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Im Haus der Briefe


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Im Haus der Briefe Ernst Jünger hatte zur Korrespondenz das gegenteilige Verhältnis wie Marcel Proust. Sah der französische Autor im Schreiben von Briefen vor allem eine notwendige Pflicht, so betrachtete der deutsche Diarist des 20. Jahrhunderts Briefe, Postkarten und Telegramme früh als Teil seines literarischen Werks. Als Jünger wenige Jahre vor seinem Tod 1997 seinen Nachlass nach Marbach verkaufte, verkaufte er damit auch 270 Archivkästen. Sie enthalten die von ihm archivierte Korrespondenz. Was lag also näher, als die Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs Marbach "Ernst Jünger – Arbeiter am Abgrund" (noch bis zum 27. März 2011) mit einem kleinen Band zu begleiten, der die Korrespondenz an Ernst Jünger enthält. Das Buch dokumentiert insgesamt 52 Briefe von Schriftstellern, Wissenschaftlern und Intellektuellen. Enthalten sind auch Briefe, die bereits in publizierten Briefwechseln abgedruckt sind. Detlev Schöttker schätzt in seinem Nachwort, dass jeder der Archivkästen durchschnittlich etwa 100 Briefe, Postkarten oder (seltener) Telegramme enthält. Legt man diese Größenordnung zu Grunde, so wäre das Literaturarchiv in Marbach nun im Besitz von etwa 30.000 Autographen und Dokumenten. War die Veröffentlichung von Korrespondenzen zu Lebzeiten Jüngers die Ausnahme, so erschien posthum eine ganze Reihe solcher – zum Teil umfangreicher Dokumentationen. 1975 setzte Jünger einem von ihm sehr geschätzten Künstler ein Denkmal und stimmte der Veröffentlichung der Korrespondenz zu: Es war der Maler Alfred Kubin, von dessen dämonisch-dunkeln Zeichnungen Jünger ein Leben lang fasziniert blieb. Über die Bilder Kubins als Gesprächsthema hinaus entspannte sich dann eine jahrzehntelange Freundschaft. Jünger bewunderte auch Kubins Roman "Die andere Seite". Dieser kleine und heute sehr gesuchte Briefwechsel ist auch ein Indiz für die Stellung, die Jünger der Korrespondenz innerhalb des Werkes zuschrieb. Folgende Briefwechsel sind posthum bisher erschienen: 1997 Rudolf Schlichter 1999 Carl Schmitt 2003 Gerhard Nebel 2005 Friedrich Hielscher 2006 Gottfried Benn 2007 Stefan Andres 2008 Martin Heidegger (alle Klett-Cotta). 2008 Margret Boveri (Landt Verlag) 2009 Gershom Scholem (Sinn und Form) 2010 Albert Renger-Patzsch (Wilhelm Fink). Mit Spannung erwartet wird der Briefwechsel mit seinem Bruder Friedrich-Georg, der bereits von Klett-Cotta angekündigt ist, denn zu ihm hatte der Autor der Stahlgewitter wohl die engste Bindung überhaupt. Der Band "Im Haus der Briefe – Autoren schreiben Ernst Jünger 1945-1991" enthält für die Kenner von Jüngers Werk keine Überraschungen. Er vermittelt dagegen einen guten und sozusagen repräsentativen Einblick in das Geschehen um den Autoren, den seine gesamte, acht Jahrzehnte währende Schaffenszeit die Vokabel des Umstrittenseins begleitete. So mag manch Interessierter staunen, wer nicht alles etwas von dem schon früh berühmten Autoren wollte. Von Helmuth Heißenbüttel ist die erste Kontaktaufnahme dokumentiert, der als junger Mann 1946 in Jüngers Büchern »eine fast unbegreifliche Bestätigung« fand, »eine Beruhigung, einen geheimen Sinn, einen Trost oder wie man es nennen will«. 1968 distanzierte sich der nun gereifte Heißenbüttel davon und schrieb in der Streitzeitschrift ein über die folgenden Jahrzehnte viel zitiertes Traktat gegen den einst Bewunderten. Enthalten sind unter anderen Briefe von Ernst Niekisch, Erich Kuby, Friedrich Sieburg, Max Bense. Der 24jährige Sigfried Unseld, der später einflussreicher Suhrkamp-Verleger werden sollte, bedankt sich bei Jünger dafür, »dass Sie meinen Besuch, der ja einem Überfall gleichkam, so freundlich aufgenommen haben«. Weitere Briefe von Paul Celan, Heimito von Doderer, Golo Mann, Werner Heisenberg, Karl Jaspers, Dolf Sternberger und Hans Meyer und anderen.

Ernst Jünger hatte zur Korrespondenz das gegenteilige Verhältnis wie Marcel Proust. Sah der französische Autor im Schreiben von Briefen vor allem eine notwendige Pflicht, so betrachtete der deutsche Diarist des 20. Jahrhunderts Briefe, Postkarten und Telegramme früh als Teil seines literarischen Werks.

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Als Jünger wenige Jahre vor seinem Tod 1997 seinen Nachlass nach Marbach verkaufte, verkaufte er damit auch 270 Archivkästen. Sie enthalten die von ihm archivierte Korrespondenz. Was lag also näher, als die Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs Marbach "Ernst Jünger – Arbeiter am Abgrund" (noch bis zum 27. März 2011) mit einem kleinen Band zu begleiten, der die Korrespondenz an Ernst Jünger enthält. Das Buch dokumentiert insgesamt 52 Briefe von Schriftstellern, Wissenschaftlern und Intellektuellen. Enthalten sind auch Briefe, die bereits in publizierten Briefwechseln abgedruckt sind. Detlev Schöttker schätzt in seinem Nachwort, dass jeder der Archivkästen durchschnittlich etwa 100 Briefe, Postkarten oder (seltener) Telegramme enthält. Legt man diese Größenordnung zu Grunde, so wäre das Literaturarchiv in Marbach nun im Besitz von etwa 30.000 Autographen und Dokumenten.

War die Veröffentlichung von Korrespondenzen zu Lebzeiten Jüngers die Ausnahme, so erschien posthum eine ganze Reihe solcher – zum Teil umfangreicher Dokumentationen. 1975 setzte Jünger einem von ihm sehr geschätzten Künstler ein Denkmal und stimmte der Veröffentlichung der Korrespondenz zu: Es war der Maler Alfred Kubin, von dessen dämonisch-dunkeln Zeichnungen Jünger ein Leben lang fasziniert blieb. Über die Bilder Kubins als Gesprächsthema hinaus entspannte sich dann eine jahrzehntelange Freundschaft. Jünger bewunderte auch Kubins Roman "Die andere Seite". Dieser kleine und heute sehr gesuchte Briefwechsel ist auch ein Indiz für die Stellung, die Jünger der Korrespondenz innerhalb des Werkes zuschrieb.

Folgende Briefwechsel sind posthum bisher erschienen:

1997 Rudolf Schlichter

1999 Carl Schmitt

2003 Gerhard Nebel

2005 Friedrich Hielscher

2006 Gottfried Benn

2007 Stefan Andres

2008 Martin Heidegger (alle Klett-Cotta).

2008 Margret Boveri (Landt Verlag)

2009 Gershom Scholem (Sinn und Form)

2010 Albert Renger-Patzsch (Wilhelm Fink).

Mit Spannung erwartet wird der Briefwechsel mit seinem Bruder Friedrich-Georg, der bereits von Klett-Cotta angekündigt ist, denn zu ihm hatte der Autor der Stahlgewitter wohl die engste Bindung überhaupt.

Der Band "Im Haus der Briefe – Autoren schreiben Ernst Jünger 1945-1991" enthält für die Kenner von Jüngers Werk keine Überraschungen. Er vermittelt dagegen einen guten und sozusagen repräsentativen Einblick in das Geschehen um den Autoren, den seine gesamte, acht Jahrzehnte währende Schaffenszeit die Vokabel des Umstrittenseins begleitete. So mag manch Interessierter staunen, wer nicht alles etwas von dem schon früh berühmten Autoren wollte. Von Helmuth Heißenbüttel ist die erste Kontaktaufnahme dokumentiert, der als junger Mann 1946 in Jüngers Büchern »eine fast unbegreifliche Bestätigung« fand, »eine Beruhigung, einen geheimen Sinn, einen Trost oder wie man es nennen will«. 1968 distanzierte sich der nun gereifte Heißenbüttel davon und schrieb in der Streitzeitschrift ein über die folgenden Jahrzehnte viel zitiertes Traktat gegen den einst Bewunderten.

Enthalten sind unter anderen Briefe von Ernst Niekisch, Erich Kuby, Friedrich Sieburg, Max Bense. Der 24jährige Sigfried Unseld, der später einflussreicher Suhrkamp-Verleger werden sollte, bedankt sich bei Jünger dafür, »dass Sie meinen Besuch, der ja einem Überfall gleichkam, so freundlich aufgenommen haben«. Weitere Briefe von Paul Celan, Heimito von Doderer, Golo Mann, Werner Heisenberg, Karl Jaspers, Dolf Sternberger und Hans Meyer und anderen.

geschrieben am 24.11.2010 | 525 Wörter | 3242 Zeichen

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