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Erlkönig. Essays zur deutschen Dichtung und Religion


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Rezension von

Daniel Bigalke

Erlkönig. Essays zur deutschen Dichtung und Religion Die Einsicht in das geschichtslose und durch Technik regulierte System unserer Zivilisation verleitet leicht dazu, seine Demontage zu verlangen und eine Rückkehr in ein gleichsam primäres System zu erstreben. So könne nach dieser Haltung die Weltanschauung, welche die Reduktion des Individuums und die Erfahrungsleere des modernen Menschen, verdingt in Fließbandarbeit, beruflichen Alltag und mechanistische Arbeitsteilung, abgeschafft werden. Dies ist es nicht, wozu das vorliegende Buch offensiv aufruft, wohl aber ist es sein Anspruch, Klarheit über jene Prozesse zu gewinnen und Auswege im Denken offensiv zu diskutieren. Die zwölf Aufsätze des Bandes umkreisen das deutsche Volkstum, das Reich, Mythos und Sprache der Deutschen. In Fundamentalkritik zur Nachkriegsentwicklung wird dargetan, daß gesellschaftspolitische, kulturelle, religiöse und ökologische Probleme der Gegenwart auf ein gestörtes Verhältnis zum Wesen und zur Empfindungswelt unseres Volkes zurückzuführen sind. Klar wird stets, daß das nachkriegsdemokratische „sekundäre System“ (Hans Freyer) keine Grundlage in Richtung Geschichte mehr sichern konnte oder wollte. Sie ist aber nicht verloren, sondern abgeschnitten. So ergibt sich die freischwebende Traditionsabgeschnittenheit, in der das traditionale einst primäre Leben von den Institutionen und vom Veranstaltungsbetrieb abgenommen, oder gebrauchfertig geliefert wird. Die Traditionsabgeschnittenheit – so ließe sich als Konsequenz aus Lammlas Essays bilanzieren – wird daran deutlich, daß dem Menschen die Möglichkeit einer freien und selbstverantwortlichen Lebensführung vom System abgenommen wird, was einem Zustand des reinen Falls, des totalen Nihilismus gleichkommt. Lammla schreibt: „In Deutschland ist der Nihilismus weit fortgeschritten.“ - Spengler setzte einst an diese Stelle den Metropolitismus als Symbol des Verderbens und der Zivilisation, in dem die nervöse Masse mittels Filmen und Sportwettkämpfen auf der Suche nach Entspannung ist, weil die verankerten Traditionen, die moralischen Kriterien und das religiöse Erlebnis verloren gingen. Und genau um dieses Erlebnis geht es auch Lammla, wie der Titel des Buches bereits verheißt. Ausgehend von den Ideen der deutschen Klassik arbeitet der Autor weiter das gesellschaftsgestaltende Potential der Literatur heraus und zeigt Wege, Grundlagen für eine neue Welterfahrungs- und Lebensweise zu schaffen. Die Entdeckung des Nihil in der Mathematik ist die eigentliche Geburtsstunde der Entwicklung, deren Ende Nietzsche als Nihilismus prophezeite. Wenn der Mensch von räumlicher und zeitlicher Unendlichkeit umgeben ist, hat er nicht mehr zu bedeuten, als irgendeine gebrochene Menge, deren Nenner das Unendliche ist, Nihil, Null. Der entwurzelte Mensch bei Lammla ist aus seiner Achse geworfen, weil er keine Perspektive mehr hat. Er findet keine Orientierung mehr, sieht den sekundären Zustand als den normalen an, spürt aber, daß ihm dennoch etwas fehlt. Dabei wird aber gerade in den Essays des Buches deutlich, daß die gegenwärtigen Verirrungen keine schicksalhafte Notwendigkeit haben, sondern von deutschen Denkern mitverschuldet sind. Die vielfältigen Ansätze vereinigen sich in dem Aufruf an die Dichter, Mut zu fassen für die Gestaltung eines neuen Staates. Dieser korreliert durchaus mit der Reichsidee, dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, welches bei Lammla als Terminus nicht pejorativ besetzt ist, sondern vielmehr den tief gläubigen Menschen des Mittelalters würdigt, der der göttlichen Ordnung sehr viel näher gewesen sei, als die heutigen Zeitgenossen. Die mediale Welt der Gegenwart wird als wenig hilfreich auf dem Weg der Lösung gesehen. Sie sei vor allem die Überbewertung des Sachverhalte vermittelnden Bildes vor dem Wort. Man könnte weiter schließen: Die neue Bedrohung des Politischen besteht in der Entstehung der Expertokratie. Die Politiker verschanzen sich hinter Meinung von Experten, die selbst keine Gelegenheit auslassen, die Komplexität ihrer Felder zu betonen, so daß im Ernstfall die Verantwortung niemandem zuzuordnen ist. Die Konsequenz ist die rationalisierte und bürokratisierte Regierungsform. Die Homogenisierung aller Lebensbereiche, beschleunigt durch die Medien und die Ideologie des Konsums, hat dazu geführt, daß sich die Anhänger verschiedener politischer Richtungen immer ähnlicher werden. Das hat die Atomisierung der Wählerschaft bewirkt. Es herrscht die Instabilität der öffentlichen Meinung, die Vorbehalte der Experten zu einer Politik des Zögerns, die statt Lösungen vor allem Unentschlossenheit produziert. Die Folge ist ein inkohärenter Regierungsstil, der fallweise auf die Klagen und Forderungen der verschiedenen Gruppen reagiert. Aus politischer Demokratie wird Meinungsdemokratie, aus politischem Handeln die bloße Buchführung über wirtschaftliche Zwänge und gesellschaftliche Forderungen. Den Intellektuellen bleibt also die Wahl, sich in den Elfenbeinturm wissenschaftlicher Forschung zurückzuziehen, am medialen Zirkus teilzunehmen oder aber als Schriftsteller diese Fragen außerhalb des Elfenbeinturms frei zu thematisieren. Genau dies absolviert das vorliegende Buch, welches sich gut in die vielen lyrischen Arbeiten des Autors einfügt und im Gegensatz zu den Verirrungen der modernen Welt das magische Weltbild schätzt, weil es zwischen Zeichen und Figuren Korrespondenzen sieht, die über die rationale Kausalkette hinausgehen und damit tatsächlich einer neuen Vitalität der Lebensbereiche den Weg bahnt und dabei furchtlos agiert. Der Furchtsame hingegen bringt selbst die Dämonen hervor, die ihn zerstören. Der Ausweg ist also in diesem Buch die Kunst, die Lyrik und das freie Denken, welches sich mutig kundtut. Das vorliegende Werk wird damit seinem immanenten Selbstanspruch in Gänze gerecht.

Die Einsicht in das geschichtslose und durch Technik regulierte System unserer Zivilisation verleitet leicht dazu, seine Demontage zu verlangen und eine Rückkehr in ein gleichsam primäres System zu erstreben. So könne nach dieser Haltung die Weltanschauung, welche die Reduktion des Individuums und die Erfahrungsleere des modernen Menschen, verdingt in Fließbandarbeit, beruflichen Alltag und mechanistische Arbeitsteilung, abgeschafft werden.

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Dies ist es nicht, wozu das vorliegende Buch offensiv aufruft, wohl aber ist es sein Anspruch, Klarheit über jene Prozesse zu gewinnen und Auswege im Denken offensiv zu diskutieren. Die zwölf Aufsätze des Bandes umkreisen das deutsche Volkstum, das Reich, Mythos und Sprache der Deutschen. In Fundamentalkritik zur Nachkriegsentwicklung wird dargetan, daß gesellschaftspolitische, kulturelle, religiöse und ökologische Probleme der Gegenwart auf ein gestörtes Verhältnis zum Wesen und zur Empfindungswelt unseres Volkes zurückzuführen sind. Klar wird stets, daß das nachkriegsdemokratische „sekundäre System“ (Hans Freyer) keine Grundlage in Richtung Geschichte mehr sichern konnte oder wollte. Sie ist aber nicht verloren, sondern abgeschnitten.

So ergibt sich die freischwebende Traditionsabgeschnittenheit, in der das traditionale einst primäre Leben von den Institutionen und vom Veranstaltungsbetrieb abgenommen, oder gebrauchfertig geliefert wird. Die Traditionsabgeschnittenheit – so ließe sich als Konsequenz aus Lammlas Essays bilanzieren – wird daran deutlich, daß dem Menschen die Möglichkeit einer freien und selbstverantwortlichen Lebensführung vom System abgenommen wird, was einem Zustand des reinen Falls, des totalen Nihilismus gleichkommt. Lammla schreibt: „In Deutschland ist der Nihilismus weit fortgeschritten.“ - Spengler setzte einst an diese Stelle den Metropolitismus als Symbol des Verderbens und der Zivilisation, in dem die nervöse Masse mittels Filmen und Sportwettkämpfen auf der Suche nach Entspannung ist, weil die verankerten Traditionen, die moralischen Kriterien und das religiöse Erlebnis verloren gingen. Und genau um dieses Erlebnis geht es auch Lammla, wie der Titel des Buches bereits verheißt.

Ausgehend von den Ideen der deutschen Klassik arbeitet der Autor weiter das gesellschaftsgestaltende Potential der Literatur heraus und zeigt Wege, Grundlagen für eine neue Welterfahrungs- und Lebensweise zu schaffen. Die Entdeckung des Nihil in der Mathematik ist die eigentliche Geburtsstunde der Entwicklung, deren Ende Nietzsche als Nihilismus prophezeite. Wenn der Mensch von räumlicher und zeitlicher Unendlichkeit umgeben ist, hat er nicht mehr zu bedeuten, als irgendeine gebrochene Menge, deren Nenner das Unendliche ist, Nihil, Null. Der entwurzelte Mensch bei Lammla ist aus seiner Achse geworfen, weil er keine Perspektive mehr hat. Er findet keine Orientierung mehr, sieht den sekundären Zustand als den normalen an, spürt aber, daß ihm dennoch etwas fehlt.

Dabei wird aber gerade in den Essays des Buches deutlich, daß die gegenwärtigen Verirrungen keine schicksalhafte Notwendigkeit haben, sondern von deutschen Denkern mitverschuldet sind. Die vielfältigen Ansätze vereinigen sich in dem Aufruf an die Dichter, Mut zu fassen für die Gestaltung eines neuen Staates. Dieser korreliert durchaus mit der Reichsidee, dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, welches bei Lammla als Terminus nicht pejorativ besetzt ist, sondern vielmehr den tief gläubigen Menschen des Mittelalters würdigt, der der göttlichen Ordnung sehr viel näher gewesen sei, als die heutigen Zeitgenossen.

Die mediale Welt der Gegenwart wird als wenig hilfreich auf dem Weg der Lösung gesehen. Sie sei vor allem die Überbewertung des Sachverhalte vermittelnden Bildes vor dem Wort. Man könnte weiter schließen: Die neue Bedrohung des Politischen besteht in der Entstehung der Expertokratie. Die Politiker verschanzen sich hinter Meinung von Experten, die selbst keine Gelegenheit auslassen, die Komplexität ihrer Felder zu betonen, so daß im Ernstfall die Verantwortung niemandem zuzuordnen ist. Die Konsequenz ist die rationalisierte und bürokratisierte Regierungsform. Die Homogenisierung aller Lebensbereiche, beschleunigt durch die Medien und die Ideologie des Konsums, hat dazu geführt, daß sich die Anhänger verschiedener politischer Richtungen immer ähnlicher werden. Das hat die Atomisierung der Wählerschaft bewirkt. Es herrscht die Instabilität der öffentlichen Meinung, die Vorbehalte der Experten zu einer Politik des Zögerns, die statt Lösungen vor allem Unentschlossenheit produziert. Die Folge ist ein inkohärenter Regierungsstil, der fallweise auf die Klagen und Forderungen der verschiedenen Gruppen reagiert. Aus politischer Demokratie wird Meinungsdemokratie, aus politischem Handeln die bloße Buchführung über wirtschaftliche Zwänge und gesellschaftliche Forderungen.

Den Intellektuellen bleibt also die Wahl, sich in den Elfenbeinturm wissenschaftlicher Forschung zurückzuziehen, am medialen Zirkus teilzunehmen oder aber als Schriftsteller diese Fragen außerhalb des Elfenbeinturms frei zu thematisieren. Genau dies absolviert das vorliegende Buch, welches sich gut in die vielen lyrischen Arbeiten des Autors einfügt und im Gegensatz zu den Verirrungen der modernen Welt das magische Weltbild schätzt, weil es zwischen Zeichen und Figuren Korrespondenzen sieht, die über die rationale Kausalkette hinausgehen und damit tatsächlich einer neuen Vitalität der Lebensbereiche den Weg bahnt und dabei furchtlos agiert.

Der Furchtsame hingegen bringt selbst die Dämonen hervor, die ihn zerstören. Der Ausweg ist also in diesem Buch die Kunst, die Lyrik und das freie Denken, welches sich mutig kundtut. Das vorliegende Werk wird damit seinem immanenten Selbstanspruch in Gänze gerecht.

geschrieben am 10.05.2009 | 785 Wörter | 4985 Zeichen

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