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Pius XII. (1876-1958)


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Rezension von

Benjamin Städter

Pius XII. (1876-1958) Wohl um kaum einen religiösen Führer des 20. Jahrhunderts wurde post mortem so emotional gerungen wie um Eugenio Pacelli, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zum 260. Papst der Kirchengeschichte gewählt wurde und fast zwei Jahrzehnte die Katholische Kirche als Pius XII. führte. Der kritisch distanzierte Blick auf sein Pontifikat, der ihm in manch reißerischer Publikation den wenig charmanten Beinamen „Hitler’s Pope“ einbrachte , geht in der deutschen Diskussion auf die Veröffentlichung von Rolf Hochhuths Skandaldrama „Der Stellvertreter“ von 1963 zurück. In diesem zeichnete der deutsche Autor Pacelli als machtverliebten Ignoranten, der trotz der ihm zugänglichen Informationskanäle seine Augen vor dem Wahnsinn des Holocausts verschloss. Ähnlich lauten noch heute die Vorwürfe, die ein Teil der Geschichtswissenschaft an das Pontifikat Pius XII. richtet: Nicht deutlich genug habe der Papst die Verbrechen der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs beim Namen genannt und verurteilt. Eingedenk dieser Vorwürfe reagierte das deutsche Feuilleton mit ungläubigem Kopfschütteln, als kürzlich die Nachricht aus dem Vatikan kam, der Seligsprechungsprozess Pius XII. solle nun weiter forciert werden: Darf ein Papst, der als Kardinalstaatssekretär mit Hitler ein Konkordat aushandelte und dessen Stimme bei der Verurteilung der Shoa versagte, selig gesprochen werden? Um solchen Zweifeln entgegenzutreten und das kirchliche Bild Pius XII. einer möglichst großen Öffentlichkeit zu präsentieren, hat das päpstliche Komitee für Geschichtswissenschaften eine Ausstellung über das Leben und Wirken Pacellis kuratiert, die nach ihrer Premiere in Rom nun im Berliner Schloss Charlottenburg und anschließend in München zu sehen ist. Der hier vorzustellende Band ist einerseits der Katalog zu dieser Ausstellung, andererseits beinhaltet er sechs Aufsätze, die sich mit dem Pontifikat Pius XII. und der Person Pacellis auseinandersetzen. Es mag an der eigentümlichen Rezeption des Pontifikats Pius XII. liegen, die mit Hochhuths Drama einen abrupten Bruch erfuhr, dass auch die in der deutschen Öffentlichkeit kursierenden Bilder des Papstes in zwei Gruppen zerfallen: Während in den deutschen Medien vor 1963 Bilder dominierten, die den Papst als ehrbare Instanz und Weltgewissen stilisieren, finden nach Hochhuths Veröffentlichung vermehrt die Fotografien Einzug in den bundesdeutschen Bildhaushalt, die dessen moralische Integrität bezweifeln. Als bestes Beispiel hierfür kann die zur Ikone gewordene Fotografie gelten, die Pacelli noch als Kardinalstaatssekretär im Jahr 1933 bei der Unterzeichnung des Reichskonkordats mit der in den Vatikan gekommenen deutschen Delegation unter Führung von Hitlers Vizekanzler von Papen zeigt. Die vor 1963 dominierenden Bilder zurück ins Gedächtnis zu rufen, ist nun die augenscheinliche Intention des vorliegenden Bildbandes. Schon ein Blick in die Aufsätze zeigt, dass es hier darum geht, Pacelli gegen die Anschuldigen Hochhuths und anderer in Schutz zu nehmen und die Geschichte seines Pontifikat als bleibende Erfolgsgeschichte für den Katholizismus, Deutschland und die Welt zu erzählen. Die Ausstellung folgt dabei einer chronologischen Erzählweise. Schon früh in seiner Kindheit tat sich Eugenio Pacelli durch außerordentlichen Fleiß und Intellekt hervor. Seine steile Karriere in der Kurie scheint logische Folge seines frommen und zugleich ehrgeizigen Charakters. Die Kuratoren stellen den Fotografien der einzelnen Stellwände immer wieder zeitgenössische Schriftstücke, Zeitungsausschnitte und Karten anbei, die die historische Evidenz, die durch die Fotos erzeugt werden soll, zu unterstreichen versuchen. Etwa die Hälfte der Ausstellungstafeln erzählt die Geschichte Pacellis auf dem Weg zum päpstlichen Thron. Die dann folgenden Bilder des Pontifex’ Pius XII. zeigen dem Betrachter einen päpstlichen Habitus, der von seiner herrschaftlich-aristokratischen Distanz zur Welt geprägt ist. Es ist ein Blick einer fern anmutenden Kirche. Nicht nur durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), sondern wohl vor allem durch die Person Johannes XXIII., des direkten Nachfolgers Pacellis, hat sich unser Bild eines Pontifex der katholischen Kirche grundlegend gewandelt. Seitdem präsentiert sich die Kirche auch in ihrer visuellen Darstellung nicht nur als außerhalb der säkularen Gesellschaft, sondern als inmitten in dieser Welt stehend. Auch die oftmals (zumeist äußerst kritischen) Anmerkungen zu der rückwärts gewandten Selbstinszenierung Benedikts XVI. in Messfeiern und Audienzen mögen das öffentliche Bild des Papstes nicht mehr zu dem Habitus zurückbringen, der dem Betrachter in der Person Pius XII. begegnet. Dass mit der Ausstellung „eine historiografische Grundlage für den Seligsprechungsprozess Pius’ XII. gelegt werden soll“, wie jüngst ein Rezensent der Ausstellung anmerkte, liegt in der Natur der Sache. Schon immer hat die Kirche ihre Päpste medial inszeniert. Um etwas über Unzulänglichkeiten von Päpsten und deren kirchenpolitischen Fehlentscheidungen zu erfahren, ist eine von einer päpstlichen Kommission kuratierte Ausstellung sicher der falsche Ort. Doch dies sollte nicht zu einer derben Kritik an den Ausstellungsmachern führen, sondern vielmehr zu einer kritischen Rezeptionshaltung: Der Historiker mag Ausstellung und Bildband dann auch eher als Quelle, denn als historische Analyse betrachten. Der nichtwissenschaftliche Besucher sollte bei seiner Betrachtung der Bilder im Hinterkopf behalten, dass hier eben nur ein Blick, nämlich der amtskirchliche Blick auf das Pontifikat Pius XII., präsentiert wird. Beispiele für die vielen anderen finden sich fast wöchentlich im Feuilleton des deutschsprachigen Blätterwalds oder eben bei Hochhuth.

Wohl um kaum einen religiösen Führer des 20. Jahrhunderts wurde post mortem so emotional gerungen wie um Eugenio Pacelli, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zum 260. Papst der Kirchengeschichte gewählt wurde und fast zwei Jahrzehnte die Katholische Kirche als Pius XII. führte. Der kritisch distanzierte Blick auf sein Pontifikat, der ihm in manch reißerischer Publikation den wenig charmanten Beinamen „Hitler’s Pope“ einbrachte , geht in der deutschen Diskussion auf die Veröffentlichung von Rolf Hochhuths Skandaldrama „Der Stellvertreter“ von 1963 zurück. In diesem zeichnete der deutsche Autor Pacelli als machtverliebten Ignoranten, der trotz der ihm zugänglichen Informationskanäle seine Augen vor dem Wahnsinn des Holocausts verschloss. Ähnlich lauten noch heute die Vorwürfe, die ein Teil der Geschichtswissenschaft an das Pontifikat Pius XII. richtet: Nicht deutlich genug habe der Papst die Verbrechen der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs beim Namen genannt und verurteilt. Eingedenk dieser Vorwürfe reagierte das deutsche Feuilleton mit ungläubigem Kopfschütteln, als kürzlich die Nachricht aus dem Vatikan kam, der Seligsprechungsprozess Pius XII. solle nun weiter forciert werden: Darf ein Papst, der als Kardinalstaatssekretär mit Hitler ein Konkordat aushandelte und dessen Stimme bei der Verurteilung der Shoa versagte, selig gesprochen werden?

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Um solchen Zweifeln entgegenzutreten und das kirchliche Bild Pius XII. einer möglichst großen Öffentlichkeit zu präsentieren, hat das päpstliche Komitee für Geschichtswissenschaften eine Ausstellung über das Leben und Wirken Pacellis kuratiert, die nach ihrer Premiere in Rom nun im Berliner Schloss Charlottenburg und anschließend in München zu sehen ist. Der hier vorzustellende Band ist einerseits der Katalog zu dieser Ausstellung, andererseits beinhaltet er sechs Aufsätze, die sich mit dem Pontifikat Pius XII. und der Person Pacellis auseinandersetzen.

Es mag an der eigentümlichen Rezeption des Pontifikats Pius XII. liegen, die mit Hochhuths Drama einen abrupten Bruch erfuhr, dass auch die in der deutschen Öffentlichkeit kursierenden Bilder des Papstes in zwei Gruppen zerfallen: Während in den deutschen Medien vor 1963 Bilder dominierten, die den Papst als ehrbare Instanz und Weltgewissen stilisieren, finden nach Hochhuths Veröffentlichung vermehrt die Fotografien Einzug in den bundesdeutschen Bildhaushalt, die dessen moralische Integrität bezweifeln. Als bestes Beispiel hierfür kann die zur Ikone gewordene Fotografie gelten, die Pacelli noch als Kardinalstaatssekretär im Jahr 1933 bei der Unterzeichnung des Reichskonkordats mit der in den Vatikan gekommenen deutschen Delegation unter Führung von Hitlers Vizekanzler von Papen zeigt.

Die vor 1963 dominierenden Bilder zurück ins Gedächtnis zu rufen, ist nun die augenscheinliche Intention des vorliegenden Bildbandes. Schon ein Blick in die Aufsätze zeigt, dass es hier darum geht, Pacelli gegen die Anschuldigen Hochhuths und anderer in Schutz zu nehmen und die Geschichte seines Pontifikat als bleibende Erfolgsgeschichte für den Katholizismus, Deutschland und die Welt zu erzählen. Die Ausstellung folgt dabei einer chronologischen Erzählweise. Schon früh in seiner Kindheit tat sich Eugenio Pacelli durch außerordentlichen Fleiß und Intellekt hervor. Seine steile Karriere in der Kurie scheint logische Folge seines frommen und zugleich ehrgeizigen Charakters. Die Kuratoren stellen den Fotografien der einzelnen Stellwände immer wieder zeitgenössische Schriftstücke, Zeitungsausschnitte und Karten anbei, die die historische Evidenz, die durch die Fotos erzeugt werden soll, zu unterstreichen versuchen. Etwa die Hälfte der Ausstellungstafeln erzählt die Geschichte Pacellis auf dem Weg zum päpstlichen Thron. Die dann folgenden Bilder des Pontifex’ Pius XII. zeigen dem Betrachter einen päpstlichen Habitus, der von seiner herrschaftlich-aristokratischen Distanz zur Welt geprägt ist. Es ist ein Blick einer fern anmutenden Kirche. Nicht nur durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), sondern wohl vor allem durch die Person Johannes XXIII., des direkten Nachfolgers Pacellis, hat sich unser Bild eines Pontifex der katholischen Kirche grundlegend gewandelt. Seitdem präsentiert sich die Kirche auch in ihrer visuellen Darstellung nicht nur als außerhalb der säkularen Gesellschaft, sondern als inmitten in dieser Welt stehend. Auch die oftmals (zumeist äußerst kritischen) Anmerkungen zu der rückwärts gewandten Selbstinszenierung Benedikts XVI. in Messfeiern und Audienzen mögen das öffentliche Bild des Papstes nicht mehr zu dem Habitus zurückbringen, der dem Betrachter in der Person Pius XII. begegnet.

Dass mit der Ausstellung „eine historiografische Grundlage für den Seligsprechungsprozess Pius’ XII. gelegt werden soll“, wie jüngst ein Rezensent der Ausstellung anmerkte, liegt in der Natur der Sache. Schon immer hat die Kirche ihre Päpste medial inszeniert. Um etwas über Unzulänglichkeiten von Päpsten und deren kirchenpolitischen Fehlentscheidungen zu erfahren, ist eine von einer päpstlichen Kommission kuratierte Ausstellung sicher der falsche Ort. Doch dies sollte nicht zu einer derben Kritik an den Ausstellungsmachern führen, sondern vielmehr zu einer kritischen Rezeptionshaltung: Der Historiker mag Ausstellung und Bildband dann auch eher als Quelle, denn als historische Analyse betrachten. Der nichtwissenschaftliche Besucher sollte bei seiner Betrachtung der Bilder im Hinterkopf behalten, dass hier eben nur ein Blick, nämlich der amtskirchliche Blick auf das Pontifikat Pius XII., präsentiert wird. Beispiele für die vielen anderen finden sich fast wöchentlich im Feuilleton des deutschsprachigen Blätterwalds oder eben bei Hochhuth.

geschrieben am 24.06.2009 | 784 Wörter | 5027 Zeichen

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