ISBN | 3806227837 | |
Autoren | Helmuth Schneider , Rainer S. Elkar , Katrin Keller | |
Verlag | Theiss Verlag | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 224 | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Extras | - |
Wie aus Kunst Arbeit wurde
Die gute alte eurozentristische Geisteswissenschaft wird uns alle ĂŒberdauern. Sie ist das Produkt der positivistischen Weltsicht des 19. Jahrhunderts, bestimmt und erklĂ€rt, was wie gewesen ist. Sie ist oft und zurecht angegriffen worden, aber sie bleibt trotz aller RelativitĂ€t, InterdisziplinaritĂ€t oder Metahistory fĂŒhrend. So war es und nicht anders. Linearer Fortschrittsglaube, gepaart mit religiösem WeltverstĂ€ndnis, Chauvinismus und objektiver Wissenschaftshörigkeit. Wer wollte wagen zu widersprechen, dass 1989 die Berliner Mauer gefallen ist? Aber kann man genau so bedenkenlos sagen, dass die ersten Hebewerkzeuge des Menschen (ja, des Menschen in seiner Art) geschliffene Steinchopper waren? Kann man behaupten, dass das erste Kunstwerk des Menschen vor 40000 Jahren gemalt wurde? Kann man machen, aber nur dann, wenn man einige anthropologische EinschrĂ€nkungen einbaut, wie bspw. man nimmt an oder es sieht so aus.
Derlei demĂŒtiges Vorgehen fehlt leider in dem opulenten Band der Historikergilde um den MĂŒnchener Professor Rainer Elkar, die im Theiss-Verlag die vermeintlich erste Universalgeschichte des europĂ€ischen Handwerkes vorlegen. Ob dem so ist, sei dahin gestellt, es ist jedenfalls (im Rahmen der oben gemachten EinschrĂ€nkungen) eine ganz klassische, lineare ErzĂ€hlung von Urzeit ĂŒber Steinzeit bis hin in die europĂ€ische Antike und von da den ĂŒblichen Weg entlang bis ins 21. Jahrhundert.
Nichts wirklich Neues, aber tatsĂ€chlich umfassend. Leider sind die Fotografien, das Artwork und auch die Gestaltung ein wenig - naja, sagen wirs offen - akademisch geraten. Das heiĂt: der Versuch zur Handhabbarkeit ist gegeben, die Umsetzung hat noch ein paar LĂŒcken. Es ist nĂ€mlich definitiv ein populĂ€rwissenschaftliches Buch, was sich an den normalen BĂŒrger richtet und von daher auch gut lesbar ist. Da wĂ€re ein kleineres Format wĂŒnschenswert gewesen, weil man es ja nicht im Lesesaal goutiert, sondern eventuell im Bett oder auf der Couch.
Die Fotos sind qualitativ hochwertig. Von der Auswahl pendeln sie zwischen oft gesehen und krude (die Abbildungen moderner Lehrlinge im Kapitel der mittelalterlichen Gilden). Das Beste an diesem Buch ist sicherlich die Gewichtung, die frĂŒheren Zeiten mehr hervorzuheben und das 20. und 21. Jahrhundert abschlieĂend mit wenigen Seiten darzustellen. Das ist nicht nur korrekt (heute ist Handwerk eher Kopfwerk), sondern auch sympathisch.
Fazit: Wenn man auf eine vermeintlich lineare Wirklichkeit steht und sich nicht daran stört, beim Lesen unter der Lampe zu sitzen und den opulenten Band vor sich auszubreiten, eine umfassende und unterhaltsame Geschichte. Wer die Welt nicht cartesiansich, nicht christlich und eher zyklisch betrachtet, sollte eben jene EinschrÀnkungen bewusst von vornherein akzeptieren. Auch dann kann man hier eine Menge herausholen.
geschrieben am 08.07.2015 | 409 Wörter | 2459 Zeichen
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