ISBN | 3832966609 | |
Autor | Heribert Ostendorf | |
Verlag | Nomos | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 778 | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Extras | - |
Werke von Ostendorf zum Jugendstrafrecht, seien es seine Lehrbücher oder sei es sein etablierter Kommentar, der in nunmehr neunter Auflage und im 25. Jahr seines Bestehens die Leserschaft bereichert, beinhalten stets eine kritische Komponente, die der Autor in seinem Vorwort auch bewusst ankündigt, nämlich als „kriminologisch orientierte kritische Kommentierung“. Zugleich betont er, dass diese Sicht auf das Jugendstrafrecht keineswegs dadurch verwässert würde, dass außer ihm noch weitere Bearbeiter das JGG kommentieren. Des Weiteren legt Ostendorf Wert auf die Verdeutlichung der großen Dynamik, die dem Jugendstrafrecht innewohnt, und belegt diese nicht nur durch den Abdruck einiger Vorworte der Vorauflagen, sondern auch durch entsprechende und zahlreiche, durchaus mahnende Erläuterungen innerhalb der Kommentierungen.
Die Gestaltung des Kommentars verbindet klassischen Fließtext samt Hervorhebungen und Fußnotenapparat mit graphischen Elementen wie Schaubildern und vielen Tabellen und Statistiken, wie man es eben aus kriminologischen Lehrbüchern kennt. Die zusätzlichen Literaturhinweise vor den einzelnen Normen sowie ein opulentes Sachverzeichnis zuzüglich eines Paragraphenverzeichnisses geben dem Leser zu jeder Zeit das sichere Gefühl, sich sehr fundierten Ausführungen anzuvertrauen.
Der Kommentar beinhaltet bereits den Warnschussarrest im neuen § 16a JGG und spart erwartungsgemäß nicht mit Kritik an dieser tatsächlich und rechtlich schwierigen Vorschrift. Zum einen wird der eng umgrenzte Anwendungsbereich klar herausgearbeitet, zum anderen wird die Gesetzesbegründung als vage und mit fragwürdigen Zielvorgaben versehen kritisiert und auch die praktische Umsetzung in Zweifel gestellt. Darüber hinaus werden Verstöße gegen das Bestimmtheitsgebot angemeldet. Man kann sich gerade als Student keine bessere Lektüre wünschen, denn hier erlebt man echte Auseinandersetzung mit dem Gesetz. Dass der Praktiker hingegen ein wenig verzweifeln dürfte angesichts der so negativen Rezeption der Neuregelung, ist klar: die Anwendung des Rechts bleibt ja dennoch geboten. Wesentlich moderater folgt dann korrelierend die Kommentierung zur ebenfalls teilweise neu gestalteten Bewährung vor Verhängung der Jugendstrafe, also den §§ 27 ff. JGG, aber nichtsdestotrotz unter deutlichem Hinweis auf praktische und methodische Schwierigkeiten der Anwendung dieser Normen. Schön zu sehen ist gerade für den Leser in Ausbildung, wie Ostendorf den Gesamtblick für die Materie schärft, indem er z.B. die Problemkreise Vorbewährung und Registereintrag kombiniert, um auf die Schwierigkeit der Akzeptanz dieser Sanktion aufmerksam zu machen.
Ein wesentlicher und dogmatisch durchaus schwieriger Aspekt der jugendstrafrechtlichen Praxis, die Verhängung von Jugendstrafe, wird ebenfalls ausführlich erläutert und kritisch begleitet, bereits beginnend mit den Zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Bezeichnung „schädliche Neigungen“ und an der Geeignetheit der Jugendstrafe zur Beseitigung dieser Neigungen. Die vorhandene Rechtsprechung wird detailliert aufgegriffen und dabei schön herausgestellt, welche Kriterien gegeben sein müssen bzw. welche gerade nicht erfüllt sein müssen, um eine Jugendstrafe zu verhängen, etwa am Beispiel der persönlichkeitsspezifischen Rückfallgefahr.
Als sehr lesenswert möchte ich die Kommentierung zur Jugendgerichtshilfe empfehlen. Hier werden nicht nur die Rechtsstellung der JGH, ihre Bedeutung für das Verfahren und ihre Kompetenzen im Rahmen der Sanktionsüberwachung dargestellt, sondern es werden auch ihre durchaus komplexe Position innerhalb der Behörde und die Möglichkeit von Rollenkonflikten mit Einrichtungen freier Träger erwähnt, alles notwendige Informationen zum richtigen Umgang mit den zuständigen Mitarbeitern der JGH. Schließlich darf noch darauf hingewiesen werden, dass in diesem JGG-Kommentar - nicht wirklich überraschend - der Jugendvollzug ganz hervorragend ausgearbeitet ist, gerade was die Verzahnung zwischen rechtlichen Ausführungen, praktischen Erfahrungen und rechtspolitischen Erwägungen angeht. Das Wesen der Rechtsbehelfe wird dabei in lobenswerter Detailliertheit erfasst.
Insgesamt kann ich diesen Kommentar auch in der Neuauflage nur empfehlen und zwar von Beginn des Studiums an bis hinein in die tägliche Praxis. Dem Juristen in Ausbildung wird durch die umfassende Beleuchtung des JGG die Komplexität der Materie hinlänglich bewusst und auch der kritische Umgang mit dem Medium Gesetz regelrecht beigebracht. Der Praktiker kann sich, selbst wenn er die Ansichten Ostendorfs nicht teilt, vergegenwärtigen, dass er bisweilen mehr an Begründungsaufwand für ein Urteil oder eine Verteidigungsschrift benötigt als dies evtl. bisheriger usus war. Aber, dieser Hinweis sei erlaubt: dieser Kommentar bedeutet echte Lektüre- und Gedankenarbeit, es ist keine bloße Fundstellensammlung. Aber das macht ihn ja so wertvoll.
geschrieben am 19.03.2013 | 638 Wörter | 4316 Zeichen
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