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Furchtlose Juristen. Richter und Staatsanwälte gegen das NS-Unrecht


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Rezension von

Dr. Sebastian Felz

Furchtlose Juristen. Richter und Staatsanwälte gegen das NS-Unrecht Der StGB-Kommentator und ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer hat dem scheidenden Justizminister Heiko Maas ein Zeugnis seiner ministeriellen Arbeit in der 18. Legislaturperiode ausgestellt. Gute Noten bekam der Minister von Fischer für seine vergangenheitspolitischen Projekte. Dazu zähle, so Fischer, „insbesondere auch die engagierte Fortführung des ‚Projekts Rosenburg‘, der ersten umfassenden Aufarbeitung der Geschichte des Reichsjustizministeriums während der NS-Diktatur, samt Folgeprojekten wie der Wanderausstellung und der Herausgabe des Forschungsberichts sowie eines Buches über ‚furchtlose Juristen‘“. Die Autoren dieses so von Thomas Fischer gelobten Sammelbandes „Furchtlose Juristen“ porträtieren 17 Richter und Staatsanwälte, die in der NS-Zeit in unterschiedlicher Form resistentes oder widerständiges Verhalten gezeigt haben. Eingerahmt werden diese Biogramme durch ein Geleitwort, eine historische Kontextualisierung der „Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes von Richtern und Staatsanwälten“ in der NS-Zeit durch Johannes Tuchel, dem Leiter und Geschäftsführer der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Tuchel dekonstruiert vor allem den Mythos der „Juristenverfolgung“ im Dritten Reich. In Anlehnung an neue Forschungen von Hubert Rottleuthner weist Tuchel darauf hin, dass die Besoldung anstieg, während die Arbeitsbelastung abnahm, das Sozialprestige ebenso wie die Karrierechancen für Justizjuristen im „Dritten Reich“ gut waren. Das angebliche Hitlerzitat („Ich werde nicht eher ruhen, bis jeder Deutsche einsieht, daß es eine Schande ist, Jurist zu sein“), welches als Beleg für die vollständige Unterdrückung der Justiz gerne angeführt werde, sei eine Erfindung. Ingo Müller erinnert in einem Nachwort an die Schwierigkeiten, die Verstrickungen, das Mitläufertum sowie die Täter- und Komplizenschaft der Justizjuristen aufzuarbeiten. Durch sein 1987 veröffentlichtes Buch „Furchtbare Juristen“ hat Ingo Müller einen wichtigen Anteil an einer kritischen Sicht auf die deutsche Justizgeschichte seit 1871. Ingo Müller untersucht in seinem zweiten Beitrag in diesem Band die beiden Münchener Staatsanwälte Josef Hartinger und Karl Wintersberger und deren Untersuchungen der Morde im Konzentrationslager Dachau. Die Handlungsweisen der 17 porträtierten Justizjuristen reichten von alltäglicher Resistenz bis hin zum versuchten Staatsstreich. Zu dieser äußersten Option griff bspw. Hans von Dohnanyi (1902-1945), der als Richter des Reichsgerichts und Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums in Kenntnis um die Verbrechen der Nazis, sich zu einem Sprengstoffattentat auf Hitler entschloss, welches allerdings wegen nicht geeigneter Zünder scheiterte. Er wurde durch ein „SS-Standgericht“ zum Tode verurteilt und hingerichtet. Christoph Safferling weist in seiner Rezension (NJW 2007, S. 2008f) auf das im Porträt nicht erwähnte juristische Trauerspiel in der Bundesrepublik hin, in dem der BGH die Verurteilung von Dohnanyis sowie der Widerstandskämpfer Canaris, Oster und Bonhoeffer als im Einklang mit NS-Kriegsrecht stehend sanktionierte. Auch der vorgestellte Richter am Preußischen Oberverwaltungsgericht, Paulus van Husen (1891-1971), fand den Weg in den Widerstand und gehörte zum „Kreisauer Kreis“. Zu den verschiedenen Widerstandskreisen im „Dritten Reich“ zählten auch der nachmalige Chef des Bundeskanzleramtes Otto Lenz (1903-1957) und Ernst Strassmann (1897-1958). Erinnert wird auch an den bekannten Richter Lothar Kreyßig (1898-1986), der als Vormundschaftsrichter in Brandenburg an der Havel gegen die „Euthanasie“-Morde an Behinderten protestierte und in den Ruhestand versetzt wurde, oder an Martin Gauger (1905-1941), der den „Treueeid“ auf Adolf Hitler verweigerte und sich auch dem Wehrdienst widersetzte. Dieser Widerstand kostete Gauger das Leben. Aber auch die im „Dritten Reich“ nicht mehr alltägliche Anwendung von Recht und Gesetz führte zu Konflikten mit NSDAP-Funktionären und Vorgesetzen. Als Beispiel dafür ist Karl Steinmetz (1893-1955) zu nennen, ein Amtsrichter aus dem hessischen Neukirchen, der 1934 einen örtlichen SA-Führer dazu verurteilte, einem jüdischen Metzger Schadensersatz zu zahlen und die Schächtmesser herauszugeben, die er diesem abgepresst hatte. Steinmetz ließ sich auch durch Gewalt und Repressionen wie die Androhung von Schutzhaft nicht einschüchtern. Zivilcouragiert entgegnete er: „Schießt mich tot, aber in meinen Urteilen lasse ich mich nicht beeinflussen.“. Er wurde zwangsweise ins Ruhrgebiet versetzt und nur noch als Grundbuchrichter eingesetzt. Heiko Maas verfolgt mit seinen vergangenheitspolitischen Projekten auch eine Reform der Juristenausbildung: „Als ich studierte, ging es im Fach Rechtsgeschichte oft mehr um Römisches Recht als um das 20. Jahrhundert. Alle angehenden Juristinnen und Juristen sollten aber um das Unrecht wissen, an dem die deutsche Justiz einst beteiligt gewesen ist. Und sie sollten auch um die wenigen Juristen wissen, die sich dem Unrecht damals entgegengestellt haben. Aus diesem Grund arbeiten wir an einem Vorschlag, das Deutsche Richtergesetz zu ergänzen: Das Justizunrecht im Nationalsozialismus und die Folgerungen daraus für das Juristenethos von heute sollen ein fester Bestandteil der Juristenausbildung werden.“ „Verba docent, exempla trahunt“, schrieb schon Seneca. Der Band ist ein Vademecum mit mitreißenden Beispielen von Zivilcourage, Integrität und Prinzipienfestigkeit sowie Rechtstreue von Juristen in rechtsfernen Zeiten.

Der StGB-Kommentator und ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer hat dem scheidenden Justizminister Heiko Maas ein Zeugnis seiner ministeriellen Arbeit in der 18. Legislaturperiode ausgestellt. Gute Noten bekam der Minister von Fischer für seine vergangenheitspolitischen Projekte. Dazu zähle, so Fischer, „insbesondere auch die engagierte Fortführung des ‚Projekts Rosenburg‘, der ersten umfassenden Aufarbeitung der Geschichte des Reichsjustizministeriums während der NS-Diktatur, samt Folgeprojekten wie der Wanderausstellung und der Herausgabe des Forschungsberichts sowie eines Buches über ‚furchtlose Juristen‘“.

Die Autoren dieses so von Thomas Fischer gelobten Sammelbandes „Furchtlose Juristen“ porträtieren 17 Richter und Staatsanwälte, die in der NS-Zeit in unterschiedlicher Form resistentes oder widerständiges Verhalten gezeigt haben. Eingerahmt werden diese Biogramme durch ein Geleitwort, eine historische Kontextualisierung der „Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes von Richtern und Staatsanwälten“ in der NS-Zeit durch Johannes Tuchel, dem Leiter und Geschäftsführer der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Tuchel dekonstruiert vor allem den Mythos der „Juristenverfolgung“ im Dritten Reich. In Anlehnung an neue Forschungen von Hubert Rottleuthner weist Tuchel darauf hin, dass die Besoldung anstieg, während die Arbeitsbelastung abnahm, das Sozialprestige ebenso wie die Karrierechancen für Justizjuristen im „Dritten Reich“ gut waren. Das angebliche Hitlerzitat („Ich werde nicht eher ruhen, bis jeder Deutsche einsieht, daß es eine Schande ist, Jurist zu sein“), welches als Beleg für die vollständige Unterdrückung der Justiz gerne angeführt werde, sei eine Erfindung.

Ingo Müller erinnert in einem Nachwort an die Schwierigkeiten, die Verstrickungen, das Mitläufertum sowie die Täter- und Komplizenschaft der Justizjuristen aufzuarbeiten. Durch sein 1987 veröffentlichtes Buch „Furchtbare Juristen“ hat Ingo Müller einen wichtigen Anteil an einer kritischen Sicht auf die deutsche Justizgeschichte seit 1871. Ingo Müller untersucht in seinem zweiten Beitrag in diesem Band die beiden Münchener Staatsanwälte Josef Hartinger und Karl Wintersberger und deren Untersuchungen der Morde im Konzentrationslager Dachau.

Die Handlungsweisen der 17 porträtierten Justizjuristen reichten von alltäglicher Resistenz bis hin zum versuchten Staatsstreich.

Zu dieser äußersten Option griff bspw. Hans von Dohnanyi (1902-1945), der als Richter des Reichsgerichts und Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums in Kenntnis um die Verbrechen der Nazis, sich zu einem Sprengstoffattentat auf Hitler entschloss, welches allerdings wegen nicht geeigneter Zünder scheiterte. Er wurde durch ein „SS-Standgericht“ zum Tode verurteilt und hingerichtet. Christoph Safferling weist in seiner Rezension (NJW 2007, S. 2008f) auf das im Porträt nicht erwähnte juristische Trauerspiel in der Bundesrepublik hin, in dem der BGH die Verurteilung von Dohnanyis sowie der Widerstandskämpfer Canaris, Oster und Bonhoeffer als im Einklang mit NS-Kriegsrecht stehend sanktionierte.

Auch der vorgestellte Richter am Preußischen Oberverwaltungsgericht, Paulus van Husen (1891-1971), fand den Weg in den Widerstand und gehörte zum „Kreisauer Kreis“. Zu den verschiedenen Widerstandskreisen im „Dritten Reich“ zählten auch der nachmalige Chef des Bundeskanzleramtes Otto Lenz (1903-1957) und Ernst Strassmann (1897-1958).

Erinnert wird auch an den bekannten Richter Lothar Kreyßig (1898-1986), der als Vormundschaftsrichter in Brandenburg an der Havel gegen die „Euthanasie“-Morde an Behinderten protestierte und in den Ruhestand versetzt wurde, oder an Martin Gauger (1905-1941), der den „Treueeid“ auf Adolf Hitler verweigerte und sich auch dem Wehrdienst widersetzte. Dieser Widerstand kostete Gauger das Leben.

Aber auch die im „Dritten Reich“ nicht mehr alltägliche Anwendung von Recht und Gesetz führte zu Konflikten mit NSDAP-Funktionären und Vorgesetzen. Als Beispiel dafür ist Karl Steinmetz (1893-1955) zu nennen, ein Amtsrichter aus dem hessischen Neukirchen, der 1934 einen örtlichen SA-Führer dazu verurteilte, einem jüdischen Metzger Schadensersatz zu zahlen und die Schächtmesser herauszugeben, die er diesem abgepresst hatte. Steinmetz ließ sich auch durch Gewalt und Repressionen wie die Androhung von Schutzhaft nicht einschüchtern. Zivilcouragiert entgegnete er: „Schießt mich tot, aber in meinen Urteilen lasse ich mich nicht beeinflussen.“. Er wurde zwangsweise ins Ruhrgebiet versetzt und nur noch als Grundbuchrichter eingesetzt.

Heiko Maas verfolgt mit seinen vergangenheitspolitischen Projekten auch eine Reform der Juristenausbildung: „Als ich studierte, ging es im Fach Rechtsgeschichte oft mehr um Römisches Recht als um das 20. Jahrhundert. Alle angehenden Juristinnen und Juristen sollten aber um das Unrecht wissen, an dem die deutsche Justiz einst beteiligt gewesen ist. Und sie sollten auch um die wenigen Juristen wissen, die sich dem Unrecht damals entgegengestellt haben. Aus diesem Grund arbeiten wir an einem Vorschlag, das Deutsche Richtergesetz zu ergänzen: Das Justizunrecht im Nationalsozialismus und die Folgerungen daraus für das Juristenethos von heute sollen ein fester Bestandteil der Juristenausbildung werden.“

„Verba docent, exempla trahunt“, schrieb schon Seneca. Der Band ist ein Vademecum mit mitreißenden Beispielen von Zivilcourage, Integrität und Prinzipienfestigkeit sowie Rechtstreue von Juristen in rechtsfernen Zeiten.

geschrieben am 19.12.2017 | 721 Wörter | 4760 Zeichen

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