ISBN | 3832938826 | |
Autoren | Bernd Maelicke , Gabriele Kawamura-Reindl , Heinz Cornel | |
Verlag | Nomos | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 623 | |
Erscheinungsjahr | 2009 | |
Extras | - |
Das vorliegende Handbuch Resozialisierung erscheint in nunmehr dritter Auflage und gehört mit Sicherheit nicht auf den ersten Blick zur Standardliteratur für die Staatsexamina. Dennoch kann man sich eine berufliche Betätigung mit dem Strafrecht, die auch schon im universitären Schwerpunktbereich vorbereitet werden kann, nicht vorstellen, wenn man nicht alle Facetten des Strafrechts wenigstens einmal gestreift hat. Dazu gehört ohne Zweifel die Frage der Wiedereingliederung des Delinquenten gemäß den Strafzielen der deutschen Rechtsordnung. Auf knapp 620 Seiten fassen zahlreiche Wissenschaftler und Praktiker die aktuelle tatsächliche und rechtliche Lage zusammen und bieten dem Juristen einen (sozialwissenschaftlichen) Blick über den Tellerrand.
Die Gestaltung des Handbuchs ist, wie man das von einem kriminologisch dominierten Werk erwarten kann, eine gesunde Mischung aus Text und Visualisierungen. Dabei steht nicht die Anwendung auf Klausursachverhalte im Mittelpunkt, sondern der statistische Nachweis aufgeworfener Thesen und Hypothesen. Der Stil der Darstellung weicht in großen Teilen vom Typus des juristischen Lehrbuchs ab und wirkt oftmals eher erzählend oder beschreibend, was aber dem Verständnis für die Materie keinen Abbruch tut.
Der Leser wird zunächst begrifflich mit der Resozialisierung konfrontiert, wobei besonders die Abgrenzung zu anderen Begriffen lehrreich ist, ebenso die Zusammenfassung strafrechtlicher Sozialkontrolle. Ein erster Schwerpunkt ist der Resozialisierung Jugendlicher und Heranwachsender gewidmet, wobei die ambulanten Maßnahmen die Vielfalt zeigen, die möglich wäre, stünde genug Geld und Personal bereit. Für Referendare lehrreich ist die Erklärung der Jugendgerichtshilfe, trifft man doch typischerweise auf einen Vertreter derselben im Rahmen des staatsanwaltlichen Sitzungsdienstes. Auch die Thematisierung der Rechtsfolgen Jugendarrest und Jugendstrafe ist instruktiv. Im Folgekapitel werden Erwachsene als Gegenstand der Resozialisierung präsentiert, wobei die reformierte Führungsaufsicht kompakt abgebildet wird, die Bewährungshilfe aber viel genauer aufgearbeitet werden könnte. Eine gute Übersicht über sonstige Hilfsmittel geben aber der Unterabschnitt zu kommunalen Hilfen sowie die Passagen zu Zweck und Nutzen gemeinnütziger Arbeit. Gerade die Aspekte der Kooperation der beteiligten Institutionen sollten dem Leser die Komplexität des Ganzen vor Augen führen. Dass die Autoren auch kritische Äußerungen nicht unter den Tisch fallen lassen, ist meiner Ansicht nach ein Qualitätszeichen für das Buch: wenn man sich mit den in der Praxis Tätigen unterhält, wird man neben dem meistens nie versiegenden Willen für das Gute der Konzepte das tägliche Leid über Fehlentwicklungen und Desinteresse von übergeordneten, kostenfixierten Stellen hautnah mitbekommen. Verfahrensrechtlich interessant sind zudem die kleinen Kapitel zur Strafrestaussetzung.
Typisch kriminologisch wird der Leser im Weiteren mit besonderen Zielgruppen bei der Resozialisierung befasst, etwa mit Frauen, sehr schön zu lesen die Einsatzmöglichkeiten zum TOA, Drogenabhängigen, Migranten oder Arbeitslosen. Im Kapitel zu psychisch kranken Straftätern wird der Maßregelvollzug leider, wie so häufig, arg kurz abgespeist, wobei doch dort wie kaum sonst intensivtherapeutische Ansätze zur Geltung kommen. Dem TOA selbst ist, sogar unter Einbezug moderner Ansätze wie der Mediation, ein größerer Abschnitt vorbehalten und sogar rechtliche Spezialitäten wie das Gnadenrecht finden Einzug in die Ausführungen. Besondere Konstellationen im Jugendstrafverfahren werden sogar in einem zusätzlichen Kapitel aufgegriffen. Weitere, abrundende Kapitel, befassen den Leser mit dem Registerrecht, also vor allem den Entfernungen nach bestimmten Fristen, oder auch mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Das Schlusskapitel beschreibt den Konflikt zwischen den Zielen der Resozialisierung und der Behandlung von Kriminalität in den Medien.
Wer sich nicht nur mit den Grundlagen des Strafrechts befassen möchte, sondern einen Gesamtansatz des in Deutschland vorhandenen Systems zum Umgang mit Tätern (und Opfern) erhalten will, darf sich dieses Handbuch nicht entgehen lassen. Die Schwierigkeiten der Vereinigung von Theorie und Praxis, Recht und Realität, werden von den Autoren pragmatisch und auch plastisch dargeboten. Die Erkenntnisgewinne der Lektüre lassen sich vielleicht nicht unbedingt im Examen verwerten, aber die Herangehensweise an Strafverteidigung oder Fallbehandlung können erheblich divergieren, wenn man sich über die nach dem Urteil noch kommenden Folgen und Prozesse klar ist. Hierfür ist dieses Handbuch eine enorme Hilfe und ein vielschichtiger Wissensquell.
geschrieben am 26.01.2010 | 614 Wörter | 4139 Zeichen
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