ISBN | 3453268784 | |
Autor | Robert Harris | |
Verlag | Heyne | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 624 | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Extras | - |
Man kann das Werk natĂŒrlich nicht wie ein Sachbuch lesen, also um herauszufinden, was es mit der Dreyfus-AffĂ€re wirklich auf sich hatte. Aber man kann sich den dabei handelnden Persönlichkeiten, ihren Motiven und Motivationen durchaus pragmatisch annĂ€hern bzw. sich von Harris dazu anleiten lassen, zu denken, wie es hĂ€tte gewesen sein können.
Protagonist ist aber nicht Dreyfus selbst, sondern als Ich-ErzĂ€hler fungiert der Offizier Marie-Georges Picquart. Aus dessen Sicht erfĂ€hrt der Leser die Dreyfus-AffĂ€re, die Versuche der AufklĂ€rung bis hin zur Wiederaufnahme des Verfahrens und Dreyfusâ spĂ€ter Rehabilitation. Daneben entsteht aber auch ein Sitten- und Gesellschaftsbild der Epoche, inklusive der Paranoia vor den Deutschen und dem Antisemitismus dieser Tage, ebenso wie eine erstaunlich prĂ€zise Auseinandersetzung mit den militĂ€rischen und historischen UmstĂ€nden dieser Zeit versucht wird. Beginnend mit der publikumswirksamen öffentlichen Degradierung des jĂŒdischen Hauptmanns Dreyfus verfolgt der Leser sodann den weiteren Gang der Dinge zusammen mit dem in den Geheimdienst versetzten Picquart. Dieser ĂŒbernimmt, nunmehr als jĂŒngster Oberstleutnant der französischen Armee, eine muffige Behörde und als er beginnt, an der Dreyfus-Verurteilung zu zweifeln, bringt er nicht nur die damit befassten Mitarbeiter der eigenen Behörde, sondern auch sukzessive die höchsten MilitĂ€rreprĂ€sentanten gegen sich auf. Geleitet von den eigenen hohen Idealen und ĂŒberzeugt davon, das Richtige zu tun, verstrickt sich Picquart immer mehr in die Geschichte, macht sie fast zu seiner eigenen und wird letzten Endes nach einigen Ermittlungserfolgen nach Nordafrika abgeschoben und gewissermaĂen kaltgestellt. Auf eigene Faust reist Picquart dann nach Paris und versucht, seine Version der Dinge an die richtigen Leute zu bringen, damit das Ganze nicht totgeschwiegen wird und der arme Dreyfus nicht in seiner Isolationshaft auf einer tropischen Insel dem Ende entgegenvegetiert. TatsĂ€chlich kommt es zur Wiederaufnahme des Prozesses, ebenso aber zur Inhaftierung Picquarts, spĂ€ter sogar zu seinem Ausscheiden aus dem MilitĂ€rdienst. Das Wiederaufnahmeverfahren gegen Dreyfus endet erstaunlich und am Ende wird Picquart wieder verhaftet, diesmal dann wegen Geheimnisverrats, nicht ohne zuvor die eigentlich auf seiner Seite stehenden Dreyfus-AnhĂ€nger durch Hochmut zu vergrĂ€tzen.
Das Ende des Romans entspricht den geschichtlichen AblĂ€ufen, aber dennoch gelingt Harris von Anfang bis Ende eine spannende Geschichte, deren Sog man sich kaum entziehen kann. Die dabei vom Protagonisten und Dreyfus zu verkraftenden Hindernisse und RĂŒckschlĂ€ge sind heftig und man fragt sich doch das ein oder andere Mal, wie die beiden jeweils so lange und unter solchen Haftbedingungen ohne ernsthaften psychischen Schaden ĂŒberleben konnten. Eine weitere auĂerordentliche Leistung von Harris ist es, das mannigfaltige Tableau an Handelnden so gut in den Roman zu verweben, dass man nie innerlich die Frage stellen muss: Wer war das nochmal? Zudem erfĂ€hrt man nebenbei, wie intensiv damals Kunst und Politik noch ineinander verwoben waren, nĂ€mlich durch Zolas Auftritt vor Gericht. Ein Ă€hnliches Szenario wĂ€re heute kaum noch vorstellbar. Insgesamt ein toller Roman, sehr spannend, sehr zu empfehlen.
geschrieben am 29.03.2014 | 459 Wörter | 2856 Zeichen
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