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In hellen Sommernächten


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Informationen zum Buch
  ISBN
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  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

In hellen SommernĂ€chten Eines der wesentlichen Elemente der BĂŒcher und Romane von John Burnside ist die unglaublich starke, poetische und einfĂŒhlsame Sprache. Die braucht er auch, um der Geschichte den Zugang zu den Traum- und Parallelwelten zu verschaffen, die nicht nur diesen Roman prĂ€gen, sondern auch schon frĂŒher (etwa im Roman „Glister“) ein markantes Merkmal seiner ErzĂ€hlkunst waren. Hinzu kommt die Verwebung alltĂ€glicher Handlungen mit schockierenden Ereignissen sowie essentiellen Erlebnissen und GefĂŒhlen der Protagonisten, hier der jungen Liv, aus deren Perspektive die Geschichte erzĂ€hlt wird. Erstaunlich ist, dass man das Buch zwar nicht verschlingen mag, so spannend ist es dann doch nicht, aber man doch im steten Lesefluss gehalten wird, obwohl eigentlich sehr wenig passiert. Die Handlung spielt auf einer Insel im nördlichen Norwegen, wo die Mitternachtssonne und der wochenlange dunkle Winter die Bevölkerung beeinflussen, ebenso aber die karge, wenngleich schöne und meditative Natur mit arktischen Pflanzen, Fjorden und dem Meer. Die starke Einwirkung der Mitternachtssonne, ihres teilweise taghellen Lichts, teilweise grĂ€ulichen Zwielichts, befördert dabei gerade die (verfremdete) Wahrnehmung der Bewohner und InselgĂ€ste, Schlaflosigkeit und das Glauben an die Andersartigkeit der Welt in diesen Breitengraden. Liv hat gerade ihre SchulabschlussprĂŒfungen bestanden und rĂ€tselt ĂŒber den weiteren Fortgang ihres Lebens, als sie die Nachricht vom rĂ€tselhaften Tod eines Schulkollegen und kurz danach seines Bruders erreicht. Mangels tauglicher ErklĂ€rung sinnieren sie und ihr schrulliger Bekannter und Nachbar Kyrre Opdahl ĂŒber den Einfluss der Huldra, einer weiblichen MĂ€rchengestalt, die in einer Art Zwischenwelt leben soll und ihren Einfluss auch in der sichtbaren Welt geltend macht, ebenso wie Trolle, Geister und andere unerklĂ€rbare PhĂ€nomene. Dass Liv genau wie Kyrre diese PhĂ€nomene teilweise wahr- und in jedem Fall ernst nimmt, ist das maßgebende Motiv des Buches, das mit dem trĂŒgerischen Eindruck des rein Visuellen arbeitet, aber die sonstige Wahrnehmung des scheinbar UnerklĂ€rbaren hochhĂ€lt. Dabei wird ĂŒber die QualitĂ€t dieser nicht sichtbaren Wesen rĂ€soniert, also ob sie nun MĂ€rchen sind oder nicht, ob sie in Erscheinung treten, oder nur im Schatten verbleiben und welche Ereignisse man ihnen sicher und lieber nicht zuschreiben sollte. Als weltlicher Handlungsstrang wird das VerhĂ€ltnis von Liv zu ihrer Mutter, einer KĂŒnstlerin, die das Leben in der nördlichen Einsamkeit und die Abkehr von Oslo bewusst gewĂ€hlt hat, als Liv noch ein kleines Kind war, in breitesten Schattierungen ausgemalt und wie der Alltag der beiden durch Rituale, unausgesprochene Vermutungen und Gegenannahmen, nonverbale Kommunikation und Befindlichkeiten aller Art bestimmt wird. Die Suche nach einem weiteren Sinn fĂŒr ihr eigenes Leben wird fĂŒr Liv angereichert durch die Nachricht, dass ihr bis dahin relativ unbekannter Vater in England schwer erkrankt ist und sie sich nur mit MĂŒhe zu einer Reise dorthin aufraffen kann. TatsĂ€chlich kommt sie dann zu spĂ€t, denn er stirbt vor ihrer Ankunft. Dort in London ist dann eine der beklemmendsten Szenen des Romans zu finden, wenn Liv sich nĂ€mlich im Hotelrestaurant von einem feindlich gesinnten Wesen in Gestalt eines Kindes auf dem Spielplatz gegenĂŒber beobachtet fĂŒhlt. Dass dieser eindringliche, sogar gruselige Duktus nicht beibehalten wird, ist fast schade, denn man hĂ€tte sich durchaus gewĂŒnscht, dass das Buch ein bisschen an Spannung und Fahrt aufnimmt. Das passiert dann aber erst am Ende, als die vermeintliche Personifizierung der Huldra, ein MĂ€dchen namens Maia, von Liv am wiederum seltsamen und spurlosen Tod eines Sommerferiengastes schuldig gehalten wird, ihre Mutter aber gerade dieses MĂ€dchen zum PortrĂ€tieren wĂ€hlt und Liv auf diese Weise ein Eindringen des Bösen in ihre bis dahin sicheren vier WĂ€nde wĂ€hnt, wobei sie zuletzt sogar zweifelt, ob sie diese Maia wieder loswerden kann, die auffĂ€llig die NĂ€he zu ihr und ihrem Haus sucht und genau zu erkennen scheint, was Liv in ihr sieht. Das Finale fĂŒhrt dann zu einer Erlösung durch Kyrre Opdahl, der sich der Huldra opfert und sie von Livs Haus wegfĂŒhrt, nur um kurz danach mit ihr wie vom Erdboden, vermutlich in die Zwischenwelt zu verschwinden. Wie bereits anfangs erwĂ€hnt, finde ich es ganz erstaunlich, dass ein Charakter wie Liv, teilweise so antriebslos, so selbstgenĂŒgsam und in sich gekehrt, ĂŒber ein so voluminöses Buch hinweg fĂŒr Unterhaltung und teilweise Spannung sorgen kann, dass die Morde oder TodesfĂ€lle, die eigentlich ein AufhĂ€nger fĂŒr Spannung oder Grusel sein könnten, wie en passant passieren und das eigentliche Augenmerk auf die Frage des Glaubens an die unsichtbare Welt gelegt wird. Charaktertypen, Setting, HandlungsstrĂ€nge, ErzĂ€hlweise und auch das Ende passen geschmeidig zusammen und werden durch die starke Sprache, die sich auch in der gelungenen Übersetzung wunderbar prĂ€sent und doch umarmend zeigt, zu lesenswertem Leben erweckt. FĂŒr dieses Buch braucht man Muße und ein wenig Geduld, wird aber am Ende dafĂŒr belohnt.

Eines der wesentlichen Elemente der BĂŒcher und Romane von John Burnside ist die unglaublich starke, poetische und einfĂŒhlsame Sprache. Die braucht er auch, um der Geschichte den Zugang zu den Traum- und Parallelwelten zu verschaffen, die nicht nur diesen Roman prĂ€gen, sondern auch schon frĂŒher (etwa im Roman „Glister“) ein markantes Merkmal seiner ErzĂ€hlkunst waren. Hinzu kommt die Verwebung alltĂ€glicher Handlungen mit schockierenden Ereignissen sowie essentiellen Erlebnissen und GefĂŒhlen der Protagonisten, hier der jungen Liv, aus deren Perspektive die Geschichte erzĂ€hlt wird.

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Erstaunlich ist, dass man das Buch zwar nicht verschlingen mag, so spannend ist es dann doch nicht, aber man doch im steten Lesefluss gehalten wird, obwohl eigentlich sehr wenig passiert.

Die Handlung spielt auf einer Insel im nördlichen Norwegen, wo die Mitternachtssonne und der wochenlange dunkle Winter die Bevölkerung beeinflussen, ebenso aber die karge, wenngleich schöne und meditative Natur mit arktischen Pflanzen, Fjorden und dem Meer. Die starke Einwirkung der Mitternachtssonne, ihres teilweise taghellen Lichts, teilweise grÀulichen Zwielichts, befördert dabei gerade die (verfremdete) Wahrnehmung der Bewohner und InselgÀste, Schlaflosigkeit und das Glauben an die Andersartigkeit der Welt in diesen Breitengraden.

Liv hat gerade ihre SchulabschlussprĂŒfungen bestanden und rĂ€tselt ĂŒber den weiteren Fortgang ihres Lebens, als sie die Nachricht vom rĂ€tselhaften Tod eines Schulkollegen und kurz danach seines Bruders erreicht. Mangels tauglicher ErklĂ€rung sinnieren sie und ihr schrulliger Bekannter und Nachbar Kyrre Opdahl ĂŒber den Einfluss der Huldra, einer weiblichen MĂ€rchengestalt, die in einer Art Zwischenwelt leben soll und ihren Einfluss auch in der sichtbaren Welt geltend macht, ebenso wie Trolle, Geister und andere unerklĂ€rbare PhĂ€nomene. Dass Liv genau wie Kyrre diese PhĂ€nomene teilweise wahr- und in jedem Fall ernst nimmt, ist das maßgebende Motiv des Buches, das mit dem trĂŒgerischen Eindruck des rein Visuellen arbeitet, aber die sonstige Wahrnehmung des scheinbar UnerklĂ€rbaren hochhĂ€lt. Dabei wird ĂŒber die QualitĂ€t dieser nicht sichtbaren Wesen rĂ€soniert, also ob sie nun MĂ€rchen sind oder nicht, ob sie in Erscheinung treten, oder nur im Schatten verbleiben und welche Ereignisse man ihnen sicher und lieber nicht zuschreiben sollte.

Als weltlicher Handlungsstrang wird das VerhĂ€ltnis von Liv zu ihrer Mutter, einer KĂŒnstlerin, die das Leben in der nördlichen Einsamkeit und die Abkehr von Oslo bewusst gewĂ€hlt hat, als Liv noch ein kleines Kind war, in breitesten Schattierungen ausgemalt und wie der Alltag der beiden durch Rituale, unausgesprochene Vermutungen und Gegenannahmen, nonverbale Kommunikation und Befindlichkeiten aller Art bestimmt wird. Die Suche nach einem weiteren Sinn fĂŒr ihr eigenes Leben wird fĂŒr Liv angereichert durch die Nachricht, dass ihr bis dahin relativ unbekannter Vater in England schwer erkrankt ist und sie sich nur mit MĂŒhe zu einer Reise dorthin aufraffen kann. TatsĂ€chlich kommt sie dann zu spĂ€t, denn er stirbt vor ihrer Ankunft. Dort in London ist dann eine der beklemmendsten Szenen des Romans zu finden, wenn Liv sich nĂ€mlich im Hotelrestaurant von einem feindlich gesinnten Wesen in Gestalt eines Kindes auf dem Spielplatz gegenĂŒber beobachtet fĂŒhlt. Dass dieser eindringliche, sogar gruselige Duktus nicht beibehalten wird, ist fast schade, denn man hĂ€tte sich durchaus gewĂŒnscht, dass das Buch ein bisschen an Spannung und Fahrt aufnimmt. Das passiert dann aber erst am Ende, als die vermeintliche Personifizierung der Huldra, ein MĂ€dchen namens Maia, von Liv am wiederum seltsamen und spurlosen Tod eines Sommerferiengastes schuldig gehalten wird, ihre Mutter aber gerade dieses MĂ€dchen zum PortrĂ€tieren wĂ€hlt und Liv auf diese Weise ein Eindringen des Bösen in ihre bis dahin sicheren vier WĂ€nde wĂ€hnt, wobei sie zuletzt sogar zweifelt, ob sie diese Maia wieder loswerden kann, die auffĂ€llig die NĂ€he zu ihr und ihrem Haus sucht und genau zu erkennen scheint, was Liv in ihr sieht. Das Finale fĂŒhrt dann zu einer Erlösung durch Kyrre Opdahl, der sich der Huldra opfert und sie von Livs Haus wegfĂŒhrt, nur um kurz danach mit ihr wie vom Erdboden, vermutlich in die Zwischenwelt zu verschwinden.

Wie bereits anfangs erwĂ€hnt, finde ich es ganz erstaunlich, dass ein Charakter wie Liv, teilweise so antriebslos, so selbstgenĂŒgsam und in sich gekehrt, ĂŒber ein so voluminöses Buch hinweg fĂŒr Unterhaltung und teilweise Spannung sorgen kann, dass die Morde oder TodesfĂ€lle, die eigentlich ein AufhĂ€nger fĂŒr Spannung oder Grusel sein könnten, wie en passant passieren und das eigentliche Augenmerk auf die Frage des Glaubens an die unsichtbare Welt gelegt wird. Charaktertypen, Setting, HandlungsstrĂ€nge, ErzĂ€hlweise und auch das Ende passen geschmeidig zusammen und werden durch die starke Sprache, die sich auch in der gelungenen Übersetzung wunderbar prĂ€sent und doch umarmend zeigt, zu lesenswertem Leben erweckt. FĂŒr dieses Buch braucht man Muße und ein wenig Geduld, wird aber am Ende dafĂŒr belohnt.

geschrieben am 15.10.2012 | 752 Wörter | 4394 Zeichen

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