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Heißer Streit und kalte Ordnung


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Rezension von

Hiram Kümper

Heißer Streit und kalte Ordnung „Querelle des femmes“, das war beides: Streiten über Frauen, ihre Anthropologie und ihre Rolle in der Gesellschaft und – nicht zuletzt – streitende Frauen. Mit dem späten Mittelalter, für gewöhnlich mit der außergewöhnlichen Christine de Pizan, sieht die geistes- und literaturwissenschaftliche Forschung diese „Querelle“ in der Regel beginnen – ein Ende gefunden haben sie bis heute nicht. Damit nicht genug: Gestritten wird pan-europäisch. Schon jene Christine hat damit in gewisser Weise den Anfang gemacht, kam sie doch von Italien nach Frankreich und pflegte Kontakte auch zum burgundischen Hof. Jedenfalls: sie sind ein weites und kaum richtig greifbares Feld, diese „Querelle“. Und das hat dazu beigetragen, dass ihnen schon seit einigen Jahrzehnten das Interesse einer breiten Forschung ganz unterschiedlicher disziplinären Provenienz sicher ist. Ein weiteres Stück dieser Literaturflut ist nun der Sammelband von Friederike Hassauer, die sich bereits in der Vergangenheit mit einer Reihe einschlägiger Beiträge zum Thema profiliert hat. Selbst Romanistin hat sie insgesamt 21 Beiträgerinnen und Beiträger unterschiedlicher Fachrichtungen, ganz vornehmlich aber Literaturwissenschaftler, aus ganz Europa und den Vereinigten Staaten zusammengebracht, die sich mit der Geschichte der „Querelle“ zwischen spätem Mittelalter und Gegenwart, im Wesentlichen in der Iberoromania (mit „Ausreißern“ in die USA und Argentinien), beschäftigen. Der deutliche chronologische Schwerpunkt liegt dabei in der Vormoderne; wirklich an die Gegenwart heran reicht im Grunde nur der letzte Beitrag, wenn Susanne Dürr sich der satirischen Fortschreibung der „Querelle“ im Postfrankismus am Beispiel von Alparo Amorós’ „Quevediana“ von 1993 annimmt. Den in drei Sektionen chronologisch grob gruppierten Beiträgen vorweg geht eine ausführliche Einleitung der Herausgeberin, die sich mit den Bedingungen und Möglichkeiten einer Geschichte der „Querelle des femmes“, mit ihrer „Historizität und Systematizität“, mithin also genau mit jener diffusen Oberflächenstruktur auseinandersetzt, die die „Querelle“ so spannend und zugleich im methodischen Zugriff so schwierig machen. Denn es ist, wie Hassauer ganz zu Recht feststellt, an der Zeit, der „nur vage[n] Kohärenz der Themen und der Texte“ (S. 13) etwas entgegen zu setzen. Das dürfe, so argumentiert sie überzeugend, aber keine Korsettage sein, die auf einzelne Themen und Debatten begrenzt. Vielmehr wären die Querelle als „Dispositiv“ zu begreifen und greifbar damit eher als eine Erforschung von Wissenszustände, nicht von Wissensinhalten. Das ist ein bedenkenswerter Vorschlag, dem nachvollziehbarer Weise sich nicht alle der in dem Band versammelten Beiträge, die zu einem gewissen Teil auf unterschiedliche Tagungsbeiträge zurückgehen, verpflichtet sehen, der aber an anderer Stelle durchaus noch einmal weitergedacht zu werden verdient. Die in ihrer Summe sehr lesenswerten Beiträge sollen hier nicht im Einzelnen referiert werden. Positiv fällt auf, dass neben bereits gut in der Geschichte der „Querelle“ etablierten und mehrfach besprochenen Persönlichkeiten wie María de Zaya auch weniger und beinahe unbekannte Stimmen, wie beispielsweise der sächsische Gelehrte Clemens Timpler (gest. 1624), gehört oder „alte Bekannte“ neu gelesen werden, wie das bei Cornelius Agrippa und Lucrezia Marinella passiert. Ganz besonders fasziniert hat den Rezensenten schließlich der Beitrag von Eva Cescutti zu „Lateinkompetenz und Gender im 16. Jahrhundert“. Zu guter letzt verdient noch der Umstand Betonung, dass mit immerhin vier Beiträgen zum 14. und frühen 15. Jahrhundert auch die Zeit vor Christine de Pizan, mit der sonst so gerne eine allzu nahe liegender Anfang genommen wird, in mehrere Richtungen ausgeleuchtet wird. Das verleiht der Untersuchung der „Querelle“ eine deutlich angemessenere historische Fundierung in der europäischen Geistesgeschichte. Zusammengefasst: In gewisser Weise spiegelt der Band die Querelle-Forschung der letzten Jahrzehnte, denn er ist vor allem eines – ausgesprochen divers.

„Querelle des femmes“, das war beides: Streiten über Frauen, ihre Anthropologie und ihre Rolle in der Gesellschaft und – nicht zuletzt – streitende Frauen. Mit dem späten Mittelalter, für gewöhnlich mit der außergewöhnlichen Christine de Pizan, sieht die geistes- und literaturwissenschaftliche Forschung diese „Querelle“ in der Regel beginnen – ein Ende gefunden haben sie bis heute nicht. Damit nicht genug: Gestritten wird pan-europäisch. Schon jene Christine hat damit in gewisser Weise den Anfang gemacht, kam sie doch von Italien nach Frankreich und pflegte Kontakte auch zum burgundischen Hof. Jedenfalls: sie sind ein weites und kaum richtig greifbares Feld, diese „Querelle“. Und das hat dazu beigetragen, dass ihnen schon seit einigen Jahrzehnten das Interesse einer breiten Forschung ganz unterschiedlicher disziplinären Provenienz sicher ist.

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Ein weiteres Stück dieser Literaturflut ist nun der Sammelband von Friederike Hassauer, die sich bereits in der Vergangenheit mit einer Reihe einschlägiger Beiträge zum Thema profiliert hat. Selbst Romanistin hat sie insgesamt 21 Beiträgerinnen und Beiträger unterschiedlicher Fachrichtungen, ganz vornehmlich aber Literaturwissenschaftler, aus ganz Europa und den Vereinigten Staaten zusammengebracht, die sich mit der Geschichte der „Querelle“ zwischen spätem Mittelalter und Gegenwart, im Wesentlichen in der Iberoromania (mit „Ausreißern“ in die USA und Argentinien), beschäftigen. Der deutliche chronologische Schwerpunkt liegt dabei in der Vormoderne; wirklich an die Gegenwart heran reicht im Grunde nur der letzte Beitrag, wenn Susanne Dürr sich der satirischen Fortschreibung der „Querelle“ im Postfrankismus am Beispiel von Alparo Amorós’ „Quevediana“ von 1993 annimmt.

Den in drei Sektionen chronologisch grob gruppierten Beiträgen vorweg geht eine ausführliche Einleitung der Herausgeberin, die sich mit den Bedingungen und Möglichkeiten einer Geschichte der „Querelle des femmes“, mit ihrer „Historizität und Systematizität“, mithin also genau mit jener diffusen Oberflächenstruktur auseinandersetzt, die die „Querelle“ so spannend und zugleich im methodischen Zugriff so schwierig machen. Denn es ist, wie Hassauer ganz zu Recht feststellt, an der Zeit, der „nur vage[n] Kohärenz der Themen und der Texte“ (S. 13) etwas entgegen zu setzen. Das dürfe, so argumentiert sie überzeugend, aber keine Korsettage sein, die auf einzelne Themen und Debatten begrenzt. Vielmehr wären die Querelle als „Dispositiv“ zu begreifen und greifbar damit eher als eine Erforschung von Wissenszustände, nicht von Wissensinhalten. Das ist ein bedenkenswerter Vorschlag, dem nachvollziehbarer Weise sich nicht alle der in dem Band versammelten Beiträge, die zu einem gewissen Teil auf unterschiedliche Tagungsbeiträge zurückgehen, verpflichtet sehen, der aber an anderer Stelle durchaus noch einmal weitergedacht zu werden verdient.

Die in ihrer Summe sehr lesenswerten Beiträge sollen hier nicht im Einzelnen referiert werden. Positiv fällt auf, dass neben bereits gut in der Geschichte der „Querelle“ etablierten und mehrfach besprochenen Persönlichkeiten wie María de Zaya auch weniger und beinahe unbekannte Stimmen, wie beispielsweise der sächsische Gelehrte Clemens Timpler (gest. 1624), gehört oder „alte Bekannte“ neu gelesen werden, wie das bei Cornelius Agrippa und Lucrezia Marinella passiert. Ganz besonders fasziniert hat den Rezensenten schließlich der Beitrag von Eva Cescutti zu „Lateinkompetenz und Gender im 16. Jahrhundert“. Zu guter letzt verdient noch der Umstand Betonung, dass mit immerhin vier Beiträgen zum 14. und frühen 15. Jahrhundert auch die Zeit vor Christine de Pizan, mit der sonst so gerne eine allzu nahe liegender Anfang genommen wird, in mehrere Richtungen ausgeleuchtet wird. Das verleiht der Untersuchung der „Querelle“ eine deutlich angemessenere historische Fundierung in der europäischen Geistesgeschichte.

Zusammengefasst: In gewisser Weise spiegelt der Band die Querelle-Forschung der letzten Jahrzehnte, denn er ist vor allem eines – ausgesprochen divers.

geschrieben am 11.08.2009 | 560 Wörter | 3488 Zeichen

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