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Ich musste sie kaputtmachen


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Rezension von

Alexander Rosell

Ich musste sie kaputtmachen Der Sachbuchkrimi „Ich musste sie kaputtmachen“ liest sich wie ein Thriller berichtet aber von dem wohl schwärzesten Kapitel der deutschen Krimialgeschichte – von dem Fall, der von der Presse als „Kannibale vom Rhein“ publiziert wurde. Erzählt wird die Geschichte des „Jahrhundert-Triebtäters“, Joachim Kroll, der mehr als zwei Jahrzehnte seinen Trieben unbehelligt folgen konnte, bevor er Ende der 80er Jahre eher ungeplant der Polizei ins Netz ging. Mit dieser Festnahme beginnt nun auch das Buch von Stephan Harbort, der den Fall in allen Fassetten beleuchtet. Angefangen von Krolls Kindheit bis hin zu seiner Vernehmung versucht Harbort, der als hauptberuflicher Kriminalist arbeitet, die Lebensgeschichte Krolls zu rekonstruieren. Er beschreibt den Lebenslauf eines unterdrückten Einzelgängers, der überwiegend in seiner Traumwelt lebt und sich seine Taten vielmals fiktional ausmalt, bevor ihn seine Triebe zur eigentlichen Tat zwingen. Der Sachbuchkrimi, der sich anfangs noch etwas hölzern und konstruiert wie eine Folge von Aktenzeichen XY liest, gewinnt im Verlaufe der Handlung an Schwung. Der harte Schreibstil mit kurzen Sätzen und faktenbasierten Beschreibungen wandelt sich zusehends in einen mitreißenden Erzählfluß. Man hat den Eindruck, daß der Autor mit jedem Satz ein wenig mehr wagt und bald sogar typische Stilelemente von Kriminalgeschichten aufgreift. So wird bei der Ermittlungsbeschreibung des ersten Mordes (S. 50ff) neben dem weiterhin ausführlichen und detailreichen Bericht zum ersten Mal richtige Spannung spürbar, da etwas vermeindlich wichtiges künstlich lange unaufgeklärt bleibt („Allgemeines Erstaunen löste hingegen etwas aus, was [...] rechts neben der Leiche in Höhe des Kniegelenks gefunden wurde“). Auffallend lyrisch geben sich auch einige Textstellen im mittleren Bereich des Krimis: „Seine Mutlosigkeit versuchte er zu kaschieren, seine Erfolglosigkeit zu relativieren“ (S.44 1,2) / „Begierig war er eingetaucht in die blutige Vision seiner Ominotenz“ (S.45 9,10) / „Frustration und Obsession hatten sich für einen Moment gefunden, ein hochexplosives Gemisch“ (S.60 10,11). Bei dem kriminalistischen Hintergrund des Autors liegt allerdings die Vermutung recht nah, daß der literarische Wert des Buches eher eine sekundäre Rolle spielt. Viel markanter sind folglich auch die Textstellen, in denen die Psyche und kriminalistische Klassifizierung von Serientätern beleuchtet wird. Schnell wird die Kernaussage des Autors offensichtlich: „Man muß Serientätern psychisch helfen und darf sie nicht wegsperren“. In drei zentralen Kapiteln (9,10,27) bezieht der Autor Stellung zu seinem Standpunkt und klärt über die Erkenntnisse moderner Krimialistik auf. In Kapitel 9 führt er einen anklagenden, teils ironischen Monolog zur traditionellen Klassifizierung von Serientätern – über die allgemeine Aburteilung der Täter als bestialische Monster und zerstörender Fabelwesen. Aus einem anderen Gesichtspunkt betrachtet, ist auch Joachim Kroll ein Opfer seinen eigenen Psyche. Im anschließenden 10. Kapitel ist knapp geschildert, wie er überwältigt von seiner Traumwelt nur sehr verstört in die reale Welt zurückfindet, was durchaus einen plausiblen Grund seiner Taten und der Tatfortsetzungen liefert. Wenn die gerade genannten Kapitel eher abstrakt zu deuten sind, befaßt sich Kapitel 27 mit einer ganz praktischen Hinterfragung des Falls Kroll. Warum konnte der Täter so lange unerkannt bleiben? War es ein Fehler bei der Polizei? Sicherlich sind diese beiden Fragen nicht eindeutig zu klären, trotzdem liefert der Autor einen interessanten Ansatzpunkt, in dem er die Organisation der polizeilichen Infrastruktur kritisch hinterfragt. Man kann also festhalten, daß der Sachbuchkrimi „Ich musste sie kaputtmachen“ eine durchaus interessante Beleuchtung eines der prominentesten deutschen Kriminalfälle ist. Was das Buch außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, daß Harbort als Experte für Serienmorde in literarischer Form mit den bestehenden Vorurteilen aufräumen möchte, um seine Leser für dieses vielschichtige Thema zu sensibilisieren. Dabei gelingt ihm stets der Balanceakt die Spannung aufrecht zu erhalten, aber nicht unsachlich zu werden, aufzuklären, aber nicht zu weit zu gehen. Auch die Beschreibung der Morde bleibt innerhalb vertretbarer Grenzen, die weit genug gefaßt sind, um dem Leser ein eindeutiges Bild zu vermitteln, ihn aber nicht abschrecken. Das Buch ist also mehr als das schnörkellose Porträt eines Massenmörders, oder eine spannende Kriminalgeschichte für zwischendurch. Vielmehr regt es zum Nachdenken an und rückt Serientäter aus dem Licht der bestialischen Monster.

Der Sachbuchkrimi „Ich musste sie kaputtmachen“ liest sich wie ein Thriller berichtet aber von dem wohl schwärzesten Kapitel der deutschen Krimialgeschichte – von dem Fall, der von der Presse als „Kannibale vom Rhein“ publiziert wurde. Erzählt wird die Geschichte des „Jahrhundert-Triebtäters“, Joachim Kroll, der mehr als zwei Jahrzehnte seinen Trieben unbehelligt folgen konnte, bevor er Ende der 80er Jahre eher ungeplant der Polizei ins Netz ging.

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14.03.2009
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26.09.2008

Mit dieser Festnahme beginnt nun auch das Buch von Stephan Harbort, der den Fall in allen Fassetten beleuchtet. Angefangen von Krolls Kindheit bis hin zu seiner Vernehmung versucht Harbort, der als hauptberuflicher Kriminalist arbeitet, die Lebensgeschichte Krolls zu rekonstruieren. Er beschreibt den Lebenslauf eines unterdrückten Einzelgängers, der überwiegend in seiner Traumwelt lebt und sich seine Taten vielmals fiktional ausmalt, bevor ihn seine Triebe zur eigentlichen Tat zwingen.

Der Sachbuchkrimi, der sich anfangs noch etwas hölzern und konstruiert wie eine Folge von Aktenzeichen XY liest, gewinnt im Verlaufe der Handlung an Schwung. Der harte Schreibstil mit kurzen Sätzen und faktenbasierten Beschreibungen wandelt sich zusehends in einen mitreißenden Erzählfluß.

Man hat den Eindruck, daß der Autor mit jedem Satz ein wenig mehr wagt und bald sogar typische Stilelemente von Kriminalgeschichten aufgreift. So wird bei der Ermittlungsbeschreibung des ersten Mordes (S. 50ff) neben dem weiterhin ausführlichen und detailreichen Bericht zum ersten Mal richtige Spannung spürbar, da etwas vermeindlich wichtiges künstlich lange unaufgeklärt bleibt („Allgemeines Erstaunen löste hingegen etwas aus, was [...] rechts neben der Leiche in Höhe des Kniegelenks gefunden wurde“).

Auffallend lyrisch geben sich auch einige Textstellen im mittleren Bereich des Krimis: „Seine Mutlosigkeit versuchte er zu kaschieren, seine Erfolglosigkeit zu relativieren“ (S.44 1,2) / „Begierig war er eingetaucht in die blutige Vision seiner Ominotenz“ (S.45 9,10) / „Frustration und Obsession hatten sich für einen Moment gefunden, ein hochexplosives Gemisch“ (S.60 10,11).

Bei dem kriminalistischen Hintergrund des Autors liegt allerdings die Vermutung recht nah, daß der literarische Wert des Buches eher eine sekundäre Rolle spielt. Viel markanter sind folglich auch die Textstellen, in denen die Psyche und kriminalistische Klassifizierung von Serientätern beleuchtet wird. Schnell wird die Kernaussage des Autors offensichtlich: „Man muß Serientätern psychisch helfen und darf sie nicht wegsperren“.

In drei zentralen Kapiteln (9,10,27) bezieht der Autor Stellung zu seinem Standpunkt und klärt über die Erkenntnisse moderner Krimialistik auf. In Kapitel 9 führt er einen anklagenden, teils ironischen Monolog zur traditionellen Klassifizierung von Serientätern – über die allgemeine Aburteilung der Täter als bestialische Monster und zerstörender Fabelwesen. Aus einem anderen Gesichtspunkt betrachtet, ist auch Joachim Kroll ein Opfer seinen eigenen Psyche. Im anschließenden 10. Kapitel ist knapp geschildert, wie er überwältigt von seiner Traumwelt nur sehr verstört in die reale Welt zurückfindet, was durchaus einen plausiblen Grund seiner Taten und der Tatfortsetzungen liefert.

Wenn die gerade genannten Kapitel eher abstrakt zu deuten sind, befaßt sich Kapitel 27 mit einer ganz praktischen Hinterfragung des Falls Kroll. Warum konnte der Täter so lange unerkannt bleiben? War es ein Fehler bei der Polizei? Sicherlich sind diese beiden Fragen nicht eindeutig zu klären, trotzdem liefert der Autor einen interessanten Ansatzpunkt, in dem er die Organisation der polizeilichen Infrastruktur kritisch hinterfragt.

Man kann also festhalten, daß der Sachbuchkrimi „Ich musste sie kaputtmachen“ eine durchaus interessante Beleuchtung eines der prominentesten deutschen Kriminalfälle ist. Was das Buch außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, daß Harbort als Experte für Serienmorde in literarischer Form mit den bestehenden Vorurteilen aufräumen möchte, um seine Leser für dieses vielschichtige Thema zu sensibilisieren. Dabei gelingt ihm stets der Balanceakt die Spannung aufrecht zu erhalten, aber nicht unsachlich zu werden, aufzuklären, aber nicht zu weit zu gehen. Auch die Beschreibung der Morde bleibt innerhalb vertretbarer Grenzen, die weit genug gefaßt sind, um dem Leser ein eindeutiges Bild zu vermitteln, ihn aber nicht abschrecken.

Das Buch ist also mehr als das schnörkellose Porträt eines Massenmörders, oder eine spannende Kriminalgeschichte für zwischendurch. Vielmehr regt es zum Nachdenken an und rückt Serientäter aus dem Licht der bestialischen Monster.

geschrieben am 20.09.2004 | 642 Wörter | 3984 Zeichen

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Rezension von

Claudia Jacobs

Ich musste sie kaputtmachen Ich musste sie kaputtmachen! Nicht umbringen, töten, erwürgen oder was auch immer, nein "kaputtmachen" wie ein altes, nicht mehr gebrauchtes oder betrauertes Spielzeug. Harbort signalisiert mit diesem Wort schon zu Anfang, dass Kroll empathielos tötete. Sein ganzes Leben hindurch gab es für ihn nur seine eigenen Gefühle, die fast durchweg destruktiv waren. Schon als kleines Kind bekam Kroll seine Bedeutungslosigkeit von der Familie vor Augen geführt. Sein ganzes Fühlen war bald geprägt von jenem "komischen" Gefühl, das letztendlich und konsequent zu seinen Taten führte. Wie es dazu kam, vermittelt Harbort so anschaulich, dass man bald mitfiebert, ob er ein Opfer findet oder nicht. Erst wenn er es findet, kommt der Schauer, der am Anfang noch fehlte. Zu sehr kann man sich in die Seele dieses Menschen versetzen, als dass man ihm nicht einen Erfolg gönnen würde. Bis man begreift, welches Resultat ein solcher Erfolg haben würde. Dann erst kommen Ekel und Abscheu, dafür aber umso heftiger. Hier wird wieder einmal klar, wie wichtig es ist, dass man selbst dem uninteressantesten Menschen ein wenig Beachtung schenkt, damit er nicht, wie hier beschrieben, fast zwangsläufig auf abwegige Art seine Beachtung holt. Ein winziges Gefühl der Schuld keimt dennoch auf in Kroll. Es gelingt ihm aber, dieses Gefühl immer wieder auszuschalten. Diese Zeit der massenhaften Sexualmorde korrespondiert auf unglaubliche Weise mit dem noch mangelhaften Wissen, sowie den unzulänglichen Untersuchungsmethoden dieser Zeit. So entkommt er immer wieder, weil andere verdächtigt, weil andere für seine Taten verurteilt werden. Heute wäre es bedeutend leichter, ihn zu fassen. Darum auch meine Hochachtung vor den Kriminalisten jener Zeit. Auch das hat Harbort sehr gut beschrieben, und es wird für den Leser verständlich, dass die Ergreifung erst so spät erfolgte. Man möchte in das Buch hinein um Hinweise zu geben, die man als Leser den Kriminalisten im Buch voraus hat. Die Gefühle der beteiligten Menschen, ob Eltern, Nachbarn oder Ermittlern, werden hier mit wenigen, ausdrucksstarken Worten geschildert. Die Eltern, deren Leben aus allen Fugen gerät, die Arbeitskollegen, die Ihren Abscheu und ihre Gewaltphantasien gegenüber dem Täter aussprechen, der Ermittler, der selber Kinder hat und den Gedanken an die toten Kinder nicht los wird.... allen verleiht Harbort Platz und lässt uns, als Gesellschaft, mitschuldig werden. Mein Fazit? Ein Muss für jeden, der sich auch nur im geringsten für Kriminalfälle interessiert und gleichzeitig ein Werk, das unser eigenes Handeln so manches Mal in Frage stellt.

Ich musste sie kaputtmachen!

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Nicht umbringen, töten, erwürgen oder was auch immer, nein "kaputtmachen" wie ein altes, nicht mehr gebrauchtes oder betrauertes Spielzeug.

Harbort signalisiert mit diesem Wort schon zu Anfang, dass Kroll empathielos tötete. Sein ganzes Leben hindurch gab es für ihn nur seine eigenen Gefühle, die fast durchweg destruktiv waren. Schon als kleines Kind bekam Kroll seine Bedeutungslosigkeit von der Familie vor Augen geführt. Sein ganzes Fühlen war bald geprägt von jenem "komischen" Gefühl, das letztendlich und konsequent zu seinen Taten führte.

Wie es dazu kam, vermittelt Harbort so anschaulich, dass man bald mitfiebert, ob er ein Opfer findet oder nicht. Erst wenn er es findet, kommt der Schauer, der am Anfang noch fehlte. Zu sehr kann man sich in die Seele dieses Menschen versetzen, als dass man ihm nicht einen Erfolg gönnen würde. Bis man begreift, welches Resultat ein solcher Erfolg haben würde. Dann erst kommen Ekel und Abscheu, dafür aber umso heftiger.

Hier wird wieder einmal klar, wie wichtig es ist, dass man selbst dem uninteressantesten Menschen ein wenig Beachtung schenkt, damit er nicht, wie hier beschrieben, fast zwangsläufig auf abwegige Art seine Beachtung holt. Ein winziges Gefühl der Schuld keimt dennoch auf in Kroll. Es gelingt ihm aber, dieses Gefühl immer wieder auszuschalten.

Diese Zeit der massenhaften Sexualmorde korrespondiert auf unglaubliche Weise mit dem noch mangelhaften Wissen, sowie den unzulänglichen Untersuchungsmethoden dieser Zeit. So entkommt er immer wieder, weil andere verdächtigt, weil andere für seine Taten verurteilt werden.

Heute wäre es bedeutend leichter, ihn zu fassen. Darum auch meine Hochachtung vor den Kriminalisten jener Zeit. Auch das hat Harbort sehr gut beschrieben, und es wird für den Leser verständlich, dass die Ergreifung erst so spät erfolgte. Man möchte in das Buch hinein um Hinweise zu geben, die man als Leser den Kriminalisten im Buch voraus hat.

Die Gefühle der beteiligten Menschen, ob Eltern, Nachbarn oder Ermittlern, werden hier mit wenigen, ausdrucksstarken Worten geschildert. Die Eltern, deren Leben aus allen Fugen gerät, die Arbeitskollegen, die Ihren Abscheu und ihre Gewaltphantasien gegenüber dem Täter aussprechen, der Ermittler, der selber Kinder hat und den Gedanken an die toten Kinder nicht los wird.... allen verleiht Harbort Platz und lässt uns, als Gesellschaft, mitschuldig werden.

Mein Fazit?

Ein Muss für jeden, der sich auch nur im geringsten für Kriminalfälle interessiert und gleichzeitig ein Werk, das unser eigenes Handeln so manches Mal in Frage stellt.

geschrieben am 18.05.2017 | 394 Wörter | 2206 Zeichen

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