insbesondere die zwei Exkurse über „Bedingungen symbolischer Politik“ und „Hindenburg als charismatischer Herrscher“ den Lesefluss, so hat dieser Schlüssel zum Verständnis Hindenburgs, wie zu zeigen sein wird, doch einiges für sich. Pyta entkleidet den Feldmarschall der um ihn gestrickten Mythen und beschreibt ihn als einen „unsentimentalen Realisten“, der seine politische Karriere zielbewusst forcierte und der dem oft bemühten Bild des unschlüssigen Tattergreises in keiner Weise entsprach. Diese politische Karriere setzte bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein. Der „Sieg von Tannenberg“, der nicht auf das Konto Hindenburgs, sondern vor allem Ludendorffs und Hoffmanns ging, wird als Produkt einer gezielten Symbolpolitik interpretiert, in der es Hindenburg im Laufe seines politischen Lebens zu wahrer Meisterschaft brachte und deren Mechanismen durchaus als moderne politische Herrschaftsinstrumente zu verstehen sind. Wer an dem Hindenburg-Mythos kratzte, wurde fallengelassen. Die Generäle Ludendorff und Groener mussten diese Erfahrung ebenso machen wie die Reichskanzler Brüning, Papen und (am folgenreichsten) der Reichskanzler-General Kurt von Schleicher. Die Machtübertragung auf Hitler habe Hindenburg, so Pyta, „aus eigener Machtvollkommenheit und aus eigenem Entschluss“ veranlasst. Kein Wort von einer intriganten „Kamarilla“, an deren Fäden ein willenloser Greis agierte. Hindenburg hätte sehr genau gewusst, was er tat, und sich von niemandem in seinen Entschluss hineinreden lassen. Sein Lebensziel, die Einigung des deutschen Volkes, die für ihn gleichbedeutend mit der Einigung der politischen Rechten war, schien mit der Kanzlerschaft Hitlers als des Führers der bei weitem stärksten und vitalsten politischen Partei vollbracht. Hindenburg verzichtete auf seine präsidialen Befugnisse, zog sich aus dem politischen Leben sukzessive zurück und nahm die Ehrungen des Regimes gerührt entgegen. Damit gab er bewusst jene Bastionen preis, von denen eine konservative Gegenbewegung, der Pyta durchaus Chancen beimisst, hätte ausgehen können. Das Schweigen nach der Ermordung Schleichers gibt hiervon beredtes Zeugnis. Am 30. Januar 1933 bewies Hindenburg den gleichen Sinn für (machtpolitische) Realitäten, mit dem er am 9. November 1918 den Kaiser ins Exil geschickt, sich der Regierung Ebert zur Verfügung gestellt und – als Reichspräsident der Republik – die Außenpolitik Stresemanns gedeckt hatte. Nicht der Staat, sondern das „Volk“ war Adressat dieser über zwei Systembrüche durchgehaltenen, vom Feldherrnnimbus zehrenden, enorm anpassungsfähigen Herrschaft. Diese Sicht auf Hindenburg als einen vom plebiszitären Votum getragenen Anti-Konservativen, der sich von den Vorstellungen seiner Herkunftswelt radikal emanzipiert hatte und der den „Gefreiten Hitler“ eben darum als würdigen Nachfolger empfand, ist vielleicht der spannendste Aspekt dieses insgesamt fesselnden Buches, das einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte des Konservativismus in Deutschland leistet.

Der Stuttgarter Historiker Wolfram Pyta hat mit seiner großen Hindenburg-Biographie Maßstäbe gesetzt. In seinem methodischen Ansatz, politik- und kulturwissenschaftliche Aspekte in seine historische Betrachtung zu integrieren, deutet Pyta den Feldmarschall-Reichspräsidenten als (im Sinne Max Webers) Träger charismatischer Herrschaft, der nicht als demagogischer Tribun, sondern als Mahner zur Einigkeit die historische Bühne betrat und der so zur Projektionsfläche der nationalen Hoffnungen, zum „Treuhänder einer imaginierten Volksgemeinschaft“ wurde. Mag dieser theoretische Ansatz zuweilen auch etwas strapaziert werden, hemmen insbesondere die zwei Exkurse über „Bedingungen symbolischer Politik“ und „Hindenburg als charismatischer Herrscher“ den Lesefluss, so hat dieser Schlüssel zum Verständnis Hindenburgs, wie zu zeigen sein wird, doch einiges für sich.

Pyta entkleidet den Feldmarschall der um ihn gestrickten Mythen und beschreibt ihn als einen „unsentimentalen Realisten“, der seine politische Karriere zielbewusst forcierte und der dem oft bemühten Bild des unschlüssigen Tattergreises in keiner Weise entsprach. Diese politische Karriere setzte bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein. Der „Sieg von Tannenberg“, der nicht auf das Konto Hindenburgs, sondern vor allem Ludendorffs und Hoffmanns ging, wird als Produkt einer gezielten Symbolpolitik interpretiert, in der es Hindenburg im Laufe seines politischen Lebens zu wahrer Meisterschaft brachte und deren Mechanismen durchaus als moderne politische Herrschaftsinstrumente zu verstehen sind. Wer an dem Hindenburg-Mythos kratzte, wurde fallengelassen. Die Generäle Ludendorff und Groener mussten diese Erfahrung ebenso machen wie die Reichskanzler Brüning, Papen und (am folgenreichsten) der Reichskanzler-General Kurt von Schleicher.

Die Machtübertragung auf Hitler habe Hindenburg, so Pyta, „aus eigener Machtvollkommenheit und aus eigenem Entschluss“ veranlasst. Kein Wort von einer intriganten „Kamarilla“, an deren Fäden ein willenloser Greis agierte. Hindenburg hätte sehr genau gewusst, was er tat, und sich von niemandem in seinen Entschluss hineinreden lassen. Sein Lebensziel, die Einigung des deutschen Volkes, die für ihn gleichbedeutend mit der Einigung der politischen Rechten war, schien mit der Kanzlerschaft Hitlers als des Führers der bei weitem stärksten und vitalsten politischen Partei vollbracht. Hindenburg verzichtete auf seine präsidialen Befugnisse, zog sich aus dem politischen Leben sukzessive zurück und nahm die Ehrungen des Regimes gerührt entgegen. Damit gab er bewusst jene Bastionen preis, von denen eine konservative Gegenbewegung, der Pyta durchaus Chancen beimisst, hätte ausgehen können. Das Schweigen nach der Ermordung Schleichers gibt hiervon beredtes Zeugnis.

Am 30. Januar 1933 bewies Hindenburg den gleichen Sinn für (machtpolitische) Realitäten, mit dem er am 9. November 1918 den Kaiser ins Exil geschickt, sich der Regierung Ebert zur Verfügung gestellt und – als Reichspräsident der Republik – die Außenpolitik Stresemanns gedeckt hatte. Nicht der Staat, sondern das „Volk“ war Adressat dieser über zwei Systembrüche durchgehaltenen, vom Feldherrnnimbus zehrenden, enorm anpassungsfähigen Herrschaft. Diese Sicht auf Hindenburg als einen vom plebiszitären Votum getragenen Anti-Konservativen, der sich von den Vorstellungen seiner Herkunftswelt radikal emanzipiert hatte und der den „Gefreiten Hitler“ eben darum als würdigen Nachfolger empfand, ist vielleicht der spannendste Aspekt dieses insgesamt fesselnden Buches, das einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte des Konservativismus in Deutschland leistet.

geschrieben am 24.11.2007 | 478 Wörter | 3159 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen