Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Wege zur ökologischen Zeitenwende


Statistiken
  • 12093 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autoren
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Heike Koall

Wege zur ökologischen Zeitenwende Neuere Studien belegen, ökologische Themen nehmen wieder an Wichtigkeit zu, nachdem Ende der neunziger Jahre wandelte sich das Blatt langsam aber stetig. So glauben zum Beispiel 90 Prozent der Menschen in Deutschland, es komme eine Klimagefährdung auf uns zu. Faktenreich wird in dem Buch „Wege zur ökologischen Zeitenwende belegt, wie eng der Spielraum für ein Umsteuern aus dem jetzigen verfahrenen Zustand bereits ist. Die Potsdamer Klimaforscher sagen voraus, ab 2050 könnte eine insbesondere Europa betreffende Eiszeit auf Grund vermehrter Süsswasserzufuhr in den Atlantik eintreten, weil der Golfstrom in so einem Szenario sich stark abschwächt. Andere Wissenschaftler vermuten eher eine extreme Verstärkung der Wärmefalle durch die Freisetzung von Methaneis in den Weltmeeren. Dies würde bisher in den Klimamodellen kaum berücksichtigt. Ob bei den vielen Unbekannten, egal in welche Richtung sich die Welt bewegt, nicht so oder so ein für Menschen wenig attraktives Wettergeschehen herauskommt, muss man sich nicht erst seit der Hochwasserkatastrophe an der Elbe fragen. So bescheinigten die Hamburger Klimaforscher, es gäbe in Deutschland inzwischen doppelt so viele Starkregenereignisse wie vor 100 Jahren. Franz Alt, Rudolf Bahro und Marko Ferst stellen also erst mal die richtigen Eingangsfragen. Franz Alt, Fernsehmoderator der 3sat-Sendung „grenzenlos“ schieb bereits mehre Umweltbücher und handelte sich in den achtziger und neunziger Jahren bei Fernsehchefs u.a. immer wieder Kritik ein, weil er entweder die Atomkraftnutzung kritisierte oder andere ökologische Innovationen in seinen Sendungen politisierte. Rudolf Bahro veröffentliche vor 25 Jahren „Die Alternative“ für die damals 8 Jahre Haft veranschlagt wurde und die eine systematische Analyse und Kritik des Pseudosozialismus enthielt. Später profilierte er sich als Sozialökologe und hielt über viele Semester hinweg gut besuchte öffentliche Vorlesungen an der Humboldt-Universität. Als Dritter im Bunde begründete Marko Ferst 1994 zusammen mir vielen anderen die Ökologische Plattform bei der PDS. Er ist der Herausgeber des Bandes und beschäftigt sich auch mit sozialpsychologischen Aspekten der ökologischen Krise, veröffentlichte dazu über Erich Fromms Paradigma „Haben oder Sein“ einen Sammelband. Eine wirkliche neue Politik erwartet Franz Alt nicht von den Regierungen. Entscheidend seien in jedem Fall qualifizierte Minderheiten. So wie 1968 antiautoritäre Gruppen gegen eingefahrene gesellschaftliche Konventionen protestierten oder 1989 Friedens-, Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen gegen das verknöcherte SED-Regime Erfolg hatten, so wird eine organisierte Minderheit künftig gegen unseren selbstmörderischen Entwicklungsweg auftreten müssen. Die Menschen wissen längst, wir ernten was wir sähen. Bestechend ist bei Alt, wie er konkrete Vorschläge für den ökologischen Wandel macht, die hier und jetzt umsetzbar sind oder gar schon existieren. So zum Beispiel wie in Karlruhe die Menschen erfolgreich vom Auto in die Strassenbahn umsteigen, die Fahrgastzahlen um ein Vielfaches stiegen und wie Holland zum Paradies für Fahrradfahrer wurde. Über eine systematische Kritik der real existierenden Gesellschaftsordnung hinaus, setzt Marko Ferst auf vorausschauende Perspektiven: In einem Panorama zeichnet er eine Vision auf, wie die Gesellschaft von Morgen aussehen könnte. Ökologische Landwirtschaft, Lebenswelten mit minimiertem Materialverbrauch, solare Energieversorgung bis hin zu den Strukturen einer nichtkapitalistischen Organisation der Arbeitswelt und vieles andere wird vorgestellt. Bis aber ein deutscher Ökokanzler eine Regierungserklärung im Fernsehen abgibt, wie sie Ferst aufgeschrieben hat, werden wohl noch einige Jahrhunderthochwasser und Megaorkane das Land verwüsten. Die von ihm formulierte Vorreiterrolle in der Abrüstungspolitik und eine auf Suffizienz basierte Lebensweise wäre wohl selbst dann nicht zu erwarten, wenn Jürgen Trittin zum Kanzler gewählt würde, weil die Grünen 40 Prozent der Stimmen eingefahren hätten. Freilich könnte ein zweites Parlament als ökologischer Rat für die langfristigen Aufgaben der Gesellschaft, den ökologischen Reformprozess, so wie die Autoren denken, vielleicht beschleunigen. Rudolf Bahro nimmt in seinen Texten die Frage auf, wo liegen die tiefsten Ursachen der ökologischen Krise. Zwar glaubt auch er nicht, eine kapitalistische Lösung des Problems könne auf Dauer angehen, im Gegensatz zu Alt etwa. Er sieht auch auf den patriarchalen Untergrund der Krise und thematisiert den Aktionszwang der in unserer Kultur liege. So wird dargelegt in wiefern unsere geschichtlich erworbene Sozialpsychologie die treibende Kraft hinter der ökologischen Weltkrise sein könnte, verstärkt über die auf Sachzwänge gegründete Megamaschine. Offen bleibt jedoch wie Bahro den formulierten seelisch-geistigen Kultursprung, praktisch auf die politische Bühne zu bringen gedachte. Viel plausibler sind jedoch seine umfangreichen Kritiken an der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“. Im Ganzen ist das Buch keine Anleitung zu systemkonformer Umweltreparatur, sondern es setzt auf eine grundsätzliche Alternative, wie schon jenes Buch von Bahro vor 25 Jahren, dass eine Kritik des real existierenden Sozialismus im Focus hatte. So unterschiedlich die drei Autoren argumentieren, „Putzarbeiten auf der Titanic“ (Bahro) zelebrieren sie nicht. Damit heben sie sich wohltuend von jenen Bestsellerschreibern ab, die schönfärberisch Ökooptimismus verkünden und wenig hilfreich sind, um die auf uns zukommenden Gefährdungen abzuwenden.

Neuere Studien belegen, ökologische Themen nehmen wieder an Wichtigkeit zu, nachdem Ende der neunziger Jahre wandelte sich das Blatt langsam aber stetig. So glauben zum Beispiel 90 Prozent der Menschen in Deutschland, es komme eine Klimagefährdung auf uns zu.

weitere Rezensionen von Heike Koall

#
rezensiert seit
Buchtitel

Faktenreich wird in dem Buch „Wege zur ökologischen Zeitenwende belegt, wie eng der Spielraum für ein Umsteuern aus dem jetzigen verfahrenen Zustand bereits ist. Die Potsdamer Klimaforscher sagen voraus, ab 2050 könnte eine insbesondere Europa betreffende Eiszeit auf Grund vermehrter Süsswasserzufuhr in den Atlantik eintreten, weil der Golfstrom in so einem Szenario sich stark abschwächt. Andere Wissenschaftler vermuten eher eine extreme Verstärkung der Wärmefalle durch die Freisetzung von Methaneis in den Weltmeeren. Dies würde bisher in den Klimamodellen kaum berücksichtigt. Ob bei den vielen Unbekannten, egal in welche Richtung sich die Welt bewegt, nicht so oder so ein für Menschen wenig attraktives Wettergeschehen herauskommt, muss man sich nicht erst seit der Hochwasserkatastrophe an der Elbe fragen. So bescheinigten die Hamburger Klimaforscher, es gäbe in Deutschland inzwischen doppelt so viele Starkregenereignisse wie vor 100 Jahren.

Franz Alt, Rudolf Bahro und Marko Ferst stellen also erst mal die richtigen Eingangsfragen. Franz Alt, Fernsehmoderator der 3sat-Sendung „grenzenlos“ schieb bereits mehre Umweltbücher und handelte sich in den achtziger und neunziger Jahren bei Fernsehchefs u.a. immer wieder Kritik ein, weil er entweder die Atomkraftnutzung kritisierte oder andere ökologische Innovationen in seinen Sendungen politisierte. Rudolf Bahro veröffentliche vor 25 Jahren „Die Alternative“ für die damals 8 Jahre Haft veranschlagt wurde und die eine systematische Analyse und Kritik des Pseudosozialismus enthielt. Später profilierte er sich als Sozialökologe und hielt über viele Semester hinweg gut besuchte öffentliche Vorlesungen an der Humboldt-Universität.

Als Dritter im Bunde begründete Marko Ferst 1994 zusammen mir vielen anderen die Ökologische Plattform bei der PDS. Er ist der Herausgeber des Bandes und beschäftigt sich auch mit sozialpsychologischen Aspekten der ökologischen Krise, veröffentlichte dazu über Erich Fromms Paradigma „Haben oder Sein“ einen Sammelband.

Eine wirkliche neue Politik erwartet Franz Alt nicht von den Regierungen. Entscheidend seien in jedem Fall qualifizierte Minderheiten. So wie 1968 antiautoritäre Gruppen gegen eingefahrene gesellschaftliche Konventionen protestierten oder 1989 Friedens-, Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen gegen das verknöcherte SED-Regime Erfolg hatten, so wird eine organisierte Minderheit künftig gegen unseren selbstmörderischen Entwicklungsweg auftreten müssen. Die Menschen wissen längst, wir ernten was wir sähen. Bestechend ist bei Alt, wie er konkrete Vorschläge für den ökologischen Wandel macht, die hier und jetzt umsetzbar sind oder gar schon existieren. So zum Beispiel wie in Karlruhe die Menschen erfolgreich vom Auto in die Strassenbahn umsteigen, die Fahrgastzahlen um ein Vielfaches stiegen und wie Holland zum Paradies für Fahrradfahrer wurde.

Über eine systematische Kritik der real existierenden Gesellschaftsordnung hinaus, setzt Marko Ferst auf vorausschauende Perspektiven: In einem Panorama zeichnet er eine Vision auf, wie die Gesellschaft von Morgen aussehen könnte. Ökologische Landwirtschaft, Lebenswelten mit minimiertem Materialverbrauch, solare Energieversorgung bis hin zu den Strukturen einer nichtkapitalistischen Organisation der Arbeitswelt und vieles andere wird vorgestellt. Bis aber ein deutscher Ökokanzler eine Regierungserklärung im Fernsehen abgibt, wie sie Ferst aufgeschrieben hat, werden wohl noch einige Jahrhunderthochwasser und Megaorkane das Land verwüsten. Die von ihm formulierte Vorreiterrolle in der Abrüstungspolitik und eine auf Suffizienz basierte Lebensweise wäre wohl selbst dann nicht zu erwarten, wenn Jürgen Trittin zum Kanzler gewählt würde, weil die Grünen 40 Prozent der Stimmen eingefahren hätten. Freilich könnte ein zweites Parlament als ökologischer Rat für die langfristigen Aufgaben der Gesellschaft, den ökologischen Reformprozess, so wie die Autoren denken, vielleicht beschleunigen.

Rudolf Bahro nimmt in seinen Texten die Frage auf, wo liegen die tiefsten Ursachen der ökologischen Krise. Zwar glaubt auch er nicht, eine kapitalistische Lösung des Problems könne auf Dauer angehen, im Gegensatz zu Alt etwa. Er sieht auch auf den patriarchalen Untergrund der Krise und thematisiert den Aktionszwang der in unserer Kultur liege. So wird dargelegt in wiefern unsere geschichtlich erworbene Sozialpsychologie die treibende Kraft hinter der ökologischen Weltkrise sein könnte, verstärkt über die auf Sachzwänge gegründete Megamaschine. Offen bleibt jedoch wie Bahro den formulierten seelisch-geistigen Kultursprung, praktisch auf die politische Bühne zu bringen gedachte. Viel plausibler sind jedoch seine umfangreichen Kritiken an der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“.

Im Ganzen ist das Buch keine Anleitung zu systemkonformer Umweltreparatur, sondern es setzt auf eine grundsätzliche Alternative, wie schon jenes Buch von Bahro vor 25 Jahren, dass eine Kritik des real existierenden Sozialismus im Focus hatte. So unterschiedlich die drei Autoren argumentieren, „Putzarbeiten auf der Titanic“ (Bahro) zelebrieren sie nicht. Damit heben sie sich wohltuend von jenen Bestsellerschreibern ab, die schönfärberisch Ökooptimismus verkünden und wenig hilfreich sind, um die auf uns zukommenden Gefährdungen abzuwenden.

geschrieben am 04.02.2003 | 751 Wörter | 4798 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen