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Das Auswärtige Amt im Deutschen Reich


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Rezension von

Lesefreund

Das Auswärtige Amt im Deutschen Reich Nach dem Ersten Weltkrieg stand die deutsche politische Elite vor neuen Aufgaben. Der bedeutend gewordene Neuaufbau einer Wirtschaftsstruktur und einer entsprechend politischen Verwaltung ging einher mit der kriegsbedingten Auflösung der diplomatischen Organisationen bei den deutschen diplomatischen Vertretungen in Europa in den Jahren 1918/1919. Die Reform des Auswärtigen Amtes wurde notwendig. Der Autor, diplomierter Politikwissenschaftler, legt mit dem vorliegenden Buch seine zweite Veröffentlichung vor. Er untersucht hier die Entstehungsbedingungen, Entwicklungen und Auswirkungen der größten Umstrukturierung in der Behörde „Auswärtiges Amt“ seit Gründung des Deutschen Reiches 1871. Diese Reform wird nach seinem Begründer und Vorkämpfer Geheimrat Edmund Schüler auch als die „Schülersche Reform“ bezeichnet. Bigalke charakterisiert diesen Versuch Schülers, die bereits über 100-jährige Behörde (der Vorläufer war das 1808 gebildete preußische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten) zu republikanisieren und von den Fesseln der Aristokratie zu befreien als Aufeinandertreffen von starken politischen Kraftfeldern. Geheimrat Schüler hatte Ende des verlorenen (ersten) Weltkrieges den vielleicht günstigsten historischen Zeitpunkt erkannt, und die Chance ergriffen, diesen gewaltigen Umstrukturierungsprozess in Angriff zu nehmen. Der Autor betrachtet hier die Reform Schülers und ihr Ziel, die einstige Exklusivität des diplomatischen Berufs zu dynamisieren, unter geschichtlichen und philosophischen Voraussetzungen. Insbesondere geht es ihm dabei um die Einordnung der politischen Bewegung der "Konservativen Revolution" (Armin Mohler) in diesen Ereigniszusammenhang. Ähnlich wie einer der Vordenker der „Konservativen Revolution“, Oswald Spengler, will Schüler durch eine Form der Meritokratie von Pragmatisten und jungen Leuten Fachleute und Praktiker anstelle der alten Aristokratie an der Spitze des Amtes sehen. Wegweisend sind die Quellen, die der Autor zu Spengler anbringt und die belegen, wie es ihm um ähnliche Herausforderungen ging wie Schüler. Schüler beginnt also mit der Auswahl von Amtsträgern aufgrund ihrer Leistung. Jedes Mitglied der Behörde soll im Idealfall die verdiente Position einnehmen. Außerdem impliziert er, daß kein Missbrauch in diesen so besetzten Positionen stattfindet. Schüler, der 1918 Dirigent und 1919 Ministerialdirektor der Zentralabteilung wurde, baut die Struktur der Behörde gemäß den aktuellen Anforderungen um. So führt er konsequent das Regionalprinzip ein und versteht darunter das Zusammenfassen der Länder nach ihrer regionalen Zugehörigkeit, wie es die deutsche Wirtschaft schon während des ersten Weltkriegs zunehmend gefordert hatte, damit ihre internationalen Interessen auch von der deutschen Außenpolitik besser organisiert und vertreten werden können. Er installiert 1921 einen eigenen „Sprachendienst“ mit einem festen Stamm an Dolmetschern, gründet die „Abteilung für Deutschtum im Ausland und kulturelle Angelegenheiten“, später unter dem Namen Kulturabteilung bekannt, und er schafft zudem weitere Abteilungen und Sonderreferate, wie die Außenhandelsstelle, um eine effiziente Arbeit der Behörde zu erreichen, bzw. erst zu ermöglichen. – Schöpfungen, deren Spuren wir noch heute in der Behörde finden. Zur Verwirklichung der Neustrukturierung werden jetzt auch „Quereinsteiger“ eingestellt. So gab es 1923 in der Weimarer Behörde insgesamt 20 Außenseiter unter den 161 leitenden Beamten, denen teilweise eine beachtliche Karriere gelang. (Peter Krüger: „Struktur, Organisation und außenpolitische Wirkungs­möglichkeiten“) Das Buch plädiert dafür, die reformerischen Kräfte zu unterstützen, „Behördenblindheit“ und eingefahrene Prozesse zu durchleuchten und neu und besser zu gestalten. Daß derartiges auf den Widerstand der „etablierten“ Kräfte stoßen muß, da deren Karrieren dadurch zumindest erschwert werden, ist system­immanent, steht zu erwarten, ändert aber nichts an der reformerischen Notwendigkeit. Folgerichtig müßten bei Reformen auch die hemmenden Kräfte aus dem System entfernt werden, bevor diese die Außenseiter entfernen. Hier gelingt es dem Autor merklich gut, sowohl diese Notwendigkeit zum Elitentausch zur Zeit Schülers als auch bis in die Gegenwart hinein darzustellen. Es liegt hier eine sehr differenzierte Analyse konservativer, reformerischer und so genannter reaktionärer Motive in der deutschen Zwischenkriegszeit am Beispiel Edmund Schülers und Oswald Spenglers vor. Speziell im Hinblick auf die Reorganisation des Auswärtigen Dienstes und der Staatsverwaltung eröffnet das Buch eine thematische Perspektive, die bisher vernachlässigt wurde: Sie betont die pragmatische und realpolitische Dimension des Denkens „Konservativer Revolutionärer“ und bestätigt damit erwiesenermaßen, daß es nach 1918 generell um eine Reorganisation des Deutschen Reiches ging, an der sich viele politische Ideologien versuchten. Zugleich ist damit die von Armin Mohler benannte Bewegung der „Konservativen Revolution“ nicht als Vorreiter der nationalsozialistischen Bewegung zu betrachten, sondern vielmehr als der Versuch einer politischen Reorganisation, deren Notwendigkeit sich in der Realpolitik – hier am Beispiel des Auswärtigen Amtes – ohnehin offenbarte und wobei es viele Analogien zwischen Konservativen und Reformern gab. Die Ursache: Deutschlands Außenpolitik und die Situation im Auswärtigen Amt befand sich in dieser Zeit in einer mehrfach gehandikapten Situation. Zu nennen wäre lediglich die Unfähigkeit, als „territorial amputiertes“ Land Kriege zu führen bei gleichzeitigem Erfolgszwang deutscher Außenpolitik, um für das Reich in den anstehenden Verhandlungen möglichst akzeptable Ergebnisse zu erzielen. Diese Abläufe und historischen Ereignisse liegen nunmehr über 75 Jahre zurück und sind sicherlich historisch sehr interessant. Aber was haben Sie uns heute zu sagen? Das Buch eröffnet auch aktuelle Perspektiven: Müssen Reformen im deutschen Verwaltungsapparat zwangsläufig scheitern? Werden Reformen und seine Reformer letztendlich durch diesen Apparat „assimiliert“ und die unverdaulichen Reste davon einfach „ausgeschieden? Wieso kann ein Bürokratie-Apparat den vielen historischen Veränderungen und Umwälzungen des letzten Jahrhunderts widerstehen, ohne sich wesentlich ändern zu müssen? Bigalke nutzt historische Sachverhalte im Umfeld der Schülerschen Reform und des Konservatismus der Weimarer Zeit, um indirekt auch zum Hier und Heute (berechtigte) Fragen zu stellen. Dabei hebt sich der Autor wohlwollend ab von den ewig gleichen Sichtweisen und erfrischt mit Erkenntnissen, die mutig aber folgerichtig sind. Fazit des Rezensenten: "Der Marsch durch die Institutionen" ist nicht nur steinig, langwierig und schwer. Selbst wenn die angestrebten Änderungen (Reformen) am Ende der Mehrzahl der Beteiligten zugute kommen, werden sie nur vereinzelt oder halbherzig unterstützt. Aber auf jeden Fall sind bei jeder Veränderung große Widerstände beharrender Kräfte einzukalkulieren und zu überwinden. Wesentliche Widerstände liegen auch und gerade im scheinbar Kleinen und Alltäglichen, wie: „Ein besseres (Wirtschafts-, Politik-, …) System als das unsrige haben wir nun mal nicht.“ Das vorliegende Buch versteht es, anhand zweier historischer Personen zu erläutern, wie dieser Kampf geführt werden kann und wurde sowie daß dieser Kampf dennoch nicht hoffnungslos sein muß. Zwar bleibt der Autor den abschließenden Beweis zum Erfolg von Reformen schuldig, stellt aber mit diesem Buch zu Recht entsprechende politische, historische und philosophische Fragen in den Mittelpunkt, an denen heute keiner mehr vorbeikommt.

Nach dem Ersten Weltkrieg stand die deutsche politische Elite vor neuen Aufgaben. Der bedeutend gewordene Neuaufbau einer Wirtschaftsstruktur und einer entsprechend politischen Verwaltung ging einher mit der kriegsbedingten Auflösung der diplomatischen Organisationen bei den deutschen diplomatischen Vertretungen in Europa in den Jahren 1918/1919. Die Reform des Auswärtigen Amtes wurde notwendig. Der Autor, diplomierter Politikwissenschaftler, legt mit dem vorliegenden Buch seine zweite Veröffentlichung vor. Er untersucht hier die Entstehungsbedingungen, Entwicklungen und Auswirkungen der größten Umstrukturierung in der Behörde „Auswärtiges Amt“ seit Gründung des Deutschen Reiches 1871. Diese Reform wird nach seinem Begründer und Vorkämpfer Geheimrat Edmund Schüler auch als die „Schülersche Reform“ bezeichnet. Bigalke charakterisiert diesen Versuch Schülers, die bereits über 100-jährige Behörde (der Vorläufer war das 1808 gebildete preußische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten) zu republikanisieren und von den Fesseln der Aristokratie zu befreien als Aufeinandertreffen von starken politischen Kraftfeldern.

Geheimrat Schüler hatte Ende des verlorenen (ersten) Weltkrieges den vielleicht günstigsten historischen Zeitpunkt erkannt, und die Chance ergriffen, diesen gewaltigen Umstrukturierungsprozess in Angriff zu nehmen. Der Autor betrachtet hier die Reform Schülers und ihr Ziel, die einstige Exklusivität des diplomatischen Berufs zu dynamisieren, unter geschichtlichen und philosophischen Voraussetzungen. Insbesondere geht es ihm dabei um die Einordnung der politischen Bewegung der "Konservativen Revolution" (Armin Mohler) in diesen Ereigniszusammenhang. Ähnlich wie einer der Vordenker der „Konservativen Revolution“, Oswald Spengler, will Schüler durch eine Form der Meritokratie von Pragmatisten und jungen Leuten Fachleute und Praktiker anstelle der alten Aristokratie an der Spitze des Amtes sehen. Wegweisend sind die Quellen, die der Autor zu Spengler anbringt und die belegen, wie es ihm um ähnliche Herausforderungen ging wie Schüler.

Schüler beginnt also mit der Auswahl von Amtsträgern aufgrund ihrer Leistung. Jedes Mitglied der Behörde soll im Idealfall die verdiente Position einnehmen. Außerdem impliziert er, daß kein Missbrauch in diesen so besetzten Positionen stattfindet. Schüler, der 1918 Dirigent und 1919 Ministerialdirektor der Zentralabteilung wurde, baut die Struktur der Behörde gemäß den aktuellen Anforderungen um. So führt er konsequent das Regionalprinzip ein und versteht darunter das Zusammenfassen der Länder nach ihrer regionalen Zugehörigkeit, wie es die deutsche Wirtschaft schon während des ersten Weltkriegs zunehmend gefordert hatte, damit ihre internationalen Interessen auch von der deutschen Außenpolitik besser organisiert und vertreten werden können. Er installiert 1921 einen eigenen „Sprachendienst“ mit einem festen Stamm an Dolmetschern, gründet die „Abteilung für Deutschtum im Ausland und kulturelle Angelegenheiten“, später unter dem Namen Kulturabteilung bekannt, und er schafft zudem weitere Abteilungen und Sonderreferate, wie die Außenhandelsstelle, um eine effiziente Arbeit der Behörde zu erreichen, bzw. erst zu ermöglichen. – Schöpfungen, deren Spuren wir noch heute in der Behörde finden.

Zur Verwirklichung der Neustrukturierung werden jetzt auch „Quereinsteiger“ eingestellt. So gab es 1923 in der Weimarer Behörde insgesamt 20 Außenseiter unter den 161 leitenden Beamten, denen teilweise eine beachtliche Karriere gelang. (Peter Krüger: „Struktur, Organisation und außenpolitische Wirkungs­möglichkeiten“) Das Buch plädiert dafür, die reformerischen Kräfte zu unterstützen, „Behördenblindheit“ und eingefahrene Prozesse zu durchleuchten und neu und besser zu gestalten. Daß derartiges auf den Widerstand der „etablierten“ Kräfte stoßen muß, da deren Karrieren dadurch zumindest erschwert werden, ist system­immanent, steht zu erwarten, ändert aber nichts an der reformerischen Notwendigkeit. Folgerichtig müßten bei Reformen auch die hemmenden Kräfte aus dem System entfernt werden, bevor diese die Außenseiter entfernen. Hier gelingt es dem Autor merklich gut, sowohl diese Notwendigkeit zum Elitentausch zur Zeit Schülers als auch bis in die Gegenwart hinein darzustellen.

Es liegt hier eine sehr differenzierte Analyse konservativer, reformerischer und so genannter reaktionärer Motive in der deutschen Zwischenkriegszeit am Beispiel Edmund Schülers und Oswald Spenglers vor. Speziell im Hinblick auf die Reorganisation des Auswärtigen Dienstes und der Staatsverwaltung eröffnet das Buch eine thematische Perspektive, die bisher vernachlässigt wurde: Sie betont die pragmatische und realpolitische Dimension des Denkens „Konservativer Revolutionärer“ und bestätigt damit erwiesenermaßen, daß es nach 1918 generell um eine Reorganisation des Deutschen Reiches ging, an der sich viele politische Ideologien versuchten. Zugleich ist damit die von Armin Mohler benannte Bewegung der „Konservativen Revolution“ nicht als Vorreiter der nationalsozialistischen Bewegung zu betrachten, sondern vielmehr als der Versuch einer politischen Reorganisation, deren Notwendigkeit sich in der Realpolitik – hier am Beispiel des Auswärtigen Amtes – ohnehin offenbarte und wobei es viele Analogien zwischen Konservativen und Reformern gab. Die Ursache: Deutschlands Außenpolitik und die Situation im Auswärtigen Amt befand sich in dieser Zeit in einer mehrfach gehandikapten Situation. Zu nennen wäre lediglich die Unfähigkeit, als „territorial amputiertes“ Land Kriege zu führen bei gleichzeitigem Erfolgszwang deutscher Außenpolitik, um für das Reich in den anstehenden Verhandlungen möglichst akzeptable Ergebnisse zu erzielen.

Diese Abläufe und historischen Ereignisse liegen nunmehr über 75 Jahre zurück und sind sicherlich historisch sehr interessant. Aber was haben Sie uns heute zu sagen? Das Buch eröffnet auch aktuelle Perspektiven: Müssen Reformen im deutschen Verwaltungsapparat zwangsläufig scheitern? Werden Reformen und seine Reformer letztendlich durch diesen Apparat „assimiliert“ und die unverdaulichen Reste davon einfach „ausgeschieden? Wieso kann ein Bürokratie-Apparat den vielen historischen Veränderungen und Umwälzungen des letzten Jahrhunderts widerstehen, ohne sich wesentlich ändern zu müssen? Bigalke nutzt historische Sachverhalte im Umfeld der Schülerschen Reform und des Konservatismus der Weimarer Zeit, um indirekt auch zum Hier und Heute (berechtigte) Fragen zu stellen. Dabei hebt sich der Autor wohlwollend ab von den ewig gleichen Sichtweisen und erfrischt mit Erkenntnissen, die mutig aber folgerichtig sind.

Fazit des Rezensenten: "Der Marsch durch die Institutionen" ist nicht nur steinig, langwierig und schwer. Selbst wenn die angestrebten Änderungen (Reformen) am Ende der Mehrzahl der Beteiligten zugute kommen, werden sie nur vereinzelt oder halbherzig unterstützt. Aber auf jeden Fall sind bei jeder Veränderung große Widerstände beharrender Kräfte einzukalkulieren und zu überwinden. Wesentliche Widerstände liegen auch und gerade im scheinbar Kleinen und Alltäglichen, wie: „Ein besseres (Wirtschafts-, Politik-, …) System als das unsrige haben wir nun mal nicht.“ Das vorliegende Buch versteht es, anhand zweier historischer Personen zu erläutern, wie dieser Kampf geführt werden kann und wurde sowie daß dieser Kampf dennoch nicht hoffnungslos sein muß. Zwar bleibt der Autor den abschließenden Beweis zum Erfolg von Reformen schuldig, stellt aber mit diesem Buch zu Recht entsprechende politische, historische und philosophische Fragen in den Mittelpunkt, an denen heute keiner mehr vorbeikommt.

geschrieben am 11.05.2008 | 1003 Wörter | 6625 Zeichen

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