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Rotkäppchen hat keine Lust


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Informationen zum Buch
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  Extras

Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Rotkäppchen hat keine Lust Märchen der Gebrüder Grimm umzuschreiben, in Jugendsprache abzufassen oder zu persiflieren ist eigentlich keine neue Idee. Wenn man das aber auf Kinderbuchebene versucht, bedarf es nicht nur eines geeigneten illustratorischen Könnens, sondern auch einer auf die Altersgruppe abgestimmten Sprache. Sebastian Meschenmoser, der in den letzten Jahren durch seine Kinderbuchreihe um Herrn Eichhorn bekannt wurde, hat sich diesem Projekt gewidmet und man kann sagen: es ist zum Brüllen komisch geworden. Aber: nicht für kleine Kinder am unteren Rand der anvisierten Altersgruppe von vier bis sechs Jahren. Warum komme ich zu dieser Einschätzung? Nun, schon der Beginn des Buches ist – wie es das Märchengenre mit Schwarz-Weiß-Typisierungen gerne vorgibt – für Kinder harter Tobak, wenn der Wolf resümiert, was ihn seine eigene Großmutter gelehrt hat: für die gute Laune einen Clown frühstücken, für Schläue einen Lehrer und wenn man sich „bitter“ fühlt soll man ein süßes Kind verspeisen. Es dürfte nicht wenige Kinder geben, die schon an diesem Punkt den Buchdeckel zuschlagen. Zudem ist das Adjektiv „bitter“, das den Gemütszustand des Wolfes erfassen soll, im Deutschen eher ungebräuchlich, was man schon früher immer dann merkte, wenn die Schweppes-Werbung aus dem englischen Original (wo „bitter“ viel eher gebräuchlich und verständlich ist) nur unzureichend in der deutschen Synchronisation wirkte. Und selbst wenn die Kinder weiterläsen: der dann folgende lustige Verlauf der total vom Originalmärchen divergierenden Geschichte kann kleine Gemüter für diesen Anfangsschock nur schwer entschädigen. Denn die Komik der Sprache und der Handlung verlangt den Lesern ein Abstraktionsvermögen und eine gewisse Metabetrachtung der Geschichte ab, die ich frühestens Grundschülern zutrauen würde. In einigen Testvorlesungen hat sich dieser Eindruck auch prompt bewahrheitet. Es ist nun einmal nur für sprachlich gewandte Kinder verständlich und lustig, wenn man „einen Clown frühstückt“, wenn die Großmutter kurzsichtig wie sie ist mit ihrer dicken Brille den Wolf für einen „haarigen Herrn aus dem Wald“ hält oder wenn sie und der Wolf dann Fotoalben betrachten, unter anderem ein Fotoalbum mit Fotos von Fotoalben (was für Erwachsene der beste Gag des gesamten Buches ist). Dasselbe gilt übrigens für die – großartige – Bebilderung der Geschichte: der Weinhändler, der selbst sein bester Kunde zu sein scheint, die weinselige Großmutter oder mancher genervte Gesichtsausdruck des Rotkäppchens erfordern ebenfalls Hintergrundwissen, um die in den Bildern enthaltene Komik zu dechiffrieren. Das können kleine Kinder nicht. Insofern ist eine Empfehlung für das Buch recht schwierig. Ich – als Erwachsener – finde das Buch genial, großartig sprachlich und bildlich umgesetzt, mit überraschenden Wendungen und einem Cliffhanger am Ende. Auch Testleser / Testzuhörer im Grundschulalter fanden das Buch große Klasse. Aber Kinder im Kindergartenalter konnten sich für das Buch nicht erwärmen und lachten eher irritiert mit, als dass echter verstehender Spaß bei der Lektüre aufgekommen wäre. Natürlich ist das miesepetrige Rotkäppchen, das so gar keinen Bock auf einen öden Sonntag bei der irren Großmutter hat, auch für kleine Kinder zu verstehen und als Figur lustig. Aber die Persiflage auf das Märchen selbst erfordert eben einen gewissen Wissenshorizont, sodass Eltern vor Kauf und Lektüre für sich selbst prüfen sollten, ob sie mit dem Buch ihr Kind überfordern oder erfreuen würden.

Märchen der Gebrüder Grimm umzuschreiben, in Jugendsprache abzufassen oder zu persiflieren ist eigentlich keine neue Idee. Wenn man das aber auf Kinderbuchebene versucht, bedarf es nicht nur eines geeigneten illustratorischen Könnens, sondern auch einer auf die Altersgruppe abgestimmten Sprache. Sebastian Meschenmoser, der in den letzten Jahren durch seine Kinderbuchreihe um Herrn Eichhorn bekannt wurde, hat sich diesem Projekt gewidmet und man kann sagen: es ist zum Brüllen komisch geworden. Aber: nicht für kleine Kinder am unteren Rand der anvisierten Altersgruppe von vier bis sechs Jahren.

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Warum komme ich zu dieser Einschätzung? Nun, schon der Beginn des Buches ist – wie es das Märchengenre mit Schwarz-Weiß-Typisierungen gerne vorgibt – für Kinder harter Tobak, wenn der Wolf resümiert, was ihn seine eigene Großmutter gelehrt hat: für die gute Laune einen Clown frühstücken, für Schläue einen Lehrer und wenn man sich „bitter“ fühlt soll man ein süßes Kind verspeisen. Es dürfte nicht wenige Kinder geben, die schon an diesem Punkt den Buchdeckel zuschlagen. Zudem ist das Adjektiv „bitter“, das den Gemütszustand des Wolfes erfassen soll, im Deutschen eher ungebräuchlich, was man schon früher immer dann merkte, wenn die Schweppes-Werbung aus dem englischen Original (wo „bitter“ viel eher gebräuchlich und verständlich ist) nur unzureichend in der deutschen Synchronisation wirkte.

Und selbst wenn die Kinder weiterläsen: der dann folgende lustige Verlauf der total vom Originalmärchen divergierenden Geschichte kann kleine Gemüter für diesen Anfangsschock nur schwer entschädigen. Denn die Komik der Sprache und der Handlung verlangt den Lesern ein Abstraktionsvermögen und eine gewisse Metabetrachtung der Geschichte ab, die ich frühestens Grundschülern zutrauen würde. In einigen Testvorlesungen hat sich dieser Eindruck auch prompt bewahrheitet. Es ist nun einmal nur für sprachlich gewandte Kinder verständlich und lustig, wenn man „einen Clown frühstückt“, wenn die Großmutter kurzsichtig wie sie ist mit ihrer dicken Brille den Wolf für einen „haarigen Herrn aus dem Wald“ hält oder wenn sie und der Wolf dann Fotoalben betrachten, unter anderem ein Fotoalbum mit Fotos von Fotoalben (was für Erwachsene der beste Gag des gesamten Buches ist). Dasselbe gilt übrigens für die – großartige – Bebilderung der Geschichte: der Weinhändler, der selbst sein bester Kunde zu sein scheint, die weinselige Großmutter oder mancher genervte Gesichtsausdruck des Rotkäppchens erfordern ebenfalls Hintergrundwissen, um die in den Bildern enthaltene Komik zu dechiffrieren. Das können kleine Kinder nicht.

Insofern ist eine Empfehlung für das Buch recht schwierig. Ich – als Erwachsener – finde das Buch genial, großartig sprachlich und bildlich umgesetzt, mit überraschenden Wendungen und einem Cliffhanger am Ende. Auch Testleser / Testzuhörer im Grundschulalter fanden das Buch große Klasse. Aber Kinder im Kindergartenalter konnten sich für das Buch nicht erwärmen und lachten eher irritiert mit, als dass echter verstehender Spaß bei der Lektüre aufgekommen wäre. Natürlich ist das miesepetrige Rotkäppchen, das so gar keinen Bock auf einen öden Sonntag bei der irren Großmutter hat, auch für kleine Kinder zu verstehen und als Figur lustig. Aber die Persiflage auf das Märchen selbst erfordert eben einen gewissen Wissenshorizont, sodass Eltern vor Kauf und Lektüre für sich selbst prüfen sollten, ob sie mit dem Buch ihr Kind überfordern oder erfreuen würden.

geschrieben am 16.01.2017 | 509 Wörter | 2966 Zeichen

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