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Vaterland


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Vaterland Gut recherchierte historische Stoffe waren schon in früheren Romanen, z.B. Enigma, das Markenzeichen von Robert Harris. Dabei kam dem Tiefgang und der Authentizität der Geschichten stets zugute, dass Harris vor seinem Dasein als Romanautor als Reporter und Redakteur tätig war, bspw. für die BBC und für den "Observer". Die Verbindung von Fiktion und historischen Fakten prägt auch den Roman „Vaterland“, der sich als Hörbuch sogar als phasenweise spannender entpuppt als das gedruckte Buch. Zunächst hätte ich damit nämlich nicht gerechnet, denn der Start der Geschichte ist eher zäh und auch die lakonische Stimme des Sprechers ist nicht wirklich mitreißend, ja sogar etwas albern, wenn er versucht, für eine Nebenfigur in einen sächsischen Dialekt zu verfallen. Der Rhythmus der Geschichte passt aber immer besser zur Sprecherstimme und mit zunehmender Spannung ist sie sogar ein wohltuendes Korrektiv. Was ist der Hintergrund des Romans? Der zweite Weltkrieg wurde von Deutschland nicht verloren, sondern gewonnen und man befindet sich im Jahr 1964 in einem kalten Krieg mit den Vereinigten Staaten von Amerika unter deren Präsident Kennedy (Joseph, der Vater von John F. Kennedy). Hitler hat jedoch seit Jahren enorme Probleme mit Partisanenkämpfen an der Ostfront und sucht nach einem Entspannungsszenario mit den USA, um deren Unterstützung der Partisanen zu beenden. Die historischen Ereignisse sind dabei bis in das Jahr 1943 fast identisch, wenden sich aber dann, so erfährt man immer wieder rückblickend, zugunsten der dann siegreichen Deutschen. Es gibt eine Art europäische Gemeinschaft (wieso sollte sich das siegreiche Deutschland auf so etwas einlassen? eine von ein paar kleineren historischen Nachlässigkeiten im Buch) unter deutscher Vorherrschaft, einen polizeidominierten deutschen Staat mit einem greisen Hitler an der Spitze und einem offenbar nachfolgegierigen Heidrich, der den Polizei- und Sicherheitsapparat unter sich hat. Der Kripo-Ermittler im Rang eines SS- Sturmbannführers Xaver März wird morgens aus dem Schlaf geklingelt, um einen Mordfall zu übernehmen. Eigentlich wäre sein Kollege an der Reihe gewesen, aber der hat Frau und Kinder - März ist geschieden und allein -, sodass sich März uneigennützig doch anstelle des Kollegen zum Leichenfundort aufmacht. Die in der Havel gefundene Leiche wird von ihm nach kurzer Zeit identifiziert, ein ehemaliger Staatssekretär im Innenministerium, Bühler. Dieser steht in enger Verbindung zu einem weiteren ehemaligen Staatssekretär und Verantwortlichen des Generalgouvernements, das ehemalige Polen, Stuckard, der nun ebenfalls ermordet wird. Die Gestapo unter Leitung von Odilo Globocnik, genannt Globus (dessen Wiener Dialekt hervorragend konträr zu seiner sadistischen Neigung passt), funkt März allerdings dazwischen und reißt die Ermittlungen an sich. März wittert Merkwürdiges und bleibt trotzdem am Ball, was am Ende zu seinem Untergang führen wird. Im Lauf der Ermittlungen wendet er sich an eine Bekannte Stuckards, die deutschstämmige amerikanische Journalistin Charlie Maguire. Mit dieser deckt er weitere Zusammenhänge auf und sucht - parallel zur Gestapo und unter der scheinbaren Protektion des Kripo-Chefs Nebe - den letzten Überlebenden der Wannsee-Konferenz, auf welcher die Endlösung für die deutschen und europäischen Juden beschlossen wurde, Martin Luther. Zunächst sieht es so aus, dass Bühler, Stuckard und Luther „nur“ in einen gewaltigen Raub von Kunstgegenständen aus Polen und anderenorts verwickelt waren und sich so einen süßen Lebensabend gesichert hatten. Aber die drei hatten bemerkt, dass Heidrich alle Mitwisser der Judenvernichtung sukzessive ermorden ließ und wollten Asyl in den USA beantragen. Bevor Luther dies erreichen kann, wird er vor März‘ Augen auf offener Straße erschossen. Die Journalistin, die inzwischen das Herz von März gewonnen hat - und umgekehrt - wird von März mit den beweissichernden Dokumenten, die Luther in einem Bankschließfach in Zürich deponiert hatte, außer Landes geschickt und er selbst wird, am Ende sogar von seinem Sohn an die Gestapo verraten, erst gefoltert und dann fast in einen finalen Hinterhalt gelockt. Er erkennt diesen aber und lässt sich von seinem Kollegen Jäger, der, eingeweiht bzw. befohlen, den Mord eigentlich hätte bearbeiten sollen und ihn ständig verraten und hintergangen hat, über die ehemalige polnische Grenze chauffieren, wo er sich auf den mittlerweile zerstörten Überresten eines ehemaligen Konzentrationslagers selbst das Leben nimmt. Die Geschichte ist stimmig, spannend und historisch interessant, gerade mit dem Aspekt des „was wäre wenn?“. Das Ende ist konsequent, wenngleich man sich für den Protagonisten ein Happy End gewünscht hätte. Etwas enttäuschend ist höchstens, dass das große Geheimnis „nur“ die Dokumentation der Judenvernichtung ist, die fiktiv bislang von den siegreichen Deutschen verschleiert worden war. Aus der Sicht des halbwegs gebildeten Hörers, dem diese Vorgänge historisch bekannt sind, wäre da vielleicht etwas anderes spannender gewesen. Aber Harris schreibt ja für ein internationales Publikum und man kann nicht davon ausgehen, dass dort die Kenntnis der historischen Vorgänge ähnlich ausgeprägt ist, wie in Deutschland. Mit einer Laufzeit von mehr als 13 Stunden ist das Werk auch ein opulentes Hörvergnügen für lange Autofahrten. Die Pressung als mp3-CD erspart viele Wechsel. Insgesamt eine klare Empfehlung.

Gut recherchierte historische Stoffe waren schon in früheren Romanen, z.B. Enigma, das Markenzeichen von Robert Harris. Dabei kam dem Tiefgang und der Authentizität der Geschichten stets zugute, dass Harris vor seinem Dasein als Romanautor als Reporter und Redakteur tätig war, bspw. für die BBC und für den "Observer". Die Verbindung von Fiktion und historischen Fakten prägt auch den Roman „Vaterland“, der sich als Hörbuch sogar als phasenweise spannender entpuppt als das gedruckte Buch. Zunächst hätte ich damit nämlich nicht gerechnet, denn der Start der Geschichte ist eher zäh und auch die lakonische Stimme des Sprechers ist nicht wirklich mitreißend, ja sogar etwas albern, wenn er versucht, für eine Nebenfigur in einen sächsischen Dialekt zu verfallen. Der Rhythmus der Geschichte passt aber immer besser zur Sprecherstimme und mit zunehmender Spannung ist sie sogar ein wohltuendes Korrektiv.

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Was ist der Hintergrund des Romans? Der zweite Weltkrieg wurde von Deutschland nicht verloren, sondern gewonnen und man befindet sich im Jahr 1964 in einem kalten Krieg mit den Vereinigten Staaten von Amerika unter deren Präsident Kennedy (Joseph, der Vater von John F. Kennedy). Hitler hat jedoch seit Jahren enorme Probleme mit Partisanenkämpfen an der Ostfront und sucht nach einem Entspannungsszenario mit den USA, um deren Unterstützung der Partisanen zu beenden. Die historischen Ereignisse sind dabei bis in das Jahr 1943 fast identisch, wenden sich aber dann, so erfährt man immer wieder rückblickend, zugunsten der dann siegreichen Deutschen. Es gibt eine Art europäische Gemeinschaft (wieso sollte sich das siegreiche Deutschland auf so etwas einlassen? eine von ein paar kleineren historischen Nachlässigkeiten im Buch) unter deutscher Vorherrschaft, einen polizeidominierten deutschen Staat mit einem greisen Hitler an der Spitze und einem offenbar nachfolgegierigen Heidrich, der den Polizei- und Sicherheitsapparat unter sich hat.

Der Kripo-Ermittler im Rang eines SS- Sturmbannführers Xaver März wird morgens aus dem Schlaf geklingelt, um einen Mordfall zu übernehmen. Eigentlich wäre sein Kollege an der Reihe gewesen, aber der hat Frau und Kinder - März ist geschieden und allein -, sodass sich März uneigennützig doch anstelle des Kollegen zum Leichenfundort aufmacht. Die in der Havel gefundene Leiche wird von ihm nach kurzer Zeit identifiziert, ein ehemaliger Staatssekretär im Innenministerium, Bühler. Dieser steht in enger Verbindung zu einem weiteren ehemaligen Staatssekretär und Verantwortlichen des Generalgouvernements, das ehemalige Polen, Stuckard, der nun ebenfalls ermordet wird. Die Gestapo unter Leitung von Odilo Globocnik, genannt Globus (dessen Wiener Dialekt hervorragend konträr zu seiner sadistischen Neigung passt), funkt März allerdings dazwischen und reißt die Ermittlungen an sich. März wittert Merkwürdiges und bleibt trotzdem am Ball, was am Ende zu seinem Untergang führen wird. Im Lauf der Ermittlungen wendet er sich an eine Bekannte Stuckards, die deutschstämmige amerikanische Journalistin Charlie Maguire. Mit dieser deckt er weitere Zusammenhänge auf und sucht - parallel zur Gestapo und unter der scheinbaren Protektion des Kripo-Chefs Nebe - den letzten Überlebenden der Wannsee-Konferenz, auf welcher die Endlösung für die deutschen und europäischen Juden beschlossen wurde, Martin Luther. Zunächst sieht es so aus, dass Bühler, Stuckard und Luther „nur“ in einen gewaltigen Raub von Kunstgegenständen aus Polen und anderenorts verwickelt waren und sich so einen süßen Lebensabend gesichert hatten. Aber die drei hatten bemerkt, dass Heidrich alle Mitwisser der Judenvernichtung sukzessive ermorden ließ und wollten Asyl in den USA beantragen. Bevor Luther dies erreichen kann, wird er vor März‘ Augen auf offener Straße erschossen. Die Journalistin, die inzwischen das Herz von März gewonnen hat - und umgekehrt - wird von März mit den beweissichernden Dokumenten, die Luther in einem Bankschließfach in Zürich deponiert hatte, außer Landes geschickt und er selbst wird, am Ende sogar von seinem Sohn an die Gestapo verraten, erst gefoltert und dann fast in einen finalen Hinterhalt gelockt. Er erkennt diesen aber und lässt sich von seinem Kollegen Jäger, der, eingeweiht bzw. befohlen, den Mord eigentlich hätte bearbeiten sollen und ihn ständig verraten und hintergangen hat, über die ehemalige polnische Grenze chauffieren, wo er sich auf den mittlerweile zerstörten Überresten eines ehemaligen Konzentrationslagers selbst das Leben nimmt.

Die Geschichte ist stimmig, spannend und historisch interessant, gerade mit dem Aspekt des „was wäre wenn?“. Das Ende ist konsequent, wenngleich man sich für den Protagonisten ein Happy End gewünscht hätte. Etwas enttäuschend ist höchstens, dass das große Geheimnis „nur“ die Dokumentation der Judenvernichtung ist, die fiktiv bislang von den siegreichen Deutschen verschleiert worden war. Aus der Sicht des halbwegs gebildeten Hörers, dem diese Vorgänge historisch bekannt sind, wäre da vielleicht etwas anderes spannender gewesen. Aber Harris schreibt ja für ein internationales Publikum und man kann nicht davon ausgehen, dass dort die Kenntnis der historischen Vorgänge ähnlich ausgeprägt ist, wie in Deutschland.

Mit einer Laufzeit von mehr als 13 Stunden ist das Werk auch ein opulentes Hörvergnügen für lange Autofahrten. Die Pressung als mp3-CD erspart viele Wechsel. Insgesamt eine klare Empfehlung.

geschrieben am 15.01.2014 | 779 Wörter | 4632 Zeichen

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