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Die Freihandelslüge. Warum wir CETA und TTIP stoppen müssen


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Rezension von

Dr. Sebastian Felz

Die Freihandelslüge. Warum wir CETA und TTIP stoppen müssen Freihandelsabkommen sind völkerrechtliche Verträge, die dem Abbau von Handelshemmnissen dienen. Bei der WTO sind inzwischen fast 600 regionale Freihandelsabkommen notifiziert, davon mehr als 350 aktuell in Kraft. Aber über keine anderen Freihandelsabkommen ist so sehr diskutiert worden, wie über die beiden Verträge der Europäischen Union mit den USA und Kanada (TTIP und CETA). Schon 1990 wurde die „Transatlantische Erklärung“ mit dem Ziel einer Vertiefung der Handelspartnerschaft zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA verkündet. In den 1990er-Jahren gab es verschiedene Anläufe eine „transatlantische Freihandelszone“ zu etablieren. Es dauerte bis 2004, dass das CETA-Verhandlungsmandat erteilt wurde. Auf dem EU-USA-Gipfel im Jahr 2007 vereinbarten die Europäische Union und die USA die Einsetzung eines „Transatlantischen Wirtschaftsrates“, der fünf Jahre lang Hürden für den transatlantischen Handel analysieren sollte. Schließlich begannen im Jahr 2009 die CETA-Verhandlungen und 2013 die TTIP-Verhandlungen. Tilo Bode, langjähriger Geschäftsführer von Greenpeace und Gründer sowie heutiger Geschäftsführer von foodwatch, ist nach eigener Aussage kein Gegner eines fairen Freihandels. Er sieht aber beide Abkommen nicht nur als Abbau von Handelshemmnissen wie sie beispielsweise in Zöllen oder unterschiedlichen Industriestandards für die Normung von Produkten gegeben sind, sondern eine weit reichende Neuordnung der Beziehungen zwischen den USA und der EU, welche nicht nur auf den Bereich des Ökonomischen begrenzt ist, sondern auch auf die Bereiche Schutz vor gefährlichen Chemikalien, gesunde Lebensmittel, nachhaltige Landwirtschaft, Tierschutz, Arbeitnehmerrechte und die demokratische Verfassung der Vertragsstaaten insgesamt ausstrahlt. In insgesamt neun Kapiteln buchstabiert Bode seine Kritik durch. Zunächst moniert er die Geheimverhandlungen zwischen den USA und der EU. Aufgrund der öffentlichen Kritik wurden schließlich sogenannte Leseräume für die europäischen Parlamentarier eingerichtet. Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Verhandlungen geheim stattfinden, damit der Vertragspartner sein Gegenüber nicht übervorteilen kann. Aufgrund von Zahlen verschiedener Nichtregierungsorganisationen kritisiert der Autor aber, dass die „Generaldirektion Handel“, welche das Mandat der EU für die Verhandlung hat, bei 560 Treffen mit Interessenvertretern zu 92 % Vertreter der Wirtschaft und nur zu einem verschwindend geringen Teil Treffen mit Gewerkschaftern und Verbraucherverbänden sowie Repräsentanten von öffentlichen Verwaltungen durchgeführt hat. Ebenso kritisch sieht er die ökonomischen Gutachten, die ein Wirtschaftswachstum nach Abschluss des Freihandelsabkommens voraussagen. Für Bode sind diese Wachstumsversprechen ein „großes Märchen“, da die Steigerungen sich bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung fast von selbst einstellen würden. In Deutschland sind sowohl Teile des Mittelstandes gegen über diesen Wachstumsprognosen skeptisch wie auch diejenigen Ökonomen, die eine Entwicklung zulasten der zweiten und dritten Welt befürchten. Bode unterstreicht, dass wegen der völkerrechtlichen Bindung durch die Freihandelsabkommen europäische und nationale Gesetze im schlimmsten Falle nicht geändert oder erlassen werden könnten („chilling effects“). Des Weiteren fürchtet er sich vor „Schiedsgerichten“, die eine „Paralleljustiz“ für Investoren etablieren könnten, die sich durch nationale Gesetze oder Regularien in ihren Gewinnaussichten behindert sehen und vor diesen staatlich nicht kontrollierten Gerichten die Nationalstaaten auf Schadensersatz verklagen können. Im zweiten Teil seiner Analyse wendet sich Bode unter dem Stichwort „die Demontage der Vorsorge“ einer möglichen Absenkung von Standards im Gesundheits- und Arbeitsschutz und in der Landwirtschaft zu. Sein größter Kritikpunkt im Bereich des Chemikalien- und Medizinrechts ist vor allem die mögliche Abkehr vom „Vorsorgeprinzip“ und die Etablierung des „Nachsorgeprinzips“. Beispielhaft führt Bode hier die europäische Chemikalienverordnung (REACH) aus dem Jahre 2007 an, die 30.000 Chemikalien reguliert. Bei der obligatorischen Anmeldung solcher Stoffe bei der Europäischen Chemikalienagentur müssen Hersteller und Importeure die Ungefährlichkeit ihrer Chemikalien selbst nachweisen. Dieses Beispiel für das „Vorsorgeprinzip“ ist Ausprägung des Art. 191 Abs. 2 S. 2 AEUV, das sowohl im Umweltschutz als auch in der Agrarpolitik sowie im Lebensmittelrecht und im Gesundheitsschutz gilt. Jenseits des Atlantiks gilt (mit Ausnahmen im Bereich der Medizinprodukte) das „Nachsorgeprinzip“. In den USA findet ein Verbot im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutz meist erst dann statt, wenn wissenschaftliche Nachweise für die Schädlichkeit eines Stoffes oder eines Produkts vorliegen. Zwar können im Falle des Vorliegens von schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt empfindliche Schadensersatzforderungen eingeklagt werden, allerdings - so Bode - sei dafür ein wissenschaftlicher Konsens über die Gefahr für Mensch und Umwelt erforderlich, dessen Findung noch dadurch erschwert werde, dass sie Informationen über die Produkte oder Stoffe meist beim Hersteller liegt. Für Bode ergibt sich daraus die Konsequenz, dass die Freihandelsabkommen „TTIP“ und „CETA“ zu stoppen sind. Freihandelsabkommen ja, aber ohne die Einschränkung des demokratischen Rechts- und Sozialstaates, so lautet das Plädoyer Bodes. Vielleicht helfen die „Hüter der Verfassung“ in Karlsruhe: Ende August 2016 wollen verschiedene Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen beim Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen die vorläufige Anwendung von CETA beantragen und eine Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zu dem Freihandelsabkommen einlegen. Nach eigener Aussage der Initiatoren hat diese Verfassungsbeschwerde über 100.000 Unterstützer.

Freihandelsabkommen sind völkerrechtliche Verträge, die dem Abbau von Handelshemmnissen dienen. Bei der WTO sind inzwischen fast 600 regionale Freihandelsabkommen notifiziert, davon mehr als 350 aktuell in Kraft. Aber über keine anderen Freihandelsabkommen ist so sehr diskutiert worden, wie über die beiden Verträge der Europäischen Union mit den USA und Kanada (TTIP und CETA). Schon 1990 wurde die „Transatlantische Erklärung“ mit dem Ziel einer Vertiefung der Handelspartnerschaft zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA verkündet. In den 1990er-Jahren gab es verschiedene Anläufe eine „transatlantische Freihandelszone“ zu etablieren. Es dauerte bis 2004, dass das CETA-Verhandlungsmandat erteilt wurde. Auf dem EU-USA-Gipfel im Jahr 2007 vereinbarten die Europäische Union und die USA die Einsetzung eines „Transatlantischen Wirtschaftsrates“, der fünf Jahre lang Hürden für den transatlantischen Handel analysieren sollte. Schließlich begannen im Jahr 2009 die CETA-Verhandlungen und 2013 die TTIP-Verhandlungen.

Tilo Bode, langjähriger Geschäftsführer von Greenpeace und Gründer sowie heutiger Geschäftsführer von foodwatch, ist nach eigener Aussage kein Gegner eines fairen Freihandels. Er sieht aber beide Abkommen nicht nur als Abbau von Handelshemmnissen wie sie beispielsweise in Zöllen oder unterschiedlichen Industriestandards für die Normung von Produkten gegeben sind, sondern eine weit reichende Neuordnung der Beziehungen zwischen den USA und der EU, welche nicht nur auf den Bereich des Ökonomischen begrenzt ist, sondern auch auf die Bereiche Schutz vor gefährlichen Chemikalien, gesunde Lebensmittel, nachhaltige Landwirtschaft, Tierschutz, Arbeitnehmerrechte und die demokratische Verfassung der Vertragsstaaten insgesamt ausstrahlt.

In insgesamt neun Kapiteln buchstabiert Bode seine Kritik durch. Zunächst moniert er die Geheimverhandlungen zwischen den USA und der EU. Aufgrund der öffentlichen Kritik wurden schließlich sogenannte Leseräume für die europäischen Parlamentarier eingerichtet. Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Verhandlungen geheim stattfinden, damit der Vertragspartner sein Gegenüber nicht übervorteilen kann. Aufgrund von Zahlen verschiedener Nichtregierungsorganisationen kritisiert der Autor aber, dass die „Generaldirektion Handel“, welche das Mandat der EU für die Verhandlung hat, bei 560 Treffen mit Interessenvertretern zu 92 % Vertreter der Wirtschaft und nur zu einem verschwindend geringen Teil Treffen mit Gewerkschaftern und Verbraucherverbänden sowie Repräsentanten von öffentlichen Verwaltungen durchgeführt hat.

Ebenso kritisch sieht er die ökonomischen Gutachten, die ein Wirtschaftswachstum nach Abschluss des Freihandelsabkommens voraussagen. Für Bode sind diese Wachstumsversprechen ein „großes Märchen“, da die Steigerungen sich bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung fast von selbst einstellen würden. In Deutschland sind sowohl Teile des Mittelstandes gegen über diesen Wachstumsprognosen skeptisch wie auch diejenigen Ökonomen, die eine Entwicklung zulasten der zweiten und dritten Welt befürchten.

Bode unterstreicht, dass wegen der völkerrechtlichen Bindung durch die Freihandelsabkommen europäische und nationale Gesetze im schlimmsten Falle nicht geändert oder erlassen werden könnten („chilling effects“). Des Weiteren fürchtet er sich vor „Schiedsgerichten“, die eine „Paralleljustiz“ für Investoren etablieren könnten, die sich durch nationale Gesetze oder Regularien in ihren Gewinnaussichten behindert sehen und vor diesen staatlich nicht kontrollierten Gerichten die Nationalstaaten auf Schadensersatz verklagen können.

Im zweiten Teil seiner Analyse wendet sich Bode unter dem Stichwort „die Demontage der Vorsorge“ einer möglichen Absenkung von Standards im Gesundheits- und Arbeitsschutz und in der Landwirtschaft zu. Sein größter Kritikpunkt im Bereich des Chemikalien- und Medizinrechts ist vor allem die mögliche Abkehr vom „Vorsorgeprinzip“ und die Etablierung des „Nachsorgeprinzips“. Beispielhaft führt Bode hier die europäische Chemikalienverordnung (REACH) aus dem Jahre 2007 an, die 30.000 Chemikalien reguliert. Bei der obligatorischen Anmeldung solcher Stoffe bei der Europäischen Chemikalienagentur müssen Hersteller und Importeure die Ungefährlichkeit ihrer Chemikalien selbst nachweisen. Dieses Beispiel für das „Vorsorgeprinzip“ ist Ausprägung des Art. 191 Abs. 2 S. 2 AEUV, das sowohl im Umweltschutz als auch in der Agrarpolitik sowie im Lebensmittelrecht und im Gesundheitsschutz gilt. Jenseits des Atlantiks gilt (mit Ausnahmen im Bereich der Medizinprodukte) das „Nachsorgeprinzip“. In den USA findet ein Verbot im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutz meist erst dann statt, wenn wissenschaftliche Nachweise für die Schädlichkeit eines Stoffes oder eines Produkts vorliegen. Zwar können im Falle des Vorliegens von schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt empfindliche Schadensersatzforderungen eingeklagt werden, allerdings - so Bode - sei dafür ein wissenschaftlicher Konsens über die Gefahr für Mensch und Umwelt erforderlich, dessen Findung noch dadurch erschwert werde, dass sie Informationen über die Produkte oder Stoffe meist beim Hersteller liegt.

Für Bode ergibt sich daraus die Konsequenz, dass die Freihandelsabkommen „TTIP“ und „CETA“ zu stoppen sind. Freihandelsabkommen ja, aber ohne die Einschränkung des demokratischen Rechts- und Sozialstaates, so lautet das Plädoyer Bodes. Vielleicht helfen die „Hüter der Verfassung“ in Karlsruhe: Ende August 2016 wollen verschiedene Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen beim Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen die vorläufige Anwendung von CETA beantragen und eine Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zu dem Freihandelsabkommen einlegen. Nach eigener Aussage der Initiatoren hat diese Verfassungsbeschwerde über 100.000 Unterstützer.

geschrieben am 22.08.2016 | 747 Wörter | 5122 Zeichen

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