ISBN | 3258076693 | |
Autor | Martin Lehner | |
Verlag | Haupt Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 200 | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Extras | - |
Stoffreduktion tut Not, das erfahren Lehrende tagtäglich. Meist mit gehörigem Frust, weil sie an eben dieser Situation gründlich scheitern. Das ist wohl jeder bzw. jedem schon einmal passiert, der regelmäßig vor einem Kurs bzw. einer Klasse steht. Eine hilfreiche Medizin gegen solchen Frust könnte dieses Buch sein.
Martin Lehner, der vor wenigen Jahren noch ein lesenswertes Buch zur Allgemeinen Didaktik im selben Verlag vorgelegt hat, beschreibt diesen Frust als „Vollständigkeitsfalle“. Und die Einsicht, die dagegen gesetzt wird, ist erst einmal eine einfache: vollständig geht ohnehin nicht. Das allein freilich wäre nun reichlich platt. Und zum Glück bleibt der Vf. dabei auch nicht stehen.
Das Buch folgt einer klaren Struktur, die gedanklich schrittweise aufeinander aufbaut: Das erste Kapitel umreißt das Problem. Das natürlich liegt eigentlich auf der Hand, dennoch lohnt es sich, sich die wenigen Seiten einmal zu Gemüte zu führen; man lernt doch eine Menge und trifft hier und da auf die Untermauerung von alltäglichen Erfahrungen – was ja unter Umständen auch ganz befriedigend sein kann. So etwa das Referat zu einer Befragung von Friedrich Kron (2000), der aufzeigt, wie sehr Didaktik in den letzten Jahrzehnten zum Reizwort in der Hochschule ebenso wie unter Schullehrern geworden sei: „Je jünger die Befragten sind, umso aggressiver haben sie auf das Wort Didaktik reagiert“ (S. 25 bei Lehner).
Im zweiten Kapitel wird die „Vollständigkeitsfalle“ theoretisch durchdrungen, sie wird – wenn man dem metaphernschwangeren Stil des Vf. (der viel für sich hat, wie jener S. 77ff. überzeugend darlegt) einmal folgen mag – kartiert; und damit also werden Wege aus dieser Falle heraus sichtbar. Das dritte Kapitel führt die theoretisch gewonnenen Techniken der Stoffreduktion dann an praktischen Beispielen vor.
Bis hierhin wäre also eine erste, wenn man so will, grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Problem der „Vollständigkeitsfalle“ und Möglichkeiten, ihr zu entkommen, abgeschlossen. Aber es geht weiter. Nun wird das Problem und werden die Lösungsmöglichkeiten weiter vertieft.
Das vierte Kapitel behandelt „Impulse aus Lehrmethodik und Hirnforschung“. Dahinter verbergen sich vor allem Reflexionen über das Konzentrations- und Aufnahmevermögen von Jugendlichen und Erwachsenen und die Implikationen, die Erkenntnisse über die Vermögen für eine didaktisch sinnvolle Vermittlung haben müssen.
Das fünfte Kapitel schließlich dockt wieder an das erste Kapitel an und versucht Visionen für ein zukünftiges Lehren und Lernen zu entwickeln. Das ist betontermaßen auch gesellschaftspolitisch angelegt.
Das gesamte Buch ist durchzogen von Aufgabenboxen, die häufig ein kurzes Referat aus der Forschungsliteratur oder ein kleines Lehr-Lern-Szenario enthalten und dann zur eigenen Reflexion entlang einer präzisen Fragestellung anregen. Das kann man mitmachen oder nicht. Eine anregende Idee ist es allemal. Und selbst, wer diese Boxen überliest, wird immer noch etwas aus diesem Buch mitnehmen.
Besonders gelungen ist die „Toolbox der Reduktion“, die auch dramaturgisch gleichsam den Höhe- und Schlusspunkt der Darstellung einnimmt. Graphisch gefällig aufgearbeitet und übersichtlich strukturiert sind hier eine ganz Reihe inspirierender Idee, jeweils arrangiert zu den spezifischen Vermittlungs- bzw. Unterrichtsphasen (Vorbereitung, Darbietung, Aktivierung) zusammengetragen. Diese „Toolbox“ kann der Leser auch mittels eines im Buch zu findenden Passworts kostenfrei aus dem Netz herunterladen. Nett, aber: wozu eigentlich? Wer das Buch schon besitzt, wird das nicht brauchen. Bibliotheksleser allerdings werden sich über die 30 gesparten Kopien freuen – denn diese Seiten lohnen sich wirklich.
Eine Auswahl an Beispielen besonders gelungener Reduktionsarbeit an großen Stoffmengen rundet den Band ab, etwa Jostein Gaarders Philosophiegeschichte „Sofies Welt“ oder Michael Köhlmeiers Nacherzählungen shakespearischer Dramen. Fachliteratur gibt es dagegen lediglich im knappen Anmerkungsapparat, der als Endnoten zum Schluss des Bandes arrangiert ist.
Ein bisschen schade bleibt, dass die schon bei der Vorgängerauflage monierten Schreib- und Trennfehler auch in dieser nicht korrigiert worden sind (vgl. die Rezension von Werner Michel, http://www.diz-bayern.de/index.jsp?doAction=cmspage&navitem=719). Schade aber natürlich in allererster Linie nur für Rezensent(inn)en, die dadurch merken, dass sie und ihre Kolleg(inn)en offenbar nicht ausreichend wahrgenommen werden. Jeder andere Leser wird das großzügig übersehen können.
Schon die ersten beiden Auflagen dieses Bandes sind in der Fachwelt gut angekommen – mit Recht. Diese neue Auflage wird es sicher auch.
geschrieben am 22.08.2011 | 649 Wörter | 4031 Zeichen
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