Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Mord im Circus Maximus


Statistiken
  • 12632 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Andrea Schütze

Mord im Circus Maximus Cay Rademachers Kriminalroman „Mord im Circus Maximus“ bewegt sich zeitlich im letzten Regierungsjahr des dritten flavischen Herrschers, Domitian, bis zu dessen Ermordung im September 96 n. Chr. Im Zentrum des Geschehens steht der römische Dichter Juvenal, der durch die Macht des Schicksals nicht nur aus der Welt verwöhnter und devoter Höflinge in den tiefsten Sumpf römischer Armutsviertel hinauskatapultiert wird, sondern darüber hinaus gejagt, gehetzt und verliebt bis ins Heilige Land gelangt, um verarmt und seiner alten Welt verlustig, nach Rom zurückzukehren. Es ist ein weiter und bunter Bogen, den Rademacher spannt. Den Auftakt bildet das bei Cassius Dio überlieferte surreale Totenmahl Domitians, gepaart mit Suetons Anekdote vom Fliegentöter Domitian. Rademacher nimmt dieses Ereignis zum Anlass daraus das Bild einer dekadenten, in ihrem übersteigerten Luxus übersättigten und gelangweilten römischen Oberschicht zu zeichnen: Domitian, der sich an der Angst seiner Gäste weidet und sich im schrittweisen Töten eines kleinen Insekts ergeht, erscheint in gleicher Weise dekadent und verweichlicht wie der Dichter Juvenal, der sich – trotz militärischer Erfahrung – beim Erleben dieser „Gruftparty“ in eine geradezu hysterische Panik mit zitternden Knien und Schweißausbrüchen hineinsteigert. Ein weiteres Schlaglicht wirft Rademacher auf den tobenden Mob in der Arena während der Wagenrennen. Auch hier tritt dem Leser ein Bild der Dekadenz aus Gewalt und Sex vor Augen. Domitian hingegen, der zu Beginn der Erzählung dem Leser greifbar nahe herangerückt worden war, wird nun in unerreichbar schemenhafte, unnahbare Ferne versetzt, aus der heraus er nur schwer erkennbar und undurchsichtig zu agieren scheint. Rademacher hat damit nicht nur eine Vorstellung von dem römischen System des SPQR (Senat und Volk von Rom) gegeben, zu dem in der römischen Kaiserzeit auch der Kaiser gehört, sondern damit auch gleichzeitig die Beziehungen des Kaisers zu den jeweiligen Schichten beleuchtet: Die Nähe und gefürchtete Macht Domitians gegenüber den Senatoren auf der einen Seite und andererseits die unerreichbare Distanz und die auf kaiserliche Freigiebigkeit basierende Begeisterung der Bevölkerung für ihn. Noch am Circus Maximus stolpert Juvenal über einen sterbenden Juden, der in seinen blutverschmierten Händen einen kaum mehr lesbaren Papyrus-Rest hält. Bei der Leiche trifft er auf den Unterschichtler und Beutelschneider Archigenes - fortan sein Begleiter und Lebensretter - ohne den Juvenal außerhalb des nobilitären Treibhauses zunächst kaum lebensfähig erscheint. Zusammengeschweißt wird dieses ungleiche Paar durch die Schlägertruppe des ehemaligen Gladiators Cilix, der irgendwie und sehr undurchsichtig im Auftrag Domitians handelt und vom Zeitpunkt dieses Zusammentreffens die Verfolgung und Jagd nach Juvenal aufnimmt. Ein Rückkehrversuch Juvenals in seine alte Welt scheitert. Dem Leser wird nur so viel eröffnet, dass hier offenbar eine sehr mächtige und gefährliche Gestalt, der Kaiser selbst, die Fäden in einer lebensbedrohenden Intrige gegen Juvenal zu ziehen scheint. Juvenal bleibt daher nichts anderes übrig, als Archigenes in seine Welt zu folgen. Was für eine Welt - voll Armut und Elend, Gewalt und Härte, aber auch des Glaubens. Der reiche Juvenal, der an nichts mehr glaubt, auch nicht an den verordneten Staatskult und die Verehrung seines Kaisers als „dominus et deus“, erlebt in Archigenes einen treuen Anhänger nicht des für einen Sklaven erwarteten Christentums, sondern des Mithras-Kultes, der zu dieser Zeit - gleich weiteren orientalischen Kulten - in Konkurrenz zum aufkeimenden Christentum steht. Beide versuchen sie nun den Fall zu lösen. Dabei machen sie weitere Bekanntschaften: Einmal mit dem alten Essener Mardochai und dessen schöner Begleiterin Rebecca, in die sich Juvenal unglücklich verliebt. Doch Rebeccas Herz gehört einem anderen, dem Essener Johannes aus Jerusalem, der dem Leser weiterhin als ständig gesuchtes Phantom begegnet. In Konkurrenz zu den jüdischen Essenern treten der mächtige und zum Christentum bekehrte Flavius Clemens, der Vetter Domitians, und dessen eifernder Gehilfe Marcion. Sie alle stehen in undurchsichtiger Verbindung zum Toten am Circus Maximus und dem rätselhaften Papyrus-Rest. Die weitere Handlung gestaltet sich durch die Verfolgungsjagd des Cilix und die Suche nach einem verschollenen Papyrus aus der zerstörten Bibliothek von Mesad Chasidim, einem Zentrum der Essener am Toten Meer, das die römischen Truppen im Jüdischen Krieg zerstört hatten. Die Suche bzw. Jagd führt die Protagonisten schließlich hinaus aus Rom; zunächst hinab in die Ruinen des untergegangenen Pompeji, dann auf das Schiff des tollkühnen Kapitäns Nigidius und schließlich ins Heilige Land, wo sich nach einem Abstecher in Jerusalem am Toten Meer in den Ruinen und Höhlen von Mesad Chasidim der letzte Akt ereignet. Hier treffen alle Gestalten zusammen: Jäger und Gejagte, Suchende und Gesuchter. Johannes erweist sich als Schlüsselfigur für den Mordfall, der gegenüber den wahren Gründen und Motiven an Bedeutung verliert. Der gefundene Gesuchte zeigt sich nicht nur in den Mordfall verstrickt, sondern entpuppt sich nebenbei als unentdeckt konvertierter Christ, der den Neronischen Brand von Rom zu verantworten hatte und wird – das lässt Rademacher durchblicken – auch der zukünftige Evangelist Johannes und Verfasser der Apokalypse sein. Diese wissenschaftlich unhaltbare Phantasie (in einem im Übrigen gut recherchierten Roman) mag neben anderen historischen Unrichtigkeiten nicht recht gefallen. Im Rahmen von Rademachers ansonsten wirklich grandioser Fähigkeit zu beschreiben, fällt auf, dass die Charaktere stereotyp und farblos erscheinen. Es sei hier nicht allein auf die auffallende Floskel des „Grinsens“ hingewiesen, das fast die gesamte Kommunikation der Figuren zu dominieren scheint und die Frage abnötigt, ob es nicht auch noch weitere denkbare Nuancierungen geben könnte, sondern auch die Persönlichkeitsstrukturen bleiben irgendwie an der Oberfläche und platt. Domitian beispielsweise erscheint genauso farblos sadistisch, wie Flavius Clemens, dessen Christlichkeit man nicht ganz abnehmen möchte und dessen noch unglaublicherer vorgetäuschter Tod (zum Erhalt als Handlungsfigur offensichtlich erforderlich) im krassen Widerspruch zur historischen Realität. Gleich verhält es sich bei Rebecca, die sich in Liebe zu Johannes verzehren soll und bereit wäre ihm überallhin zu folgen, die aber nie auch nur die Tiefe echter, liebender Leidenschaft erspüren lässt. Einzig gelungen erscheint Nigidius, der als durchaus witzige Figur charakterisiert wird. Doch würde der Witz in gleicher, wenn nicht in besserer Weise, erhalten bleiben, würde der Autor ihn nicht auch zum karikaturistischen Gnom zusammenschrumpfen. Die Art und Weise wie der Autor Habitus und Stimme des Nigidius zusammenführt, fallen unangenehm auf. Das kann auch gesagt werden von der (allein!) literarischen These, der spätere Evangelist Johannes, der zugleich auch Jude und Christ war, sei nicht nur ein Mörder, sondern - in Konsequenz der Anlastung Rademachers als eigentlicher Urheber des Brandes von Rom und der sich anschließenden Christenverfolgung unter Nero - auch eine Art Massenmörder gewesen. Das sind Dinge, die dem Leser schon fast unerträglich unangenehm auffallen. Da mögen weitere historische Unrichtigkeiten und zu leichtgläubige Quellenrezeption, die sich auch bisweilen finden, unerwähnt bleiben. Das Ende des Romans hält nicht, was der Anfang verspricht. Vielmehr erscheint der Schluß - ohne die feine Ausarbeitung des Anfangs – zu eindeutig und durchsichtig konstruiert. Ein Kritikpunkt, der den gesamten zweiten Teil der Geschichte betrifft, der von einer endlosen und auch den Leser schon ermüdenden (weil ewig gleichen) Jagd durch das Imperium bestimmt wird. Dies fällt umso deutlicher ins Auge, als der Autor an anderer Stelle durchaus in seiner Erzählleistung zu brillieren weiß. Grandios eröffnet Rademacher dem Leser die beklemmende Atmosphäre der Intrige der Macht, wie sich das Unheil in der Gestalt Domitians um den Dichter zusammenbraut. Hervorragend versteht Rademacher dem Leser das Klick-Klack-System der Günstlinge am Hof Domitians vor Augen zu führen, die von Juvenal bereits in dem Zeitpunkt abrücken, als auch nur der Anschein eines kaiserlichen Gunstverlustes zu drohen scheint. Ein faszinierender Erzählstrang, den Rademacher leider nicht konsequent bis zum Ende durchgehalten hat. Dennoch: In geradezu überragender Weise versteht er es Situationen und Stimmungen einzufangen, was ihm bei den Charakteren leider nicht gelingt. Die nächtliche Gruftparty im Palast Domitians, das bunte Treiben auf den Straßen und Märkten Roms, der Ausnahmezustand in Circus und Arena, der unbeschreibliche und nahezu erfahrbare Schmutz und Gestank in den Armenvierteln Roms, die unheimliche Totenstimmung im verschütteten Pompeji gehören in gleicher Weise zu einer faszinierenden Erzählleistung Rademachers, wie der tosende Sturm auf dem Mittelmeer und das Heilige Land. Rademacher gelingt es, in allen diesen Bereichen nicht nur ein sehr gut recherchiertes Bild wiederzugeben, sondern er versteht es auch dem Leser diese Welt sichtbar, erlebbar, erfahrbar bis hin zum sinnlich Wahrnehmbaren vorzustellen. Es ist ihm hier wirklich gelungen antikes Leben erneut zum Leben zu erwecken. Nicht seiner Handlung und Gestalten wegen, sondern wegen des prächtigen Bildes von antiker Realität und Mentalität verdient es dieses Buch gelesen zu werden.

Cay Rademachers Kriminalroman „Mord im Circus Maximus“ bewegt sich zeitlich im letzten Regierungsjahr des dritten flavischen Herrschers, Domitian, bis zu dessen Ermordung im September 96 n. Chr.

weitere Rezensionen von Andrea Schütze

#
rezensiert seit
Buchtitel
2
05.01.2010
3
05.01.2010
4
12.12.2009
5
12.12.2009

Im Zentrum des Geschehens steht der römische Dichter Juvenal, der durch die Macht des Schicksals nicht nur aus der Welt verwöhnter und devoter Höflinge in den tiefsten Sumpf römischer Armutsviertel hinauskatapultiert wird, sondern darüber hinaus gejagt, gehetzt und verliebt bis ins Heilige Land gelangt, um verarmt und seiner alten Welt verlustig, nach Rom zurückzukehren. Es ist ein weiter und bunter Bogen, den Rademacher spannt.

Den Auftakt bildet das bei Cassius Dio überlieferte surreale Totenmahl Domitians, gepaart mit Suetons Anekdote vom Fliegentöter Domitian. Rademacher nimmt dieses Ereignis zum Anlass daraus das Bild einer dekadenten, in ihrem übersteigerten Luxus übersättigten und gelangweilten römischen Oberschicht zu zeichnen: Domitian, der sich an der Angst seiner Gäste weidet und sich im schrittweisen Töten eines kleinen Insekts ergeht, erscheint in gleicher Weise dekadent und verweichlicht wie der Dichter Juvenal, der sich – trotz militärischer Erfahrung – beim Erleben dieser „Gruftparty“ in eine geradezu hysterische Panik mit zitternden Knien und Schweißausbrüchen hineinsteigert.

Ein weiteres Schlaglicht wirft Rademacher auf den tobenden Mob in der Arena während der Wagenrennen. Auch hier tritt dem Leser ein Bild der Dekadenz aus Gewalt und Sex vor Augen. Domitian hingegen, der zu Beginn der Erzählung dem Leser greifbar nahe herangerückt worden war, wird nun in unerreichbar schemenhafte, unnahbare Ferne versetzt, aus der heraus er nur schwer erkennbar und undurchsichtig zu agieren scheint.

Rademacher hat damit nicht nur eine Vorstellung von dem römischen System des SPQR (Senat und Volk von Rom) gegeben, zu dem in der römischen Kaiserzeit auch der Kaiser gehört, sondern damit auch gleichzeitig die Beziehungen des Kaisers zu den jeweiligen Schichten beleuchtet: Die Nähe und gefürchtete Macht Domitians gegenüber den Senatoren auf der einen Seite und andererseits die unerreichbare Distanz und die auf kaiserliche Freigiebigkeit basierende Begeisterung der Bevölkerung für ihn.

Noch am Circus Maximus stolpert Juvenal über einen sterbenden Juden, der in seinen blutverschmierten Händen einen kaum mehr lesbaren Papyrus-Rest hält. Bei der Leiche trifft er auf den Unterschichtler und Beutelschneider Archigenes - fortan sein Begleiter und Lebensretter - ohne den Juvenal außerhalb des nobilitären Treibhauses zunächst kaum lebensfähig erscheint. Zusammengeschweißt wird dieses ungleiche Paar durch die Schlägertruppe des ehemaligen Gladiators Cilix, der irgendwie und sehr undurchsichtig im Auftrag Domitians handelt und vom Zeitpunkt dieses Zusammentreffens die Verfolgung und Jagd nach Juvenal aufnimmt.

Ein Rückkehrversuch Juvenals in seine alte Welt scheitert. Dem Leser wird nur so viel eröffnet, dass hier offenbar eine sehr mächtige und gefährliche Gestalt, der Kaiser selbst, die Fäden in einer lebensbedrohenden Intrige gegen Juvenal zu ziehen scheint. Juvenal bleibt daher nichts anderes übrig, als Archigenes in seine Welt zu folgen.

Was für eine Welt - voll Armut und Elend, Gewalt und Härte, aber auch des Glaubens. Der reiche Juvenal, der an nichts mehr glaubt, auch nicht an den verordneten Staatskult und die Verehrung seines Kaisers als „dominus et deus“, erlebt in Archigenes einen treuen Anhänger nicht des für einen Sklaven erwarteten Christentums, sondern des Mithras-Kultes, der zu dieser Zeit - gleich weiteren orientalischen Kulten - in Konkurrenz zum aufkeimenden Christentum steht.

Beide versuchen sie nun den Fall zu lösen. Dabei machen sie weitere Bekanntschaften: Einmal mit dem alten Essener Mardochai und dessen schöner Begleiterin Rebecca, in die sich Juvenal unglücklich verliebt. Doch Rebeccas Herz gehört einem anderen, dem Essener Johannes aus Jerusalem, der dem Leser weiterhin als ständig gesuchtes Phantom begegnet. In Konkurrenz zu den jüdischen Essenern treten der mächtige und zum Christentum bekehrte Flavius Clemens, der Vetter Domitians, und dessen eifernder Gehilfe Marcion. Sie alle stehen in undurchsichtiger Verbindung zum Toten am Circus Maximus und dem rätselhaften Papyrus-Rest.

Die weitere Handlung gestaltet sich durch die Verfolgungsjagd des Cilix und die Suche nach einem verschollenen Papyrus aus der zerstörten Bibliothek von Mesad Chasidim, einem Zentrum der Essener am Toten Meer, das die römischen Truppen im Jüdischen Krieg zerstört hatten. Die Suche bzw. Jagd führt die Protagonisten schließlich hinaus aus Rom; zunächst hinab in die Ruinen des untergegangenen Pompeji, dann auf das Schiff des tollkühnen Kapitäns Nigidius und schließlich ins Heilige Land, wo sich nach einem Abstecher in Jerusalem am Toten Meer in den Ruinen und Höhlen von Mesad Chasidim der letzte Akt ereignet.

Hier treffen alle Gestalten zusammen: Jäger und Gejagte, Suchende und Gesuchter. Johannes erweist sich als Schlüsselfigur für den Mordfall, der gegenüber den wahren Gründen und Motiven an Bedeutung verliert. Der gefundene Gesuchte zeigt sich nicht nur in den Mordfall verstrickt, sondern entpuppt sich nebenbei als unentdeckt konvertierter Christ, der den Neronischen Brand von Rom zu verantworten hatte und wird – das lässt Rademacher durchblicken – auch der zukünftige Evangelist Johannes und Verfasser der Apokalypse sein.

Diese wissenschaftlich unhaltbare Phantasie (in einem im Übrigen gut recherchierten Roman) mag neben anderen historischen Unrichtigkeiten nicht recht gefallen.

Im Rahmen von Rademachers ansonsten wirklich grandioser Fähigkeit zu beschreiben, fällt auf, dass die Charaktere stereotyp und farblos erscheinen. Es sei hier nicht allein auf die auffallende Floskel des „Grinsens“ hingewiesen, das fast die gesamte Kommunikation der Figuren zu dominieren scheint und die Frage abnötigt, ob es nicht auch noch weitere denkbare Nuancierungen geben könnte, sondern auch die Persönlichkeitsstrukturen bleiben irgendwie an der Oberfläche und platt. Domitian beispielsweise erscheint genauso farblos sadistisch, wie Flavius Clemens, dessen Christlichkeit man nicht ganz abnehmen möchte und dessen noch unglaublicherer vorgetäuschter Tod (zum Erhalt als Handlungsfigur offensichtlich erforderlich) im krassen Widerspruch zur historischen Realität. Gleich verhält es sich bei Rebecca, die sich in Liebe zu Johannes verzehren soll und bereit wäre ihm überallhin zu folgen, die aber nie auch nur die Tiefe echter, liebender Leidenschaft erspüren lässt. Einzig gelungen erscheint Nigidius, der als durchaus witzige Figur charakterisiert wird. Doch würde der Witz in gleicher, wenn nicht in besserer Weise, erhalten bleiben, würde der Autor ihn nicht auch zum karikaturistischen Gnom zusammenschrumpfen. Die Art und Weise wie der Autor Habitus und Stimme des Nigidius zusammenführt, fallen unangenehm auf.

Das kann auch gesagt werden von der (allein!) literarischen These, der spätere Evangelist Johannes, der zugleich auch Jude und Christ war, sei nicht nur ein Mörder, sondern - in Konsequenz der Anlastung Rademachers als eigentlicher Urheber des Brandes von Rom und der sich anschließenden Christenverfolgung unter Nero - auch eine Art Massenmörder gewesen. Das sind Dinge, die dem Leser schon fast unerträglich unangenehm auffallen. Da mögen weitere historische Unrichtigkeiten und zu leichtgläubige Quellenrezeption, die sich auch bisweilen finden, unerwähnt bleiben.

Das Ende des Romans hält nicht, was der Anfang verspricht. Vielmehr erscheint der Schluß - ohne die feine Ausarbeitung des Anfangs – zu eindeutig und durchsichtig konstruiert. Ein Kritikpunkt, der den gesamten zweiten Teil der Geschichte betrifft, der von einer endlosen und auch den Leser schon ermüdenden (weil ewig gleichen) Jagd durch das Imperium bestimmt wird.

Dies fällt umso deutlicher ins Auge, als der Autor an anderer Stelle durchaus in seiner Erzählleistung zu brillieren weiß.

Grandios eröffnet Rademacher dem Leser die beklemmende Atmosphäre der Intrige der Macht, wie sich das Unheil in der Gestalt Domitians um den Dichter zusammenbraut. Hervorragend versteht Rademacher dem Leser das Klick-Klack-System der Günstlinge am Hof Domitians vor Augen zu führen, die von Juvenal bereits in dem Zeitpunkt abrücken, als auch nur der Anschein eines kaiserlichen Gunstverlustes zu drohen scheint. Ein faszinierender Erzählstrang, den Rademacher leider nicht konsequent bis zum Ende durchgehalten hat.

Dennoch: In geradezu überragender Weise versteht er es Situationen und Stimmungen einzufangen, was ihm bei den Charakteren leider nicht gelingt. Die nächtliche Gruftparty im Palast Domitians, das bunte Treiben auf den Straßen und Märkten Roms, der Ausnahmezustand in Circus und Arena, der unbeschreibliche und nahezu erfahrbare Schmutz und Gestank in den Armenvierteln Roms, die unheimliche Totenstimmung im verschütteten Pompeji gehören in gleicher Weise zu einer faszinierenden Erzählleistung Rademachers, wie der tosende Sturm auf dem Mittelmeer und das Heilige Land.

Rademacher gelingt es, in allen diesen Bereichen nicht nur ein sehr gut recherchiertes Bild wiederzugeben, sondern er versteht es auch dem Leser diese Welt sichtbar, erlebbar, erfahrbar bis hin zum sinnlich Wahrnehmbaren vorzustellen. Es ist ihm hier wirklich gelungen antikes Leben erneut zum Leben zu erwecken.

Nicht seiner Handlung und Gestalten wegen, sondern wegen des prächtigen Bildes von antiker Realität und Mentalität verdient es dieses Buch gelesen zu werden.

geschrieben am 12.12.2009 | 1348 Wörter | 8155 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen