ISBN | 3036957642 | |
Autor | Jonas T. Bengtsson | |
Verlag | Kein & Aber | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 192 | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Extras | - |
Warum normal, wenn es auch anders geht? Dass Bengtsson ein HĂ€ndchen fĂŒr schwierige Charaktere und die AbgehĂ€ngten der Gesellschaft hat, hat er bereits in âWie keiner sonstâ hinreichend bewiesen. Nun kommt er mit dem BĂŒchlein âKugelfischâ um die Ecke. In gröĂeren Format und mit platzsparenderem Druck hĂ€tte der Umfang wohl nur knapp ĂŒber 100 Seiten erreicht, statt der nun knapp 190 Seiten, sodass man fast geneigt sein könnte, allenfalls von einer Novelle zu sprechen, aber dieser formalistische Aspekt macht das Buch keineswegs schlechter. Man muss sich aber darĂŒber im Klaren sein, dass man es bei konstanter LektĂŒre locker in zwei Stunden durchgelesen haben wird.
Protagonistin ist Sus, 19 Jahre alt, aber offenbar so klein und zierlich gewachsen, dass sie mehr als einmal auf ihr Erwachsensein hinweisen muss und die Nachteile dieser GröĂenkategorie nicht nur nach ihrer Ansicht die Vorteile klar ĂŒberwiegen. Sie lebt in einem Wohnblock in einer Sozialwohnung, in dem sie auch als Kind wohnte, konsumiert regelmĂ€Ăig THC-Produkte und man erfĂ€hrt recht rasch, dass sie einen Ă€lteren Bruder hat, der im Auslandseinsatz beim MilitĂ€r verletzt wurde und nun im Krankenhaus liegt, dass sie einen gewalttĂ€tigen Vater hat, der im Knast seine Haftstrafe absitzt und der fĂŒr den Tod der Mutter verantwortlich ist. Sus kommt mit dem wenigen Geld gerade so ĂŒber die Runden, klaut sich notfalls Dinge zusammen, und setzt sich Ziele fĂŒr ihre teilweise trostlosen Tage, denn sie will unangreifbar werden, eben wie ein Kugelfisch. Diese Ziele erreicht sie manchmal, etwa eine bestimmte Anzahl von LiegestĂŒtzen, aber oft scheitert sie grandios.
Besonders grotesk wird dies dann aufgezeigt, als sie sich vorgenommen hat, einen der groĂen Dealerjungs des Viertels mit einer Eisenstange zu vermöbeln, aber von diesem Vorhaben durch einfaches Hochheben von hinten gerade noch einmal abgehalten wird. Ebenfalls versagt sie bei dem Vorhaben, ein junges KĂ€tzchen mit einem Messer umzubringen. schon da denkt man sich: zum GlĂŒck. Denn durch Bengtssons zielsicheren Schreibstil und seine teilweise grandios lustige WortprĂ€zision wird Susâ triste Sozialbauwelt StĂŒck fĂŒr StĂŒck erhellt und man hat das GefĂŒhl, der jungen Dame beim langsamen (wenngleich teilweise kriminellen) Aufstieg aus der Gosse zuschauen zu können. Man fiebert mit und ist erfreut ĂŒber jeden neuen Erfolg, den die kleine Dame erreicht.
Dann aber holt Bengtsson den Leser brutal in die RealitĂ€t zurĂŒck und macht in statistisch und kriminologisch gut beweisbarer Manier klar, dass man seinen DĂ€monen unter prekĂ€ren und sozial durchlĂ€ssigen UmstĂ€nden nicht entrinnen kann. Sus muss der Entlassung ihres Vaters aus dem GefĂ€ngnis entgegensehen. Wie sie damit umgeht und welche Konsequenzen ihr Verhalten dann fĂŒr sie mit sich bringt, ist am Ende ein echter und unerwarteter Schocker und man sitzt zum Schluss recht fassungslos da und sucht irgendwie verzweifelt nach einem anderen Ende â das es nicht gibt. Eine groĂartige schriftstellerische Leistung.
geschrieben am 22.12.2017 | 455 Wörter | 2596 Zeichen
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