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Hitlers Weltanschauung


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Rezension von

Dr. Sebastian Felz

Hitlers Weltanschauung „Im Mittelpunkt“ dieser Untersuchung, so erläutert der Berliner Historiker Lars Lüdicke in seiner Einleitung sein Vorhaben, „stehen […] weder die Entstehung [Hitlers] Weltanschauung noch die Untersuchung der Bedingungen, die den Vollzug dieser Weltanschauung ermöglichten; vielmehr konzentriert sich das Buch auf Hitlers Ideologie, die über zwanzig Jahre hinweg, von der Mitte der 1920er Jahre bis zum Frühjahr 1945, sein Denken, Planen und Handeln bedingte. Der Beginn dieses Zeitraumes wird von der Niederschrift des Buches „Mein Kampf“ markiert, dessen Ende vom so genannten ‚Nero-Befehl‘, und beide ‚Ereignisse‘ geben – inhaltlich wie zeitlich – den Rahmen des Buches vor“. Lüdicke will der „Binnenlogik“ von Hitlers Denken nachspüren. Als Quellen dieses Unterfanges bediene er sich vor allem den Selbstzeugnissen Hitlers, nämlich der Dokumente „Mein Kampf“ und dem „Zweiten Buch“, weitere frühe Aufzeichnungen, Hitlers Reden und Proklamationen, die „Tischgespräche“ des Diktators, aber auch Tageaufzeichnungen wie die des Propagandisten Joseph Goebbels. Diesen Pendelblick zwischen Theorie und Praxis wendet Lüdicke, nachdem er zunächst im Kapitel „Interpretationen“ die Forschungslage resümiert hat, bezüglich der weiteren Analyse im Hinblick auf die „Ideologie“, dann auf die „Realität“ und schließlich auf die „Visionen“ Hitlers an. Den Anfang der Hitler-Forschung legt Lüdicke in die 1950er-Jahre und führt dafür Bullocks Hitler-Biographie an, um im nächsten Satz zu konstatieren, dass dieser wiederum viel von Konrad Heidens Hitlerforschungen aus den 1930er-Jahren profitiert habe. Bullock habe Hitler als „prinzipienlosen Opportunisten“ gesehen bis 1960 Hugh R. Trevor-Roper den „programmatischen“ Diktatur in den Vordergrund rückte. Die Entdeckung der Programmatik Hitlers hätte das Interesse an der Strukturanalyse genährt, die – so Lüdicke – auch schon den 1940er-Jahren von Ernst Fraenkel und Franz Neumann betrieben worden sei. Zum zweiten Mal auf nicht einmal zwei Seiten korrigiert Lüdicke seine These vom Beginn der NS-Ideologie-Forschung in den 1950er-Jahren. Dass Ernst Fraenkel und Franz Neumann keine „deutschjüdische Historiker“ waren, sondern Juristen, die mit Marcuse, Kirchheimer, Herz u. a. viele Analysen zum Nationalsozialismus schrieben, sei nur am Rande bemerkt. Im weiteren Verlauf des Kapitels „Interpretationen“ wird dann aber souverän der Forschungsdebattenverlauf über die Rolle Hitlers nachgezeichnet, beginnend bei Broszats „Staat Hitlers“ über die Debatte „Strukturalisten versus Intentionalisten“ bis hin zu den Kontroversen über die Thesen Daniel Jonah Goldhagens und Götz Alys und die neuesten Hitlerbiographien von Ulrich, Longerich u. a. nachgezeichnet. Im Kapitel „Ideologie“ streicht Lüdicke die konstitutive Bedeutung des gescheiterten „Hitlerputsches“ vom November 1923 als identitätsstiftend heraus. Die Sakralisierung des Ereignisses als Gründungsmythos, die Heiligsprechung der Getöteten als „Blutzeugen“ und das eigene Hineinsteigern Hitlers durch Putsch und Gerichtsprozess in die „Führerrolle“ analysiert Lüdicke treffend. Die Haftzeit deklarierte Hitler als „Hochschule auf Staatskosten“ um und bereitete in seiner autobiographischen Programmschrift die Ideologeme vom „Lebenskampf“ als „Rassenkampf“ mit „Arierglaube“, Lebensraumphantasien, Antiinternationalismus und Antiegalitarismus aus, die er im Bündnis mit Italien und England verwirklichen wollte. Die Transformation dieser Ideologie in die „Realität“ geht Lüdicke im nächsten Kapitel nach, dass insbesondere die Aufrüstung und den „Weltanschauungskrieg“ im Osten fokussiert. Ganz auf der Linie Götz Alys betont auch Lüdicke die Prototypizität der Euthanasiemorde für den Holocaust. Im dritten Kapitel „Vision“ beschreibt Lüdicke wie Hitler sich als „Gläubiger“ des eignen Mythos aufgrund er außenpolitischen Erfolge 1936 immer mehr als „Werkzeug der Vorsehung“ sah. Hitler sah im Weltkrieg und in der Ermordung der europäischen Juden die heilsgeschichtliche Mission des Nationalsozialismus, welcher als „politische Religion“ die christlichen Kirchen ablösen sollte. In Hitlers Dystopie gehörten die Welthauptstadt „Germania“, Menschenzüchtungen im Lebensborn, Züge mit einer Spurbreite von vier Metern und Wehrsiedlungen im Osten zum neuen Paradies. Hitlers Weltanschauung und deren politische wie militärische Realisierung führten zur völligen Zerstörung Europas. Der Antihumanismus Hitlers und seine verheerenden Folgen werden von Lüdicke verständlich, pointiert und solide nachgezeichnet.

„Im Mittelpunkt“ dieser Untersuchung, so erläutert der Berliner Historiker Lars Lüdicke in seiner Einleitung sein Vorhaben, „stehen […] weder die Entstehung [Hitlers] Weltanschauung noch die Untersuchung der Bedingungen, die den Vollzug dieser Weltanschauung ermöglichten; vielmehr konzentriert sich das Buch auf Hitlers Ideologie, die über zwanzig Jahre hinweg, von der Mitte der 1920er Jahre bis zum Frühjahr 1945, sein Denken, Planen und Handeln bedingte. Der Beginn dieses Zeitraumes wird von der Niederschrift des Buches „Mein Kampf“ markiert, dessen Ende vom so genannten ‚Nero-Befehl‘, und beide ‚Ereignisse‘ geben – inhaltlich wie zeitlich – den Rahmen des Buches vor“. Lüdicke will der „Binnenlogik“ von Hitlers Denken nachspüren.

Als Quellen dieses Unterfanges bediene er sich vor allem den Selbstzeugnissen Hitlers, nämlich der Dokumente „Mein Kampf“ und dem „Zweiten Buch“, weitere frühe Aufzeichnungen, Hitlers Reden und Proklamationen, die „Tischgespräche“ des Diktators, aber auch Tageaufzeichnungen wie die des Propagandisten Joseph Goebbels.

Diesen Pendelblick zwischen Theorie und Praxis wendet Lüdicke, nachdem er zunächst im Kapitel „Interpretationen“ die Forschungslage resümiert hat, bezüglich der weiteren Analyse im Hinblick auf die „Ideologie“, dann auf die „Realität“ und schließlich auf die „Visionen“ Hitlers an. Den Anfang der Hitler-Forschung legt Lüdicke in die 1950er-Jahre und führt dafür Bullocks Hitler-Biographie an, um im nächsten Satz zu konstatieren, dass dieser wiederum viel von Konrad Heidens Hitlerforschungen aus den 1930er-Jahren profitiert habe. Bullock habe Hitler als „prinzipienlosen Opportunisten“ gesehen bis 1960 Hugh R. Trevor-Roper den „programmatischen“ Diktatur in den Vordergrund rückte. Die Entdeckung der Programmatik Hitlers hätte das Interesse an der Strukturanalyse genährt, die – so Lüdicke – auch schon den 1940er-Jahren von Ernst Fraenkel und Franz Neumann betrieben worden sei. Zum zweiten Mal auf nicht einmal zwei Seiten korrigiert Lüdicke seine These vom Beginn der NS-Ideologie-Forschung in den 1950er-Jahren. Dass Ernst Fraenkel und Franz Neumann keine „deutschjüdische Historiker“ waren, sondern Juristen, die mit Marcuse, Kirchheimer, Herz u. a. viele Analysen zum Nationalsozialismus schrieben, sei nur am Rande bemerkt. Im weiteren Verlauf des Kapitels „Interpretationen“ wird dann aber souverän der Forschungsdebattenverlauf über die Rolle Hitlers nachgezeichnet, beginnend bei Broszats „Staat Hitlers“ über die Debatte „Strukturalisten versus Intentionalisten“ bis hin zu den Kontroversen über die Thesen Daniel Jonah Goldhagens und Götz Alys und die neuesten Hitlerbiographien von Ulrich, Longerich u. a. nachgezeichnet.

Im Kapitel „Ideologie“ streicht Lüdicke die konstitutive Bedeutung des gescheiterten „Hitlerputsches“ vom November 1923 als identitätsstiftend heraus. Die Sakralisierung des Ereignisses als Gründungsmythos, die Heiligsprechung der Getöteten als „Blutzeugen“ und das eigene Hineinsteigern Hitlers durch Putsch und Gerichtsprozess in die „Führerrolle“ analysiert Lüdicke treffend. Die Haftzeit deklarierte Hitler als „Hochschule auf Staatskosten“ um und bereitete in seiner autobiographischen Programmschrift die Ideologeme vom „Lebenskampf“ als „Rassenkampf“ mit „Arierglaube“, Lebensraumphantasien, Antiinternationalismus und Antiegalitarismus aus, die er im Bündnis mit Italien und England verwirklichen wollte.

Die Transformation dieser Ideologie in die „Realität“ geht Lüdicke im nächsten Kapitel nach, dass insbesondere die Aufrüstung und den „Weltanschauungskrieg“ im Osten fokussiert. Ganz auf der Linie Götz Alys betont auch Lüdicke die Prototypizität der Euthanasiemorde für den Holocaust.

Im dritten Kapitel „Vision“ beschreibt Lüdicke wie Hitler sich als „Gläubiger“ des eignen Mythos aufgrund er außenpolitischen Erfolge 1936 immer mehr als „Werkzeug der Vorsehung“ sah. Hitler sah im Weltkrieg und in der Ermordung der europäischen Juden die heilsgeschichtliche Mission des Nationalsozialismus, welcher als „politische Religion“ die christlichen Kirchen ablösen sollte. In Hitlers Dystopie gehörten die Welthauptstadt „Germania“, Menschenzüchtungen im Lebensborn, Züge mit einer Spurbreite von vier Metern und Wehrsiedlungen im Osten zum neuen Paradies. Hitlers Weltanschauung und deren politische wie militärische Realisierung führten zur völligen Zerstörung Europas. Der Antihumanismus Hitlers und seine verheerenden Folgen werden von Lüdicke verständlich, pointiert und solide nachgezeichnet.

geschrieben am 09.07.2017 | 590 Wörter | 3917 Zeichen

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