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Das Beste, was wir hatten


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Das Beste, was wir hatten Für die Lektüre dieses Buches muss man entweder ein gewisses Alter bereits erreicht haben oder sich zumindest in erhöhtem Maße mit Politik und Zeitgeschichte befasst haben. Anderenfalls wird man die vielen Details und schönen Blenden auf die Zeit der Bundesrepublik Deutschland bis zum Mauerfall weder verstehen noch schätzen können. Denn der Blick auf die BRD ist, so hart dies klingen mag, das eigentliche Highlight des Romans. Der Protagonist oder die eigentliche Handlung sind es nicht, dafür bleibt beides zu unaufdringlich. Es ist beileibe kein Makel, dass die Hauptfigur Gregor Korff oftmals als Mitgetragener wirkt, als eine leicht fragile Persönlichkeit, die zwar die Höhenluft der Macht im Bonner Politbetrieb schnuppern darf, aber für den dann doch immer im entscheidenden Moment entschieden wurde und der erst spät sein Leben in die eigene Hand nimmt. Wenn man aber nur diese Hauptfigur und die Geschichte rundherum heranzöge, wäre wenigstens meiner Meinung nach das Buch nicht erfüllend. Es braucht schon das Drumherum der BRD und der Nachwehen der Wiedervereinigung, um die Handlungen und Zeitsprünge mit Würze zu versehen. Neben Korff treten maßgeblich sein Freund aus Studienzeiten Leo Münks und dessen Ehefrau Anita auf den Plan. Neben der Grundspannung aus dem Beginn der Freundschaft, Leo arbeitete schon als Student für den Verfassungsschutz und berichtete dabei auch über Korff, seinerzeit Mitglied einer kommunistischen Bewegung, wird die Beziehung auch durch die Affäre zwischen Anita und Korff beansprucht, zerbricht aber nicht. Ebenso wie Korff findet auch Leo den Sprung aus dem Politbetrieb just dann, als die Karawane aus dem Rheinland ins gelobte Berlin weiterzieht, um dort anzukommen, wo man ja schon immer hinwollte - weit gefehlt erkennen Korff und Münks. Für Korff ist ebenso der Fußballfreund aus Berliner Zeiten Carl Schelling, nunmehr Archivar, von Bedeutung, der sich einer konspirativen Vereinigung angeschlossen hat. Dieser wird beim Versuch, die Wacht am Rhein zu sprengen, observiert und verhaftet, anschließend zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und dabei unter maßgeblicher Beteiligung von Anita und Korff befreit, um ein neues Leben in Amsterdam beginnen zu können. Zu diesem Schritt eines radikalen Neuanfangs, der Korff tief beeindruckt, ist er letzten Endes selbst aber doch nicht bereit. Viele aus dem realen Leben von BRD-Politikern entnommene Teilstücke des Romans, etwa die auf Korff angesetzte Stasi-Agentin Sonja, die ihm sukzessive Informationen entlockte und somit seine spätere Entlassung als politischer Berater des Innenministers verursachte, könnten für meinen Geschmack viel spannender ausgestaltet sein, würden dann aber dem teilweise phlegmatischen Charakter der Hauptfigur nicht gerecht. Immerhin erlebt dieser nach dem Verlassenwerden durch die Agentin einmal echte und negative Emotionen, eine Wohltat nach beschriebener jahrelanger Verhätschelung durch das Leben, ebenso der Spruch des Freundes Uli Goergen, dass ihm der Weltgeist keinen neuen Job zutragen werde. Auch die wie nebenbei eingeflochtene Information, dass sich der nüchterne Korff in eine Psychoanalyse begeben hat, hätte noch mehr zur Tiefenschärfung des Charakters ausgeführt werden können. Ebenso lakonisch wie die Hauptfigur geraten aber auch echte Zeitgeschehnisse, etwa das Erschießungsdrama in Bad Kleinen. Wenn man die wenigen Absätze hierzu liest, denkt man schon mit ein wenig Wehmut an bewegende Romane hierzu wie von Christoph Hein, In seiner frühen Kindheit ein Garten. Bedauerlich ist, dass zwar die Anfänge aus Korffs Kindheit, in der er mit seinem Freund Nott eine verlassene Hütte renoviert und dort schöne Zeiten in gepflegter Langeweile verbringt, am Ende wieder aufgegriffen werden, andererseits die Rolle des Nott sich nur im späteren zufälligen Wiedersehen und der Verteidigung des Carl Schelling vor Gericht erschöpft: diese Männerfreundschaft hätte das Potenzial zu mehr Tiefe gehabt. Auch die Ansätze der Meinungen zur Wiedervereinigung hätten pointierter zugespitzt werden können. So blitzt nur vereinzelt einmal hervor, wie der Beitritt der DDR politisch und wirtschaftlich gesehen wurde, wenn Korff etwa denkt: „In einem Jahr haben wir den Laden übernommen.“ Dennoch: das Buch hinterlässt durch die schöne Sprache, die treffenden Bilder und die immer wieder eingestreuten Zuspitzungen („Deutsche Professoren waren aber in den vergangenen drei Jahrzehnten zu allerhand fähig.“ - „Von Normalität faselt ja heute jeder. Deshalb haben wir ja auch endlich wieder Krieg in der Nachbarschaft.“) ein Lächeln auf dem Gesicht des Lesers und einen heftigeren Eindruck darf das Buch sicherlich nicht hervorrufen: Gregor Korff liebte das Rheinland und die Bundesrepublik. Dort war es vernünftig, so wenig extrem, so gemäßigt. Nur keine Aufregung. So und so ähnlich hat man noch selbst bundesrepublikanische Zeiten erlebt, gebremstes Hurra, das blühende Provisorium Westdeutschland. Irgendwie wurde Korff auf seinem „langen Heimweg nach Westen“ von der Geschichte überholt und man kann sich am halbwegs offenen Ende schon fragen, ob dieser Protagonist in Zeiten des Web 2.0 Überlebenschancen hat - man muss es aber nicht: man kann den Blick einfach in der Vergangenheit belassen und sich über die Epoche der BRD freuen, in der nicht alles schlecht war, auf das man mit dem Abstand von Jahren und einem leicht ironischen Lächeln sieht.

Für die Lektüre dieses Buches muss man entweder ein gewisses Alter bereits erreicht haben oder sich zumindest in erhöhtem Maße mit Politik und Zeitgeschichte befasst haben. Anderenfalls wird man die vielen Details und schönen Blenden auf die Zeit der Bundesrepublik Deutschland bis zum Mauerfall weder verstehen noch schätzen können. Denn der Blick auf die BRD ist, so hart dies klingen mag, das eigentliche Highlight des Romans. Der Protagonist oder die eigentliche Handlung sind es nicht, dafür bleibt beides zu unaufdringlich. Es ist beileibe kein Makel, dass die Hauptfigur Gregor Korff oftmals als Mitgetragener wirkt, als eine leicht fragile Persönlichkeit, die zwar die Höhenluft der Macht im Bonner Politbetrieb schnuppern darf, aber für den dann doch immer im entscheidenden Moment entschieden wurde und der erst spät sein Leben in die eigene Hand nimmt. Wenn man aber nur diese Hauptfigur und die Geschichte rundherum heranzöge, wäre wenigstens meiner Meinung nach das Buch nicht erfüllend. Es braucht schon das Drumherum der BRD und der Nachwehen der Wiedervereinigung, um die Handlungen und Zeitsprünge mit Würze zu versehen.

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Neben Korff treten maßgeblich sein Freund aus Studienzeiten Leo Münks und dessen Ehefrau Anita auf den Plan. Neben der Grundspannung aus dem Beginn der Freundschaft, Leo arbeitete schon als Student für den Verfassungsschutz und berichtete dabei auch über Korff, seinerzeit Mitglied einer kommunistischen Bewegung, wird die Beziehung auch durch die Affäre zwischen Anita und Korff beansprucht, zerbricht aber nicht. Ebenso wie Korff findet auch Leo den Sprung aus dem Politbetrieb just dann, als die Karawane aus dem Rheinland ins gelobte Berlin weiterzieht, um dort anzukommen, wo man ja schon immer hinwollte - weit gefehlt erkennen Korff und Münks.

Für Korff ist ebenso der Fußballfreund aus Berliner Zeiten Carl Schelling, nunmehr Archivar, von Bedeutung, der sich einer konspirativen Vereinigung angeschlossen hat. Dieser wird beim Versuch, die Wacht am Rhein zu sprengen, observiert und verhaftet, anschließend zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und dabei unter maßgeblicher Beteiligung von Anita und Korff befreit, um ein neues Leben in Amsterdam beginnen zu können. Zu diesem Schritt eines radikalen Neuanfangs, der Korff tief beeindruckt, ist er letzten Endes selbst aber doch nicht bereit.

Viele aus dem realen Leben von BRD-Politikern entnommene Teilstücke des Romans, etwa die auf Korff angesetzte Stasi-Agentin Sonja, die ihm sukzessive Informationen entlockte und somit seine spätere Entlassung als politischer Berater des Innenministers verursachte, könnten für meinen Geschmack viel spannender ausgestaltet sein, würden dann aber dem teilweise phlegmatischen Charakter der Hauptfigur nicht gerecht. Immerhin erlebt dieser nach dem Verlassenwerden durch die Agentin einmal echte und negative Emotionen, eine Wohltat nach beschriebener jahrelanger Verhätschelung durch das Leben, ebenso der Spruch des Freundes Uli Goergen, dass ihm der Weltgeist keinen neuen Job zutragen werde.

Auch die wie nebenbei eingeflochtene Information, dass sich der nüchterne Korff in eine Psychoanalyse begeben hat, hätte noch mehr zur Tiefenschärfung des Charakters ausgeführt werden können.

Ebenso lakonisch wie die Hauptfigur geraten aber auch echte Zeitgeschehnisse, etwa das Erschießungsdrama in Bad Kleinen. Wenn man die wenigen Absätze hierzu liest, denkt man schon mit ein wenig Wehmut an bewegende Romane hierzu wie von Christoph Hein, In seiner frühen Kindheit ein Garten.

Bedauerlich ist, dass zwar die Anfänge aus Korffs Kindheit, in der er mit seinem Freund Nott eine verlassene Hütte renoviert und dort schöne Zeiten in gepflegter Langeweile verbringt, am Ende wieder aufgegriffen werden, andererseits die Rolle des Nott sich nur im späteren zufälligen Wiedersehen und der Verteidigung des Carl Schelling vor Gericht erschöpft: diese Männerfreundschaft hätte das Potenzial zu mehr Tiefe gehabt.

Auch die Ansätze der Meinungen zur Wiedervereinigung hätten pointierter zugespitzt werden können. So blitzt nur vereinzelt einmal hervor, wie der Beitritt der DDR politisch und wirtschaftlich gesehen wurde, wenn Korff etwa denkt: „In einem Jahr haben wir den Laden übernommen.“

Dennoch: das Buch hinterlässt durch die schöne Sprache, die treffenden Bilder und die immer wieder eingestreuten Zuspitzungen („Deutsche Professoren waren aber in den vergangenen drei Jahrzehnten zu allerhand fähig.“ - „Von Normalität faselt ja heute jeder. Deshalb haben wir ja auch endlich wieder Krieg in der Nachbarschaft.“) ein Lächeln auf dem Gesicht des Lesers und einen heftigeren Eindruck darf das Buch sicherlich nicht hervorrufen: Gregor Korff liebte das Rheinland und die Bundesrepublik. Dort war es vernünftig, so wenig extrem, so gemäßigt. Nur keine Aufregung. So und so ähnlich hat man noch selbst bundesrepublikanische Zeiten erlebt, gebremstes Hurra, das blühende Provisorium Westdeutschland. Irgendwie wurde Korff auf seinem „langen Heimweg nach Westen“ von der Geschichte überholt und man kann sich am halbwegs offenen Ende schon fragen, ob dieser Protagonist in Zeiten des Web 2.0 Überlebenschancen hat - man muss es aber nicht: man kann den Blick einfach in der Vergangenheit belassen und sich über die Epoche der BRD freuen, in der nicht alles schlecht war, auf das man mit dem Abstand von Jahren und einem leicht ironischen Lächeln sieht.

geschrieben am 11.04.2010 | 788 Wörter | 4597 Zeichen

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