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Undercover Hartz IV


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Informationen zum Buch
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  Extras

Rezension von

Frederik von Rosdorf

Undercover Hartz IV „Undercover Hartz IV – Insider berichten“ nennt sich ein neues Buch von Paulus Pinkepank. Als ich das Buch vor rund vier Wochen auf den Tisch bekam, um im Auftrag unserer Firma einen PR Artikel dafür zu verfassen, hielt sich meine Begeisterung für das Thema „Hartz IV“ in engen, rein beruflichen Grenzen. Mein Umfeld, wie ich selbst, ist „Hartz IV“ frei, will sagen, ich kenne persönlich keinen Arbeitslosen und habe keine Erfahrung mit eigener Arbeitslosigkeit. Insofern lag das Buch ziemlich weit ab von meinem Fokus und Interesse. Vor zwei Wochen fiel mir das Buch aus meiner Sporttasche entgegen, als ich gerade zum Skifahren in Verbier war. Also begann ich darin zu blättern und las mich schließlich wider Erwarten fest. So war mir aus der Presse und den Nachrichten der Name von Peter Hartz geläufig, aber natürlich nicht die Namen der übrigen Kommissionsmitglieder, die letztlich im Auftrag von Kanzler Gerhard Schröder 2002 das zusammenschrieben, was uns heute als Hartz IV bekannt ist. „Tatsächlich ging es jedoch von Beginn an darum, Mittel und Wege zu finden, die Kosten für Sozialhilfe und Langzeitarbeitslose dauerhaft deutlich zu senken. Das macht schon die einseitige Zusammensetzung der Kommission deutlich: neben Peter Hartz gehörten Norbert Bensel, Mitglied des Vorstandes der Daimler Chrysler Services AG, Jobst Fiedler, von der Roland Berger Unternehmensberatung, Heinz Fischer von der Deutsche Bank AG, Peter Kraljic, Direktor von McKinsey & Company, ebenfalls Unternehmensberatung, Klaus Luft, Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH, Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Eggert Voscherau, Mitglied des Vorstandes der BASF AG.“ schreibt Pinkepank, und überraschte mich mit dieser Information das erste Mal. „Verinnerlicht man sich die Zusammensetzung der Kommission, dann konnte es eigentlich keinen Zweifel am Ergebnis geben: heraus kam eine soziale Kahlschlagoffensive, die es überaus erfolgreich in nur wenigen Jahren vermochte, Deutschland in weiten Teilen zu prekarisierten, dem Niedriglohn und der Leiharbeit zum ausufernden Durchbruch zu verhelfen, Arbeitslose zu stigmatisieren und am Rand der Gesellschaft zu „entsorgen“.“ Das habe ich bisher so nie gesehen. Je weiter ich las, umso mehr erkannte ich, dass sich der Autor, Herr Pinkepank, einer ziemlich direkten Ausdrucksweise bedient, was ihn mir recht sympathisch macht. Ein Beispiel für viele: „Das Szenario des Schreckens und der Unfähigkeit, die Umsetzung der Pläne von McKinsey und Roland Berger, diesem Geschwür am Leib des überbordenden Kapitalismus, erfolgte in vier Stufen: Hartz I bis Hartz-IV.“ Darüber hinaus haben mich die, offenbar auf persönlicher Erfahrung beruhenden, in den Text eingestreuten persönlichen Statements zweier Arbeitsloser, einer Jobcenter-Sachbearbeiterin und eines Beschäftigungsträger-Geschäftsführers beeindruckt. Besonders gut konnte ich mich mit „Gerald Sauter“ identifizieren. Während der Lektüre kam mir zum ersten Mal in meinem Leben in den Sinn, dass Arbeitslosigkeit inzwischen auch sogenannte Leistungsträger, also gut ausgebildete bzw. studierte Führungskräfte „erwischen“ kann. Wie schnell nach 12 oder 18 Monaten Arbeitslosengeld in einem bestimmten Alter dann die hässliche Fratze namens „Hartz IV“ lauern kann, hat mich ehrlich gesagt überrascht und zugleich erschreckt. Während ich die Ausführungen Herrn Sauters las, begann ich erstmals in meinem Leben zu rechen, wie lange es bei mir noch hin ist, bevor ich zur Generation 50plus zählen werde, über deren spezifische Probleme in unserer hektischen Arbeitswelt ich mir bisher nie Gedanken machte. Pinkepank und seine Mitautoren haben es tatsächlich geschafft, mich für das bisher weit außerhalb meines Fokus liegende Thema Arbeitslosigkeit zu sensibilisieren. Gegraust haben mich die Passagen im Buch, in denen Pinkepank über die ganz realen Einschränkungen der persönlichen Freiheiten von Arbeitslosen im Zusammenhang mit der permanenten Anwesenheitspflicht, den Zwang zu jeglicher Tätigkeit, die Gängelung von Amts wegen und die vollständige Offenlegung aller persönlicher und finanzieller Verhältnisse schreibt. Hoch rechne ich dem Autor an, dass er an den jeweiligen Stellen, an denen es um die massiven Einschränkungen, oder gar Grundgesetzverletzungen durch die Hartz IV Gesetze und Verordnungen geht, stets mit sauber recherchierten Informationen zu entsprechenden Urteilen aufwartet, so dass Betroffene Informationen wie Argumentationshilfen an die Hand bekommen, um sich gegen einige geradezu skandalöse Auswüchse innerhalb der Hartz IV Bürokratie zur Wehr setzen zu können. Tief beeindruckt haben mich außerdem die „Anmerkungen zum Hartz IV Regelsatz. Ich muss gestehen, dass mich bisher die aktuelle Berichterstattung über fünf Euro rauf oder runter eher genervt haben. Nach der lebensnahen Schilderung, wie sich Betroffene von Sage und schreibe 135,62 Euro einen ganzen Monat lang ernähren müssen, bin ich mittlerweile dafür, eine höhere, an den realen Preisen orientierte Regelsatzerhöhung vorzunehmen. Von den bisher zugestandenen Beträgen kann sich NIEMAND gesund und ausgewogen ernähren. (Ich gebe im Monat knapp 400 Euro für Ernährung aus – schon wegen der Bioprodukte) Auch wenn ich jetzt nicht dafür plädiere, dass Arbeitslose ebenfalls 400 Euro fürs Essen brauchen; aber 136 Euro sind definitiv nicht genug. Wer’s nicht glaubt, der lese im Buch nach. Mich haben die Arbeitslosen, die den Beitrag geschrieben haben, jedenfalls überzeugt. Obwohl ich hoffe, niemals in die prekäre Lage eines Hartz IV Empfängers zu kommen, bin ich Herrn Pinkepank nebst Mitautoren für ihre klare, offene Kritik am System ebenso dankbar, wie für die zahlreichen Sachinformationen, von denen ich annehme, dass sie für Betroffene, also Hartz IV Empfänger, hilfreich und ausgesprochen informativ sind. Fazit: Ein gut lesbares Buch, das Klartext schreibt und spricht. Es macht eine tabuisierte Thematik sowohl für Betroffene wie für politisch Interessierte diskutierbar und verständlich. Allein dies ein großes Plus des Buches. Der Autor legt seine Finger recht treffsicher in einige tief eiternde Wunden im Zusammenhang mit einer aus dem Ruder gelaufenen Gesetzgebung und Entwicklung. Des Autoren Schlussfolgerung: „Bedingungsloses Grundeinkommen“ kann ich nach Beendigung der Lektüre des rundum lesenswerten Büchleins ohne wenn und aber nachvollziehen. Auch in diesem Punkt hat mich Pinkepank sensibilisiert und animiert, mich durch weitere Informationen zum Thema Grundeinkommen sachkundig zu machen. Gut fand ich die beigefügten Statistiken, die helfen, die komplexen Zahlen und Daten dank ihrer Visualisierung problemlos zu verstehen.

„Undercover Hartz IV – Insider berichten“ nennt sich ein neues Buch von Paulus Pinkepank.

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Als ich das Buch vor rund vier Wochen auf den Tisch bekam, um im Auftrag unserer Firma einen PR Artikel dafür zu verfassen, hielt sich meine Begeisterung für das Thema „Hartz IV“ in engen, rein beruflichen Grenzen. Mein Umfeld, wie ich selbst, ist „Hartz IV“ frei, will sagen, ich kenne persönlich keinen Arbeitslosen und habe keine Erfahrung mit eigener Arbeitslosigkeit. Insofern lag das Buch ziemlich weit ab von meinem Fokus und Interesse.

Vor zwei Wochen fiel mir das Buch aus meiner Sporttasche entgegen, als ich gerade zum Skifahren in Verbier war. Also begann ich darin zu blättern und las mich schließlich wider Erwarten fest.

So war mir aus der Presse und den Nachrichten der Name von Peter Hartz geläufig, aber natürlich nicht die Namen der übrigen Kommissionsmitglieder, die letztlich im Auftrag von Kanzler Gerhard Schröder 2002 das zusammenschrieben, was uns heute als Hartz IV bekannt ist.

„Tatsächlich ging es jedoch von Beginn an darum, Mittel und Wege zu finden, die Kosten für Sozialhilfe und Langzeitarbeitslose dauerhaft deutlich zu senken. Das macht schon die einseitige Zusammensetzung der Kommission deutlich: neben Peter Hartz gehörten Norbert Bensel, Mitglied des Vorstandes der Daimler Chrysler Services AG, Jobst Fiedler, von der Roland Berger Unternehmensberatung, Heinz Fischer von der Deutsche Bank AG, Peter Kraljic, Direktor von McKinsey & Company, ebenfalls Unternehmensberatung, Klaus Luft, Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH, Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Eggert Voscherau, Mitglied des Vorstandes der BASF AG.“ schreibt Pinkepank, und überraschte mich mit dieser Information das erste Mal.

„Verinnerlicht man sich die Zusammensetzung der Kommission, dann konnte es eigentlich keinen Zweifel am Ergebnis geben: heraus kam eine soziale Kahlschlagoffensive, die es überaus erfolgreich in nur wenigen Jahren vermochte, Deutschland in weiten Teilen zu prekarisierten, dem Niedriglohn und der Leiharbeit zum ausufernden Durchbruch zu verhelfen, Arbeitslose zu stigmatisieren und am Rand der Gesellschaft zu „entsorgen“.“ Das habe ich bisher so nie gesehen.

Je weiter ich las, umso mehr erkannte ich, dass sich der Autor, Herr Pinkepank, einer ziemlich direkten Ausdrucksweise bedient, was ihn mir recht sympathisch macht. Ein Beispiel für viele:

„Das Szenario des Schreckens und der Unfähigkeit, die Umsetzung der Pläne von McKinsey und Roland Berger, diesem Geschwür am Leib des überbordenden Kapitalismus, erfolgte in vier Stufen: Hartz I bis Hartz-IV.“

Darüber hinaus haben mich die, offenbar auf persönlicher Erfahrung beruhenden, in den Text eingestreuten persönlichen Statements zweier Arbeitsloser, einer Jobcenter-Sachbearbeiterin und eines Beschäftigungsträger-Geschäftsführers beeindruckt.

Besonders gut konnte ich mich mit „Gerald Sauter“ identifizieren. Während der Lektüre kam mir zum ersten Mal in meinem Leben in den Sinn, dass Arbeitslosigkeit inzwischen auch sogenannte Leistungsträger, also gut ausgebildete bzw. studierte Führungskräfte „erwischen“ kann. Wie schnell nach 12 oder 18 Monaten Arbeitslosengeld in einem bestimmten Alter dann die hässliche Fratze namens „Hartz IV“ lauern kann, hat mich ehrlich gesagt überrascht und zugleich erschreckt. Während ich die Ausführungen Herrn Sauters las, begann ich erstmals in meinem Leben zu rechen, wie lange es bei mir noch hin ist, bevor ich zur Generation 50plus zählen werde, über deren spezifische Probleme in unserer hektischen Arbeitswelt ich mir bisher nie Gedanken machte.

Pinkepank und seine Mitautoren haben es tatsächlich geschafft, mich für das bisher weit außerhalb meines Fokus liegende Thema Arbeitslosigkeit zu sensibilisieren. Gegraust haben mich die Passagen im Buch, in denen Pinkepank über die ganz realen Einschränkungen der persönlichen Freiheiten von Arbeitslosen im Zusammenhang mit der permanenten Anwesenheitspflicht, den Zwang zu jeglicher Tätigkeit, die Gängelung von Amts wegen und die vollständige Offenlegung aller persönlicher und finanzieller Verhältnisse schreibt.

Hoch rechne ich dem Autor an, dass er an den jeweiligen Stellen, an denen es um die massiven Einschränkungen, oder gar Grundgesetzverletzungen durch die Hartz IV Gesetze und Verordnungen geht, stets mit sauber recherchierten Informationen zu entsprechenden Urteilen aufwartet, so dass Betroffene Informationen wie Argumentationshilfen an die Hand bekommen, um sich gegen einige geradezu skandalöse Auswüchse innerhalb der Hartz IV Bürokratie zur Wehr setzen zu können.

Tief beeindruckt haben mich außerdem die „Anmerkungen zum Hartz IV Regelsatz. Ich muss gestehen, dass mich bisher die aktuelle Berichterstattung über fünf Euro rauf oder runter eher genervt haben. Nach der lebensnahen Schilderung, wie sich Betroffene von Sage und schreibe 135,62 Euro einen ganzen Monat lang ernähren müssen, bin ich mittlerweile dafür, eine höhere, an den realen Preisen orientierte Regelsatzerhöhung vorzunehmen. Von den bisher zugestandenen Beträgen kann sich NIEMAND gesund und ausgewogen ernähren. (Ich gebe im Monat knapp 400 Euro für Ernährung aus – schon wegen der Bioprodukte) Auch wenn ich jetzt nicht dafür plädiere, dass Arbeitslose ebenfalls 400 Euro fürs Essen brauchen; aber 136 Euro sind definitiv nicht genug. Wer’s nicht glaubt, der lese im Buch nach. Mich haben die Arbeitslosen, die den Beitrag geschrieben haben, jedenfalls überzeugt.

Obwohl ich hoffe, niemals in die prekäre Lage eines Hartz IV Empfängers zu kommen, bin ich Herrn Pinkepank nebst Mitautoren für ihre klare, offene Kritik am System ebenso dankbar, wie für die zahlreichen Sachinformationen, von denen ich annehme, dass sie für Betroffene, also Hartz IV Empfänger, hilfreich und ausgesprochen informativ sind.

Fazit: Ein gut lesbares Buch, das Klartext schreibt und spricht. Es macht eine tabuisierte Thematik sowohl für Betroffene wie für politisch Interessierte diskutierbar und verständlich. Allein dies ein großes Plus des Buches. Der Autor legt seine Finger recht treffsicher in einige tief eiternde Wunden im Zusammenhang mit einer aus dem Ruder gelaufenen Gesetzgebung und Entwicklung. Des Autoren Schlussfolgerung: „Bedingungsloses Grundeinkommen“ kann ich nach Beendigung der Lektüre des rundum lesenswerten Büchleins ohne wenn und aber nachvollziehen. Auch in diesem Punkt hat mich Pinkepank sensibilisiert und animiert, mich durch weitere Informationen zum Thema Grundeinkommen sachkundig zu machen.

Gut fand ich die beigefügten Statistiken, die helfen, die komplexen Zahlen und Daten dank ihrer Visualisierung problemlos zu verstehen.

geschrieben am 01.02.2011 | 949 Wörter | 5742 Zeichen

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