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Camus: Das Ideal der Einfachheit


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Camus: Das Ideal der Einfachheit „Die Ewigkeit der Welt ist flüchtig (…).“ (S.301) – Es sind diese leicht dahin geschriebenen Sätze Camus, die so lange im Leser nachhallen und die den Bann ausmachen, in den Camus seine Leser zieht. Iris Radisch wählt eine ungewöhnliche Struktur für ihre Biographie, indem sie das Leben Camus' in 10 Kapitel unterteilt, die den 10 liebsten Wörtern Camus' gewidmet sind. Diese Struktur ist eine Herausforderung für den Leser, insbesondere zu Beginn, da die Chronologie dem Kapitel untergeordnet wird und dadurch Sprünge entstehen, die sich erst mit Lektüre der nächsten Kapitel aufklären. Allerdings ist diese Struktur auch bestechend, da Camus' Leben sich seinen Lieblingswörtern anzugleichen scheint. Dieses Leben ist durchaus ungewöhnlich und verwirrend: Aus einem bildungsfernen Elternhaus entstammend und zwischen einer gewalttätigen Großmutter und einer debil schweigenden Mutter aufwachsend, fällt der junge Camus einem Lehrer auf, der ihn fördert und für höhere Schulen empfiehlt. Seine Kindheit verklärt Camus später und prägt damit seine Philosophie der Einfachheit, Sonne und Leichtigkeit, die aus heutiger Sicht esoterisch wirkt. Das Ideal der Einfachheit, das auch den Untertitel des Buches vorgibt, verficht Camus bis zum Schluss – auch als Millionär und weltbekannter Intellektueller der Pariser Literaturszene. Über die verschiedenen Kapitel verteilt, kann der Leser Camus bei seinem Werdegang begleiten, bei seinen Versuchen und Abstürzen, bei seinen Erfolgen und Selbstzweifeln. Das Bild, das Iris Radisch von Camus zeichnet, ist ungewöhnlich dicht: Der Leser erhält nie den Eindruck einer Lücke oder eines unbekannten Details. Durch die Tagebücher Camus' und sein journalistisches Wirken erscheint der Mensch Camus lückenlos beleuchtet zu sein. Er erstaunt dabei auf vielfältige Weise: Sein Glück, von Freunden und Förderern umgeben zu sein, so dass er unbeschadet durch den Zweiten Weltkrieg kommt, trotz seiner Résistance-Tätigkeit im Untergrund und der Herausgabe einer illegalen Zeitschrift. Seine Selbstzweifel, auch in Zeiten des höchsten Ruhms und des Erhalts des Nobelpreises. Seine Klarsicht, die er in Bezug auf politische Zusammenhänge auch gegen die laute Gegnerschaft von Sartre und Beauvoir und deren Anhängern zu verfechten bereit ist. Sein Dandytum, das unbekümmert seine Familie mit den beiden Kindern neben mehrere dauerhafte Geliebte stellte. Am meisten aber beeindruckt die Darstellung der Gegnerschaft mit Sartre. Natürlich weiß man davon und nennt dennoch beide Namen immer in einem Atemzug. Doch Radisch ist in der Lage, die zeitgenössische Sicht mit dem Blick der späteren Generationen zu vereinen: Dem Leser wird bewusst, welch verlorenen und mutigen Posten Camus damals einnahm, als er sich gegen die beiden Größen der Pariser Intelligenzia stellte. Sartre und Beauvoir hatten die Deutungshoheit über die Geschichte des Kalten Krieges und vertraten die pro-sozialistische These, dass das Opfer vieler Millionen nötig sei, um den besseren Menschen hervorzubringen. Durch ihren Stellenwert in der Pariser Gesellschaft und die Zahl ihrer Anhänger war ihre Sicht der Dinge die vorherrschende. Dass die Realität Camus, dem als lebensfern verunglimpften Außenseiter, der gegen die stalinistischen Säuberungen Stellung bezog, am Ende in allen Punkten Recht gab, ist ein Trost für seine Anhänger. Er selbst musste sich im Kampf der Rezensionen gegenüber Sartre geschlagen geben. Auch wenn man seine Mittelmeerideologie und seine philosophischen Traktate wie „Der Mensch in der Revolte“ nicht lieben muss – seine Biographie ist beeindruckend und ein Zeugnis des 20. Jahrhunderts. Dank Iris Radisch ist sie zudem philosophisch erhellend und als rundes Ganzes flüssig zu lesen.

„Die Ewigkeit der Welt ist flüchtig (…).“ (S.301) – Es sind diese leicht dahin geschriebenen Sätze Camus, die so lange im Leser nachhallen und die den Bann ausmachen, in den Camus seine Leser zieht. Iris Radisch wählt eine ungewöhnliche Struktur für ihre Biographie, indem sie das Leben Camus' in 10 Kapitel unterteilt, die den 10 liebsten Wörtern Camus' gewidmet sind.

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Diese Struktur ist eine Herausforderung für den Leser, insbesondere zu Beginn, da die Chronologie dem Kapitel untergeordnet wird und dadurch Sprünge entstehen, die sich erst mit Lektüre der nächsten Kapitel aufklären. Allerdings ist diese Struktur auch bestechend, da Camus' Leben sich seinen Lieblingswörtern anzugleichen scheint. Dieses Leben ist durchaus ungewöhnlich und verwirrend: Aus einem bildungsfernen Elternhaus entstammend und zwischen einer gewalttätigen Großmutter und einer debil schweigenden Mutter aufwachsend, fällt der junge Camus einem Lehrer auf, der ihn fördert und für höhere Schulen empfiehlt. Seine Kindheit verklärt Camus später und prägt damit seine Philosophie der Einfachheit, Sonne und Leichtigkeit, die aus heutiger Sicht esoterisch wirkt. Das Ideal der Einfachheit, das auch den Untertitel des Buches vorgibt, verficht Camus bis zum Schluss – auch als Millionär und weltbekannter Intellektueller der Pariser Literaturszene. Über die verschiedenen Kapitel verteilt, kann der Leser Camus bei seinem Werdegang begleiten, bei seinen Versuchen und Abstürzen, bei seinen Erfolgen und Selbstzweifeln. Das Bild, das Iris Radisch von Camus zeichnet, ist ungewöhnlich dicht: Der Leser erhält nie den Eindruck einer Lücke oder eines unbekannten Details. Durch die Tagebücher Camus' und sein journalistisches Wirken erscheint der Mensch Camus lückenlos beleuchtet zu sein. Er erstaunt dabei auf vielfältige Weise: Sein Glück, von Freunden und Förderern umgeben zu sein, so dass er unbeschadet durch den Zweiten Weltkrieg kommt, trotz seiner Résistance-Tätigkeit im Untergrund und der Herausgabe einer illegalen Zeitschrift. Seine Selbstzweifel, auch in Zeiten des höchsten Ruhms und des Erhalts des Nobelpreises. Seine Klarsicht, die er in Bezug auf politische Zusammenhänge auch gegen die laute Gegnerschaft von Sartre und Beauvoir und deren Anhängern zu verfechten bereit ist. Sein Dandytum, das unbekümmert seine Familie mit den beiden Kindern neben mehrere dauerhafte Geliebte stellte. Am meisten aber beeindruckt die Darstellung der Gegnerschaft mit Sartre. Natürlich weiß man davon und nennt dennoch beide Namen immer in einem Atemzug. Doch Radisch ist in der Lage, die zeitgenössische Sicht mit dem Blick der späteren Generationen zu vereinen: Dem Leser wird bewusst, welch verlorenen und mutigen Posten Camus damals einnahm, als er sich gegen die beiden Größen der Pariser Intelligenzia stellte. Sartre und Beauvoir hatten die Deutungshoheit über die Geschichte des Kalten Krieges und vertraten die pro-sozialistische These, dass das Opfer vieler Millionen nötig sei, um den besseren Menschen hervorzubringen. Durch ihren Stellenwert in der Pariser Gesellschaft und die Zahl ihrer Anhänger war ihre Sicht der Dinge die vorherrschende. Dass die Realität Camus, dem als lebensfern verunglimpften Außenseiter, der gegen die stalinistischen Säuberungen Stellung bezog, am Ende in allen Punkten Recht gab, ist ein Trost für seine Anhänger. Er selbst musste sich im Kampf der Rezensionen gegenüber Sartre geschlagen geben.

Auch wenn man seine Mittelmeerideologie und seine philosophischen Traktate wie „Der Mensch in der Revolte“ nicht lieben muss – seine Biographie ist beeindruckend und ein Zeugnis des 20. Jahrhunderts. Dank Iris Radisch ist sie zudem philosophisch erhellend und als rundes Ganzes flüssig zu lesen.

geschrieben am 20.03.2014 | 536 Wörter | 3175 Zeichen

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