Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Von Rauschzeit zu Rauschzeit


Statistiken
  • 7990 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Kristina Scherer

Von Rauschzeit zu Rauschzeit Für den vorliegenden Bildband begleitete der renommierte Wildtierfotograf Erich Marek vier Jahre lang eine Rotte Schwarzwild mit seiner Fotoausrüstung. Als Ergebnis präsentiert er uns nun die heimischen Wildschweine von ihrer schönsten Seite. Über 230 teils ganzseitige, atmosphärische Farbaufnahmen dokumentieren den Lebenswandel dieser beeindruckenden Tiere über die Jahreszeiten hinweg. Wir begeben uns mit dem Schwarzwild auf Futtersuche, spazieren mit ihnen entlang vereister Landschaften und bewundern zusammen mit den stolzen Müttern die sorgfältig behüteten Nachkommen. Hin und wieder lassen sich auch einige andere Waldbewohner im hiesigen Schwarzwildrevier blicken. In einer Welt, die von der ungebändigten Natur regiert wird, erleben wir stille, bezaubernde und atemberaubende Momente. Die einfühlsamen Aufnahmen der liebenswerten Schwarzkittel erfüllen nahezu alle Regeln der dynamischen Fotografie. Als weniger einfühlsam erweisen sich allerdings die Zeilen aus der Feder von Bernd Krewer, welche die Impressionen begleiten. Sie sind jagdverherrlichend und grausam. Begeistert schwelgt Krewer in blutigen Jagd- Erinnerungen, erläutert genüsslich Jagd- Arten sowie Jäger- Rituale und kommt schließlich auch auf die Qual des Henkers zu sprechen („Und dann sitzen die Schüsse eben häufig nicht dort, wo die Jäger sie eigentlich hinhaben wollten“). Die Texte statten uns zwar mit vielen wissenswerten Informationen über Biologie und Gewohnheiten von Wildschweinen aus, bleiben jedoch durchgehend von einem brutalen Sozialdarwinismus gefärbt, wenn sie auch zunächst fast lustig klingen mögen („Nichts ist leichter als im Sommer seine Überläufer drastisch zu reduzieren und hier liegt auch die Ursache dafür, dass es so wenig wirklich alte Keiler ... gibt. Wer als Jugendlicher stirbt, kann nicht mehr ins Rentenalter kommen, das ist nun einmal so.“). Fotografien wiederum werden mit Kommentaren wie „Schwein gehabt: mein nicht besetzter Drückjagdstand“ oder „...noch im selben Jahr liegt er nach einer Jagd auf der Strecke“ versehen. Man fragt sich letztendlich, was das für ein Mensch sein muss, dem zu einer wunderschönen Foto- Serie von winzigen Frischlingen und ihren Müttern einfällt, dass auch er darum bemüht ist, möglichst viele kleine Wildschweine noch vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres zu töten. In dem Kapitel „Frischlinge“ wird außerdem geschildert, dass mancherorts „Herodesprämien“ gezahlt werden, um die Bereitschaft der Jäger zu steigern, möglichst viele solcher „Kartoffelkäfer“ zu erlegen. Als weitere Möglichkeit zur Dezimierung des Frischlingsbestandes wird das Aufstellen von speziellen Fallen erwähnt, in denen Frischlinge lebend gefangen und danach getötet werden. Was nützt das Kindchen- Schema der Natur, wenn es den Menschen nicht vom Töten abschreckt? Der Betrachter dieser außergewöhnlich lebendigen Aufnahmen würde sich jedenfalls besser fühlen, wenn er wüsste, dass die für diesen Bildband abgelichteten Tiere noch alle am Leben wären. Bernd Krewer betont die Notwendigkeit der Jagd und begründet diese immer wieder mit den steigenden Schwarzwildpopulationen. Tatsächlich sieht es so aus, dass die Jäger selbst die überhöhten Wildbestände zu verantworten haben, was der Jagdbuchautor offen zugibt („Wird eine solche Leitbache erlegt, dann bricht die Rottenstruktur auseinander mit der Folge, dass es kein synchrones Rauschen ... mehr geben wird. In solchen desolaten Strukturen erleben wir es dann, dass rund ums Jahr gerauscht und gefrischt wird. Und da unsere milden Winter, verbunden mit der „Sozialhilfe für Sauen“ (Mais) durch die Jäger rund ums Jahr, fast jeden noch so schwachen Frischling am Leben erhalten und nicht etwa herausselektieren, wird das Ganze dann zwangsläufig zu einem Schweine- Chaos.“). Die gezielte Fütterung der Tiere und die durch Bejagung zerstörten Sozialstrukturen sorgen also für die extrem hohen Schwarzwildbestände. Wie in vielen biologischen Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, würden sich die Bestände wildlebender Tiere unter anderem auch durch soziale Auslesemechanismen ohne das Zutun von Hobbyjägern selbständig regeln, was die Jagd als überflüssig erscheinen lässt. Bachen in jagdfreien Gebieten bekommen in der Regel nur ein Mal pro Jahr Nachwuchs, um die Populationsdichte nicht unnötig zu strapazieren. \"Geburtenkontrolle statt Massenelend\" nannten namhafte Forscher dieses Phänomen. Wo Schwarzwild jedoch gnadenlos verfolgt wird, steigt die Anzahl trächtiger Wildschweinedamen meist drastisch an, wodurch die Verluste rasch wieder ausgeglichen werden. Wenn man einen Blick auf großflächig jagdfreie Gebiete wirft, wird man rasch feststellen, dass sich die Tierpopulationen dort keineswegs in Ungleichgewicht befinden. Im Gegenteil: Die Populationen erscheint sehr viel stabiler und die Artenvielfalt ist größer als in Arealen, in denen gejagt wird. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei Tieren, die wir so arrogant und ignorant als \"jagdbar\" bezeichnen, um lebende, denkende sowie fühlende Individuen mit einem Interesse an Leben und Unversehrtheit handelt. Die Zeiten, in denen der Mensch Tiere jagte, um selbst überleben zu können, sind längst vorbei. Heute repräsentiert die Jagd nichts anderes als einen blutigen Zeitvertreib, den der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als einen „besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf“ bezeichnete. Die Jagd hat eine jahrhundertealte Tradition- eine Tradition voller Blutvergießen, Brutalität und sinnloser Qual. Denn der Krieg der Jäger gegen die Tiere ist leider noch weit barbarischer, als der Durchschnittsbürger ursprünglich annimmt. Schrotladungen lassen Hasen vor Schmerz aufschreien wie Kinder, „Expansionsgeschosse“ zerfetzen Rehen und Wildschweinen die Innerein, damit sie für die Nachsuche Spuren hinterlassen und Fallen bereiten Füchsen und Mardern einen elenden Todeskampf. Andere traditionsreiche, aber ethisch fragwürdige Praktiken wie Hexenverbrennungen oder Sklaverei wurden längst als anachronistisch erkannt und von der modernen Gesellschaft verbannt. Wie die Geschichte zeigt, muss manchmal mit überholten Traditionen gebrochen werden, wenn sie ethisch-moralischem Fortschritt so wie hier im Weg stehen. Bernd Krewer sollte bei seinen zukünftigen Waldbesuchen sein Gewehr zu Hause lassen und sich in seiner Freizeit lieber der Schriftstellerei widmen, denn er besitzt durchaus gesellschaftskritisches Potential und Talent. Dieser Bildband muss sehr differenziert betrachtet werden. Mit dem Kauf dieses Werkes stellt man sich ein Stück Natur, Besinnlichkeit und Lebendigkeit, aber ebenfalls ein Stück Skrupellosigkeit und Brutalität ins Bücherregal.

Für den vorliegenden Bildband begleitete der renommierte Wildtierfotograf Erich Marek vier Jahre lang eine Rotte Schwarzwild mit seiner Fotoausrüstung. Als Ergebnis präsentiert er uns nun die heimischen Wildschweine von ihrer schönsten Seite. Über 230 teils ganzseitige, atmosphärische Farbaufnahmen dokumentieren den Lebenswandel dieser beeindruckenden Tiere über die Jahreszeiten hinweg. Wir begeben uns mit dem Schwarzwild auf Futtersuche, spazieren mit ihnen entlang vereister Landschaften und bewundern zusammen mit den stolzen Müttern die sorgfältig behüteten Nachkommen. Hin und wieder lassen sich auch einige andere Waldbewohner im hiesigen Schwarzwildrevier blicken. In einer Welt, die von der ungebändigten Natur regiert wird, erleben wir stille, bezaubernde und atemberaubende Momente. Die einfühlsamen Aufnahmen der liebenswerten Schwarzkittel erfüllen nahezu alle Regeln der dynamischen Fotografie.

weitere Rezensionen von Kristina Scherer


Als weniger einfühlsam erweisen sich allerdings die Zeilen aus der Feder von Bernd Krewer, welche die Impressionen begleiten. Sie sind jagdverherrlichend und grausam. Begeistert schwelgt Krewer in blutigen Jagd- Erinnerungen, erläutert genüsslich Jagd- Arten sowie Jäger- Rituale und kommt schließlich auch auf die Qual des Henkers zu sprechen („Und dann sitzen die Schüsse eben häufig nicht dort, wo die Jäger sie eigentlich hinhaben wollten“). Die Texte statten uns zwar mit vielen wissenswerten Informationen über Biologie und Gewohnheiten von Wildschweinen aus, bleiben jedoch durchgehend von einem brutalen Sozialdarwinismus gefärbt, wenn sie auch zunächst fast lustig klingen mögen („Nichts ist leichter als im Sommer seine Überläufer drastisch zu reduzieren und hier liegt auch die Ursache dafür, dass es so wenig wirklich alte Keiler ... gibt. Wer als Jugendlicher stirbt, kann nicht mehr ins Rentenalter kommen, das ist nun einmal so.“). Fotografien wiederum werden mit Kommentaren wie „Schwein gehabt: mein nicht besetzter Drückjagdstand“ oder „...noch im selben Jahr liegt er nach einer Jagd auf der Strecke“ versehen.

Man fragt sich letztendlich, was das für ein Mensch sein muss, dem zu einer wunderschönen Foto- Serie von winzigen Frischlingen und ihren Müttern einfällt, dass auch er darum bemüht ist, möglichst viele kleine Wildschweine noch vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres zu töten. In dem Kapitel „Frischlinge“ wird außerdem geschildert, dass mancherorts „Herodesprämien“ gezahlt werden, um die Bereitschaft der Jäger zu steigern, möglichst viele solcher „Kartoffelkäfer“ zu erlegen. Als weitere Möglichkeit zur Dezimierung des Frischlingsbestandes wird das Aufstellen von speziellen Fallen erwähnt, in denen Frischlinge lebend gefangen und danach getötet werden. Was nützt das Kindchen- Schema der Natur, wenn es den Menschen nicht vom Töten abschreckt?

Der Betrachter dieser außergewöhnlich lebendigen Aufnahmen würde sich jedenfalls besser fühlen, wenn er wüsste, dass die für diesen Bildband abgelichteten Tiere noch alle am Leben wären.

Bernd Krewer betont die Notwendigkeit der Jagd und begründet diese immer wieder mit den steigenden Schwarzwildpopulationen. Tatsächlich sieht es so aus, dass die Jäger selbst die überhöhten Wildbestände zu verantworten haben, was der Jagdbuchautor offen zugibt („Wird eine solche Leitbache erlegt, dann bricht die Rottenstruktur auseinander mit der Folge, dass es kein synchrones Rauschen ... mehr geben wird. In solchen desolaten Strukturen erleben wir es dann, dass rund ums Jahr gerauscht und gefrischt wird. Und da unsere milden Winter, verbunden mit der „Sozialhilfe für Sauen“ (Mais) durch die Jäger rund ums Jahr, fast jeden noch so schwachen Frischling am Leben erhalten und nicht etwa herausselektieren, wird das Ganze dann zwangsläufig zu einem Schweine- Chaos.“). Die gezielte Fütterung der Tiere und die durch Bejagung zerstörten Sozialstrukturen sorgen also für die extrem hohen Schwarzwildbestände. Wie in vielen biologischen Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, würden sich die Bestände wildlebender Tiere unter anderem auch durch soziale Auslesemechanismen ohne das Zutun von Hobbyjägern selbständig regeln, was die Jagd als überflüssig erscheinen lässt. Bachen in jagdfreien Gebieten bekommen in der Regel nur ein Mal pro Jahr Nachwuchs, um die Populationsdichte nicht unnötig zu strapazieren. \"Geburtenkontrolle statt Massenelend\" nannten namhafte Forscher dieses Phänomen. Wo Schwarzwild jedoch gnadenlos verfolgt wird, steigt die Anzahl trächtiger Wildschweinedamen meist drastisch an, wodurch die Verluste rasch wieder ausgeglichen werden. Wenn man einen Blick auf großflächig jagdfreie Gebiete wirft, wird man rasch feststellen, dass sich die Tierpopulationen dort keineswegs in Ungleichgewicht befinden. Im Gegenteil: Die Populationen erscheint sehr viel stabiler und die Artenvielfalt ist größer als in Arealen, in denen gejagt wird. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei Tieren, die wir so arrogant und ignorant als \"jagdbar\" bezeichnen, um lebende, denkende sowie fühlende Individuen mit einem Interesse an Leben und Unversehrtheit handelt.

Die Zeiten, in denen der Mensch Tiere jagte, um selbst überleben zu können, sind

längst vorbei. Heute repräsentiert die Jagd nichts anderes als einen blutigen Zeitvertreib, den der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als einen „besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf“ bezeichnete.

Die Jagd hat eine jahrhundertealte Tradition- eine Tradition voller Blutvergießen, Brutalität und sinnloser Qual. Denn der Krieg der Jäger gegen die Tiere ist leider noch weit barbarischer, als der Durchschnittsbürger ursprünglich annimmt. Schrotladungen lassen Hasen vor Schmerz aufschreien wie Kinder, „Expansionsgeschosse“ zerfetzen Rehen und Wildschweinen die Innerein, damit sie für die Nachsuche Spuren hinterlassen und Fallen bereiten Füchsen und Mardern einen elenden Todeskampf. Andere traditionsreiche, aber ethisch fragwürdige Praktiken wie Hexenverbrennungen oder Sklaverei wurden längst als anachronistisch erkannt und von der modernen Gesellschaft verbannt. Wie die Geschichte zeigt, muss manchmal mit überholten Traditionen gebrochen werden, wenn sie ethisch-moralischem Fortschritt so wie hier im Weg stehen.

Bernd Krewer sollte bei seinen zukünftigen Waldbesuchen sein Gewehr zu Hause lassen und sich in seiner Freizeit lieber der Schriftstellerei widmen, denn er besitzt durchaus gesellschaftskritisches Potential und Talent.

Dieser Bildband muss sehr differenziert betrachtet werden. Mit dem Kauf dieses Werkes stellt man sich ein Stück Natur, Besinnlichkeit und Lebendigkeit, aber ebenfalls ein Stück Skrupellosigkeit und Brutalität ins Bücherregal.

geschrieben am 27.08.2004 | 907 Wörter | 5736 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen