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Helmut Kolle


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Helmut Kolle Perioden gesellschaftlicher Umbrüche und ökonomischer Krisen sind stets auch Hoch-Phasen in der Kunst. Nicht nur entstehen Kunstwerke großer Qualität. Die Gegenwart verlangt daneben eine Rückbesinnung auf das Wahre, Gute und Schöne aus vergangener Zeit. So ist es kein Zufall, dass gerade jetzt eine furiose Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz (noch bis zum 1. Mai 2011) den deutschen Maler Helmut Kolle zurück ins deutsche Bewusstsein holt. Der begleitende Katalog aus dem Verlag Edition Minerva ist die erste umfassende Monographie zum Maler. Kolle wurde 1899 im heutigen Berlin-Charlottenburg geboren. Er war Sohn des bekannten Bakteriologen Wilhelm Kolle, was mit jeder seiner neuen Berufungen einen Ortswechsel mit sich zog. So lebte die Familie zwischen 1906 und 1917 in Bern, um 1917 nach Frankfurt am Main zu ziehen. Zu dieser Zeit lernte Helmut Kolle den 25 Jahre älteren Schriftsteller Wilhelm Uhde kennen. Die beiden wurden ein Paar, und Uhde förderte Kolle nach Möglichkeit. Uhde hatte nicht nur Einfluss auf Kolles künstlerisches Talent, auf seine ästhetischen Ansichten und seinen Stil. Er setzte sich auch dafür ein, dass Kolle in namhaften Galerien ausstellen konnte und positive Besprechungen bekam. Bekannte Dandys säumen den kurzen Lebensweg des brillanten Malers. Kolles erste literarische Versuche erschienen 1920 in der ersten und einzigen Ausgabe der Zeitschrift Die Freude: neben sechs Gedichten einige Rezensionen. In derselben Zeitschrift wurden Erinnerungen an Hermann Bang gedruckt. 1924 publizierte der Flaneur Franz Hessel in seiner Monatsschrift Vers und Prosa Kolles autobiographischen Text Peer. Briefe eines Malers: Es ist eine poetische Träumerei, eine Schwelgerei, in der Peer das Ideal-Schöne verkörpert und symbolisiert. Der Hymnus an den schönen Jungen endet mit den Worten: »Nie mehr gehe ich Dich unter den Menschen suchen. Du wirst eine rosa Wolke sein über dem Arc de Triomphe - die seltsame Quader von hellem Braun im alten Gestein - der letzte Ton auf meiner Palette, wenn ich gestorben bin.« Dieses anzustrebende ästhetische Ideal droht Kolle wie Sand durch die Finger zu rinnen, ist er doch chronisch krank. Im ersten Lebensjahr erleidet er eine schwere Lungen- und Blinddarmentzündung, deren Folgen in Schüben ihn sein gesamtes Leben lang begleiten sollen. So ist sein Œuvre, wie das anderer genialischer Getriebener - man denkt unweigerlich an Marcel Proust - getragen von einer mangelnden körperlichen Leistungsfähigkeit und dem Bewusstsein der Endlichkeit. 1924 gehen Kolle und Uhde nach Paris. Hier studiert der junge Maler mit deutschen Wurzeln in den Museen die französischen Klassiker. Außerdem schult er sein Auge an der damaligen Avantgarde, zuerst an Picasso und Braque. Nun wurde Kolle ungeheuer erfolgreich. Nicht nur erschienen in deutschen Zeitungen bewundernde Besprechungen. Uhde war es durch seine Bemühungen gelungen, für seine junge Muse renommierte Galerien für Ausstellungen zu gewinnen. Ästhetisch bewusste Sammler sorgten für einen grandiosen Verkauf seiner Bilder. Kolle gelang es, in der europäischen Kulturmetropole die deutsche Enge abzustreifen. Von seinem dandyesken Vexierspiel zeugt Kolles Lust, in Gesprächen seine Vita phantasiereich auszuschmücken. So sind es nicht zufällig seine Selbstportraits, die am tiefsten anrühren. Sie spiegeln das körperliche Leiden ihres Schöpfers und scheinen umso intensiver zu werden, je schlechter es ihm geht. Helmut Kolle starb am 17. November 1931 in Chantilly. Die grandiose Ausstellung in Chemnitz präsentiert erstmalig in Deutschland einen umfangreichen Querschnitt aus Kolles Werk: Insgesamt 88 Einzelstücke zählen Schau und Katalogbuch, das eine eigene Würdigung verdient. Die beeindruckenden Gemälde werden in dem opulenten Bildband auf großformatigen Tafeln präsentiert. Eine Reihe von Textbeiträgen beleuchtet Kolles Werk, das in nur einem Jahrzehnt entstand, aus verschiedenen Blickwinkeln. Untersucht wird Kolles Schaffen im Kontext seiner zeitgenössischen Kunst im Paris der 1920er-Jahre. Ein eigener Beitrag widmet sich der Körpersprache in Kolles Bildern. Ein sehr aktuell ausgerichteter Aufsatz bringt das Œuvre in Zusammenhang mit der Männlichkeitsforschung. Philippe Chabert und Manja Wilkens beschäftigen sich in ihren Texten auch mit Wilhelm Uhde, ohne dessen tatkräftige und lange Unterstützung dieses brillante Werk wohl kaum entstanden wäre. Eine herausragende Ausstellung - kongenial dokumentiert durch einen bibliophilen Katalog - die den deutschen Dandy in Paris zum ersten Mal in seinem Gesamt- Œuvre präsentiert. Leider ist sie danach nur noch im Ernst-Barlach-Haus in Hamburg zu sehen.

Perioden gesellschaftlicher Umbrüche und ökonomischer Krisen sind stets auch Hoch-Phasen in der Kunst. Nicht nur entstehen Kunstwerke großer Qualität. Die Gegenwart verlangt daneben eine Rückbesinnung auf das Wahre, Gute und Schöne aus vergangener Zeit. So ist es kein Zufall, dass gerade jetzt eine furiose Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz (noch bis zum 1. Mai 2011) den deutschen Maler Helmut Kolle zurück ins deutsche Bewusstsein holt. Der begleitende Katalog aus dem Verlag Edition Minerva ist die erste umfassende Monographie zum Maler.

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Kolle wurde 1899 im heutigen Berlin-Charlottenburg geboren. Er war Sohn des bekannten Bakteriologen Wilhelm Kolle, was mit jeder seiner neuen Berufungen einen Ortswechsel mit sich zog. So lebte die Familie zwischen 1906 und 1917 in Bern, um 1917 nach Frankfurt am Main zu ziehen. Zu dieser Zeit lernte Helmut Kolle den 25 Jahre älteren Schriftsteller Wilhelm Uhde kennen. Die beiden wurden ein Paar, und Uhde förderte Kolle nach Möglichkeit. Uhde hatte nicht nur Einfluss auf Kolles künstlerisches Talent, auf seine ästhetischen Ansichten und seinen Stil. Er setzte sich auch dafür ein, dass Kolle in namhaften Galerien ausstellen konnte und positive Besprechungen bekam.

Bekannte Dandys säumen den kurzen Lebensweg des brillanten Malers. Kolles erste literarische Versuche erschienen 1920 in der ersten und einzigen Ausgabe der Zeitschrift Die Freude: neben sechs Gedichten einige Rezensionen. In derselben Zeitschrift wurden Erinnerungen an Hermann Bang gedruckt. 1924 publizierte der Flaneur Franz Hessel in seiner Monatsschrift Vers und Prosa Kolles autobiographischen Text Peer. Briefe eines Malers: Es ist eine poetische Träumerei, eine Schwelgerei, in der Peer das Ideal-Schöne verkörpert und symbolisiert. Der Hymnus an den schönen Jungen endet mit den Worten: »Nie mehr gehe ich Dich unter den Menschen suchen. Du wirst eine rosa Wolke sein über dem Arc de Triomphe - die seltsame Quader von hellem Braun im alten Gestein - der letzte Ton auf meiner Palette, wenn ich gestorben bin.«

Dieses anzustrebende ästhetische Ideal droht Kolle wie Sand durch die Finger zu rinnen, ist er doch chronisch krank. Im ersten Lebensjahr erleidet er eine schwere Lungen- und Blinddarmentzündung, deren Folgen in Schüben ihn sein gesamtes Leben lang begleiten sollen. So ist sein Œuvre, wie das anderer genialischer Getriebener - man denkt unweigerlich an Marcel Proust - getragen von einer mangelnden körperlichen Leistungsfähigkeit und dem Bewusstsein der Endlichkeit.

1924 gehen Kolle und Uhde nach Paris. Hier studiert der junge Maler mit deutschen Wurzeln in den Museen die französischen Klassiker. Außerdem schult er sein Auge an der damaligen Avantgarde, zuerst an Picasso und Braque. Nun wurde Kolle ungeheuer erfolgreich. Nicht nur erschienen in deutschen Zeitungen bewundernde Besprechungen. Uhde war es durch seine Bemühungen gelungen, für seine junge Muse renommierte Galerien für Ausstellungen zu gewinnen. Ästhetisch bewusste Sammler sorgten für einen grandiosen Verkauf seiner Bilder. Kolle gelang es, in der europäischen Kulturmetropole die deutsche Enge abzustreifen. Von seinem dandyesken Vexierspiel zeugt Kolles Lust, in Gesprächen seine Vita phantasiereich auszuschmücken. So sind es nicht zufällig seine Selbstportraits, die am tiefsten anrühren. Sie spiegeln das körperliche Leiden ihres Schöpfers und scheinen umso intensiver zu werden, je schlechter es ihm geht.

Helmut Kolle starb am 17. November 1931 in Chantilly.

Die grandiose Ausstellung in Chemnitz präsentiert erstmalig in Deutschland einen umfangreichen Querschnitt aus Kolles Werk: Insgesamt 88 Einzelstücke zählen Schau und Katalogbuch, das eine eigene Würdigung verdient. Die beeindruckenden Gemälde werden in dem opulenten Bildband auf großformatigen Tafeln präsentiert. Eine Reihe von Textbeiträgen beleuchtet Kolles Werk, das in nur einem Jahrzehnt entstand, aus verschiedenen Blickwinkeln. Untersucht wird Kolles Schaffen im Kontext seiner zeitgenössischen Kunst im Paris der 1920er-Jahre. Ein eigener Beitrag widmet sich der Körpersprache in Kolles Bildern. Ein sehr aktuell ausgerichteter Aufsatz bringt das Œuvre in Zusammenhang mit der Männlichkeitsforschung. Philippe Chabert und Manja Wilkens beschäftigen sich in ihren Texten auch mit Wilhelm Uhde, ohne dessen tatkräftige und lange Unterstützung dieses brillante Werk wohl kaum entstanden wäre.

Eine herausragende Ausstellung - kongenial dokumentiert durch einen bibliophilen Katalog - die den deutschen Dandy in Paris zum ersten Mal in seinem Gesamt- Œuvre präsentiert. Leider ist sie danach nur noch im Ernst-Barlach-Haus in Hamburg zu sehen.

geschrieben am 31.03.2011 | 658 Wörter | 3971 Zeichen

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