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Winkler, Eugen Gottlob: Dichtungen, Gestalten und Probleme, Nachlaß


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Rezension von

Wilhelm Castun

Winkler, Eugen Gottlob: Dichtungen, Gestalten und Probleme, Nachlaß Als Eugen Gottlob Winklers Werke 1956 zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit gedruckt wurden, pries Walter Jens dies in der ZEIT als mutige verlegerische Tat. 56 Jahre später, als kaum mehr zu erwarten steht, dass eine auflagenstarke Zeitschrift auf den Dichter hinweist, kann der Mut kaum geringer sein. In jüngerer Zeit wurden von diesem Autor nur sein bekanntestes Werk »Über die Linie« aufgelegt und dann auch recht bald verramscht, und sein Aufsatz über Ernst Jünger, wobei bei letzterem Werk das Thema und nicht der Autor Motiv des Verlegers gewesen sein dürfte. Dem volkstümlichen Klischee des Nonkonformisten, das in Deutschland bei dem Worte »Dichter« mitschwingt, entsprach Winkler in tragischer Weise. Wenn in einem im Netz veröffentlichten Film behauptet wird, seine Probleme hätten hinreichenden Grund im Nationalsozialismus, so ist dem zu entgegnen, dass ein Typus wie Winkler auch heute, ja in jeder Zeit und Gesellschaft, prinzipiell die gleichen und letztlich tödlichen Schwierigkeiten hätte. 1912 in Zürich geboren, verlebt er seine Jugend in Schwaben, promoviert mit 21 Jahren, reist durch halb Europa, schreibt für einen kleinen enthusiastischen Kreis von Freunden und nimmt sich mit 24 Jahren in München das Leben. Was an ihm auffällt ist das fortwährende Eins einer Sucht nach exquisitem Rausch und Genuss, nach Reichtum, Eleganz und raffiniertem Spiel und einer präzisen und illusionslosen Genauigkeit der Analyse und Selbstanalyse. Er weigerte sich konsequent, einen Beruf zu ergreifen, und empfand schon das Thema als eine Zumutung. Wer immer mit der Grenzen zwischen Sein und Nichtsein flirtet, wer immer getarnt und fremd durch den Jahrmarkt der Welt faltert, ist letztlich nur konsequent, wer er die radikale Tarnkappe, den Tod, wählt. Die Ausgabe vereint auf 530 Seiten Gedichte, Prosastücke, Essays und kritische Arbeiten zur Literatur, zur Kunst, zur Übersetzung, zum Glauben und zur Moderne, die von einer solchen Vielgestaltigkeit und Dichte sind, dass man ein klassisches Werk, die Summe eines langen Lebens, Prüfens und kritischen Überarbeiten in den Händen zu halten glaubt. Winkler meinte, die Kunst habe die Ethik beerbt, das Spiel die Moral, und die Religion erschien ihm mit nietzschescher Strenge ein Luftschloss. Mit Benn teilt er den Fanatismus der »Ausdruckskunst«. Klarheit und Faszination, Bewusstheit und hellwacher Sinn waren ihm eigen und er hielt sie aller Einengung des bürgerlichen Lebens entgegen, wenn er auf die absolute Spiegelung des nur vage Erfühlten im Kunstwerk verwies. Valérys These von der Vergeistigung des Sinnlichen und der Verbildlichung des Gedankens wurde ihm leitmotivisch. Das Werk eines solchen Seiltänzers wird auch heute kein großes Publikum finden. Aber es wird in allen Zeiten Leser geben, die Büchern nicht Ratschläge suchen, wie man sorgenfrei durchs Leben komme, sondern Muster einer unbedingter Treue, die das Wesen alles Geistigen ausmacht und deren Lebensfeindlichkeit auszuhalten sei je eine Prüfung für den wahrhaft Berufenen gewesen ist.

Als Eugen Gottlob Winklers Werke 1956 zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit gedruckt wurden, pries Walter Jens dies in der ZEIT als mutige verlegerische Tat. 56 Jahre später, als kaum mehr zu erwarten steht, dass eine auflagenstarke Zeitschrift auf den Dichter hinweist, kann der Mut kaum geringer sein. In jüngerer Zeit wurden von diesem Autor nur sein bekanntestes Werk »Über die Linie« aufgelegt und dann auch recht bald verramscht, und sein Aufsatz über Ernst Jünger, wobei bei letzterem Werk das Thema und nicht der Autor Motiv des Verlegers gewesen sein dürfte.

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Dem volkstümlichen Klischee des Nonkonformisten, das in Deutschland bei dem Worte »Dichter« mitschwingt, entsprach Winkler in tragischer Weise. Wenn in einem im Netz veröffentlichten Film behauptet wird, seine Probleme hätten hinreichenden Grund im Nationalsozialismus, so ist dem zu entgegnen, dass ein Typus wie Winkler auch heute, ja in jeder Zeit und Gesellschaft, prinzipiell die gleichen und letztlich tödlichen Schwierigkeiten hätte. 1912 in Zürich geboren, verlebt er seine Jugend in Schwaben, promoviert mit 21 Jahren, reist durch halb Europa, schreibt für einen kleinen enthusiastischen Kreis von Freunden und nimmt sich mit 24 Jahren in München das Leben. Was an ihm auffällt ist das fortwährende Eins einer Sucht nach exquisitem Rausch und Genuss, nach Reichtum, Eleganz und raffiniertem Spiel und einer präzisen und illusionslosen Genauigkeit der Analyse und Selbstanalyse. Er weigerte sich konsequent, einen Beruf zu ergreifen, und empfand schon das Thema als eine Zumutung. Wer immer mit der Grenzen zwischen Sein und Nichtsein flirtet, wer immer getarnt und fremd durch den Jahrmarkt der Welt faltert, ist letztlich nur konsequent, wer er die radikale Tarnkappe, den Tod, wählt.

Die Ausgabe vereint auf 530 Seiten Gedichte, Prosastücke, Essays und kritische Arbeiten zur Literatur, zur Kunst, zur Übersetzung, zum Glauben und zur Moderne, die von einer solchen Vielgestaltigkeit und Dichte sind, dass man ein klassisches Werk, die Summe eines langen Lebens, Prüfens und kritischen Überarbeiten in den Händen zu halten glaubt. Winkler meinte, die Kunst habe die Ethik beerbt, das Spiel die Moral, und die Religion erschien ihm mit nietzschescher Strenge ein Luftschloss. Mit Benn teilt er den Fanatismus der »Ausdruckskunst«. Klarheit und Faszination, Bewusstheit und hellwacher Sinn waren ihm eigen und er hielt sie aller Einengung des bürgerlichen Lebens entgegen, wenn er auf die absolute Spiegelung des nur vage Erfühlten im Kunstwerk verwies. Valérys These von der Vergeistigung des Sinnlichen und der Verbildlichung des Gedankens wurde ihm leitmotivisch.

Das Werk eines solchen Seiltänzers wird auch heute kein großes Publikum finden. Aber es wird in allen Zeiten Leser geben, die Büchern nicht Ratschläge suchen, wie man sorgenfrei durchs Leben komme, sondern Muster einer unbedingter Treue, die das Wesen alles Geistigen ausmacht und deren Lebensfeindlichkeit auszuhalten sei je eine Prüfung für den wahrhaft Berufenen gewesen ist.

geschrieben am 01.06.2013 | 452 Wörter | 2568 Zeichen

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