ISBN | 3421053928 | |
Autor | Christopher Clark | |
Verlag | DVA | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 896 | |
Erscheinungsjahr | 2007 | |
Extras | gebundene Ausgabe |
PreuĂen war kein Staat wie jeder andere. PreuĂen war immer auch eine Staatsidee, in deren Zeichen Kriege gefĂŒhrt, Privilegien gewĂ€hrt und gewahrt, Reformen gemacht und Reiche vereint wurden. âPreuĂenâ wurde zum Synonym zentralisierter Macht, ein Unruheherd im Herzen Europas und ambitionierter Parvenu. Zugleich aber auch zum Sinnbild eines modernen Beamten- und Rechtsstaates. Und es wurde zum Mythos, der sich aus beiden Quellen speiste. Heute, 60 Jahre nach der Auflösung des preuĂischen Staates und 17 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, unternimmt es der australische Historiker Christopher Clark, auf das PhĂ€nomen PreuĂen einen nĂŒchtern-analytischen Blick zu werfen, der die unkritisch-antipreuĂischen Verdikte ebenso historisiert wie die hymnischen Töne der borussischen Schule.
Geboten wird dem Leser eine spannende Gesamtschau, eine GeschichtserzĂ€hlung in bester angelsĂ€chsischer Tradition, die Kurzcharakteristiken der jeweiligen StaatsmĂ€nner und FĂŒrsten ebenso umfasst wie Kultur- und Sozialgeschichtliches. Dabei werden bisweilen gewagte Parallelen gezogen: So wird der preuĂische Reformer Hardenberg, dessen politisches Handeln entscheidend zur Stabilisierung des Staates nach der Katastrophe von 1806 beigetragen hat, mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Gorbatschow verglichen, dessen Perestroika die Auflösung der Sowjetunion eben gerade nicht zu verhindern vermochte. Nichtsdestoweniger tragen derartige Vergleiche sehr zur Lebendigkeit der LektĂŒre bei.
Clark unterteilt â im bewussten Gegensatz zum oft sehr selektiven Zugriff der PreuĂen-Enthusiasten wie -VerĂ€chter â die preuĂische Geschichte nicht in Gut und Böse, Reform- und Restaurationsphasen, sondern bemĂŒht sich um eine ganzheitliche Sicht, die gegenlĂ€ufige Strömungen zu umfassen vermag und allzu (kurz-)schlĂŒssige Deutungen vermeidet. Dabei erscheint PreuĂen weder als der aufgeklĂ€rte Idealstaat, als der es sich ausgab, noch als jenes absolutistische Schattenreich, das seine Gegner aus ihm machten. PreuĂen war â so schrieb Karl Marx in Folge der 1848er-Revolution an Friedrich Engels â âeine Macht, die ebenso wenig absolutistisch sein konnte als sie liberal sein wollteâ. Diese Ambivalenz, dieses Schwanken zwischen ungestĂŒmem Fortschritt und störrischer Beharrlichkeit, ist das Leitmotiv des Buches und wird dem Leser quellengesĂ€ttigt und anekdotenreich prĂ€sentiert.
Das lange Ende PreuĂens, das vergebliche BemĂŒhen, seine Vorrangstellung im Deutschen Reiche zu behaupten, die Verfassungsdiskussionen von 1918/19, Papens âPreuĂenschlagâ von 1932, die Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten und die SĂŒndenbockfunktion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wird von Clark im Ton des Bedauerns geschildert, ohne sich den Blick fĂŒr die offensichtlichen SchwĂ€chen des preuĂischen Staates hierdurch verstellen zu lassen. Gleichwohl: Dass von Friedrich II. kein gerader Weg zu Hitler fĂŒhrte, dass PreuĂen nicht der Ausgangspunkt aller âSonderwegeâ und Fehlentwicklungen war, das ist nach der LektĂŒre dieses anregenden Buches vielleicht klarer als zuvor. Das einzige, was ihm zu wĂŒnschen bleibt, ist, dass die zahlreichen (und Ă€rgerlichen) Tippfehler recht bald dem Rotstift eines wachsamen Lektors zum Opfer fallen.
geschrieben am 13.10.2007 | 426 Wörter | 2862 Zeichen
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