ISBN | 3426283565 | |
Autor | Stephen King | |
Verlag | PAN | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 304 | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Extras | - |
Die 1998 entstandene Geschichte wurde zuvor von anderen Verlagen (Schneekluth und Ullstein) veröffentlicht. Im Februar 2011 erschien sie ein weiteres Mal ĂŒber den Pan-Verlag. Der grĂŒn gehaltene Buchumschlag der aktuellen Ausgabe zeigt einen kahlen Wald, das Motiv der Vorderseite ist mit einem Hologramm gleichermaĂen schlicht wie schön gearbeitet. Es zeigt zusĂ€tzlich zu dem mehr oder weniger dunklen Wald (je nachdem wie man das Buch hĂ€lt) ein junges MĂ€dchen und ein gelbes Augenpaar, das auf das MĂ€dchen starrt.
Das durch das Hologramm ebenfalls mal gröĂer oder kleiner wirkende MĂ€dchen und seine dĂŒstere Umgebung passen zum Inhalt und verdeutlichen bereits sehr gut, worum es in Kings Roman geht. Der 1947 geborene Autor ist ein Garant fĂŒr GĂ€nsehauteffekte. Ăber 400 Millionen verkaufter BĂŒcher in mehr als 40 Sprachen zeigen, dass er nicht nur in seinem Heimatstaat Maine eine feste GröĂe des Horrorgenres ist. Allerdings richtete sich der gröĂte Teil seiner Geschichten an ein eher erwachsenes Publikum. Wie passt ein Jugendbuch in das von ihm bevorzugte Genre?
Die LektĂŒre zeigt sehr bald, dass das ĂŒberraschend gut geht. Denn King verlĂ€sst die gröĂtenteils von ihm beschrittenen, bereits etwas ausgetretenen Horrorpfade und beschreibt den Ăberlebenskampf der realistisch gezeichneten neunjĂ€hrigen Trisha, die sich bei einem Tagesausflug zu einem TeilstĂŒck des Appalachian Trail hoffnungslos im Wald verirrt. Die meiste Zeit ist der Fokus auf das Kind gerichtet, nur kurzzeitig ergeben sich minimale Perspektivwechsel auf die besorgte Familie. Obwohl Trisha mittels Gedanken und SelbstgesprĂ€chen zu Wort kommt, erzĂ€hlt sie ihre Geschichte nicht selbst.
>>Ich habe keine Angst. Ăberhaupt keine Angst. Der Wanderweg ist gleich dort vorn. Es ist wirklich ganz unmöglich, sich hier zu verlaufen âŠ.<< Dass es das doch ist, merkt Trisha sehr schnell. Tagelang versucht sie verzweifelt aus dem Wald zu gelangen oder jemanden zu finden, der ihr dabei helfen kann. FĂŒr eine einfache Wanderung mag ihre Kleidung und AusrĂŒstung ausgereicht haben, fĂŒr eine solche Situation genĂŒgt sie nicht. Zudem ist der fĂŒr einen Tagesausflug bemessene Proviant viel zu schnell verbraucht. Der Wald bietet Nahrung - doch was ist giftig, was schadet mehr, als dass es ihr weiterhilft? Wespen fallen ĂŒber sie her, StechmĂŒcken fressen sie fast auf, sie verletzt sich, wird krank. Trotzdem lĂ€uft sie fast zu Tode erschöpft immer weiter. Trifft die eine oder andere fatale Entscheidung, entfernt sich mehr und mehr von den Suchtrupps.
Die Kraft dafĂŒr zieht sie unter anderem aus erdachten GesprĂ€chen â mit sich selbst, ihrem Vater, ihrer Freundin, einem Baseballspieler, fĂŒr den das MĂ€dchen schwĂ€rmt. Ruft Erinnerungen wach, um sich von ihrer momentanen Situation abzulenken. Eine kleine Schwachstelle der Geschichte bietet hier Trishas Begeisterung fĂŒr Baseball, was sowohl der Autor in die Geschichte, als auch der Verlag in die Buchgestaltung eingebaut hat. Die einzelnen Kapitel sind nicht nur in âVor dem Spielâ, insgesamt DurchgĂ€nge (ein Spiel dauert je nach Liga 9 Innings) mit einzelnen HĂ€lften, und âNach dem Spielâ unterteilt, was jeweils deutlich durch eine zwei-, bzw. ab dem vierten Durchgang, dreiseitige Wiederholung des Waldmotives vom Text abgegrenzt wird. King lĂ€sst sich auch ĂŒber die Sportart an sich aus und fĂŒr Laien können die betreffenden Textpassagen LĂ€ngen beinhalten. Davon wird man aber schnell wieder abgelenkt. Etwa von Trishas NĂ€chten mit ihrem Walkman, der ihr Kraft gibt und dabei hilft, nicht verrĂŒckt zu werden. Wenn die Angst zu groĂ wird, weil die Nacht zu dunkel und voll erschreckender GerĂ€usche ist, flöĂen die Stimmen aus dem kleinen GerĂ€t Zuversicht ein, geben zumindest etwas Halt durch ihre â im Normalfall â SelbstverstĂ€ndlichkeit. Nicht nur die Schilderung dieser NĂ€chte mit der das MĂ€dchen umgebenden Dunkelheit ist King ĂŒberaus gut gelungen.
Denn was ein neunjĂ€hriges Stadtkind allein in einem unendlich wirkenden, nachts zappendusteren oder lediglich mondbeschienen, unwegsamen Wald erlebt oder was ihre ĂŒberreizte Fantasie ihr vorspielt, ist natĂŒrlich weder normal noch eine SelbstverstĂ€ndlichkeit. Und was eigentlich recht simpel beginnt, wird - ganz King â weitergesponnen. Denn da gibt es natĂŒrlich noch etwas. Dieses Etwas wird nicht nur durch die gelblichen Augen im Covermotiv oder einen Hinweis in der Inhaltsangabe angedeutet. Schon bald merkt nicht nur Trisha, dass ihr etwas auf den Fersen ist, dem sie im Ernstfall nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat.
Sehr frĂŒh wird dem Leser aus seiner sicheren Position heraus klar, um was genau es sich dabei handelt. Dennoch schafft King es, durch den ihm typischen ErzĂ€hlstil die an sich schon beklemmende Grundsituation sukzessiv zu verschĂ€rfen. Wie gewohnt lĂ€sst er das Grauen in ruhigen Tönen anklingen. Jedoch nicht um es letztlich, wie von eingefleischten Fans vermutlich erwartet, in lautlosem GebrĂŒll lichterloh zu entfachen. Trotz der deutlichen Steigerung der Bedrohungssituation lĂ€sst er die Geschichte dadurch, dass er sein Hauptaugenmerk auf das MĂ€dchen richtet, einsteigerfreundlich oder auch jugendbuchgerecht wachsen. Die Schilderung von Trishas Erlebnissen ist sensibel und lĂ€sst ihr Wechselbad an GefĂŒhlen auch ohne ĂŒbernatĂŒrlichen Horror ĂŒberaus authentisch wirken. Die GĂ€nsehaut wird weniger durch das ihr bestĂ€ndig folgende Wesen hervorgerufen, als durch die Phasen der Hoffnungslosigkeit, Angst und Verzweiflung, die sie durchlebt. Trauer und Wut werden abgelöst durch leichte Panik bis hin zur Existenzangst, die durch Hunger und Krankheit ausgelöste Halluzinationen noch verstĂ€rkt wird. Der ins scheinbare Nichts fĂŒhrende Weg voller Hindernisse und Probleme ist es, der fĂŒr aufgestellte NackenhĂ€rchen sorgt. Ein Weg, den viele von uns vermutlich ebenso naiv wie Trisha betreten, unter UmstĂ€nden jedoch weitaus weniger gut bewĂ€ltigen wĂŒrden. Gekonnt und subtil konfrontiert der Autor seine Leserschaft mit UrĂ€ngsten, die in uns allen stecken.
Auch wenn Das MĂ€dchen sich vom Gros seiner BĂŒcher unterscheidet: Kings ErzĂ€hlstil zieht einen dennoch durch das Buch, selbst wenn man Grausigeres von ihm gewohnt ist und das avisierte Lesealter deutlich ĂŒberschritten hat. Man fĂŒhlt mit dem Kind, man leidet mit ihm, man möchte es in die Arme schlieĂen und hofft auf einen guten Ausgang.
Fazit
Bis auf die erwĂ€hnten kleineren LĂ€ngen, die durch die AusfĂŒhrungen zum Thema Baseball fĂŒr Laien und Nicht-Fans entstehen, ein spannendes Buch, das durchaus fĂŒr die anvisierte Leser- bzw. Altersgruppe geeignet ist (entgegen meiner ursprĂŒnglichen BefĂŒrchtungen) und fĂŒr das ich vier von fĂŒnf Punkten vergeben möchte.
Copyright © 2011 by Antje JĂŒrgens (AJ)
geschrieben am 23.03.2011 | 989 Wörter | 5794 Zeichen
Der Roman âDas MĂ€dchenâ von Stephen King erschien ursprĂŒnglich 1999 im New Yorker Viking-Verlag unter dem Originaltitel âThe Girl Who Loved Tom Gordonâ. 2000 wurde die Erste von zahlreichen deutschen Ausgaben veröffentlicht. Zuletzt brachte nun der PAN-Verlag eine gebundene Ausgabe mit wunderschönem Hologramm-Cover heraus.
Trisha ist acht Jahre alt und stammt aus komplizierten FamilienverhĂ€ltnissen. Die Eltern sind geschieden und leben getrennt. Besonders Trisha leidet unter diesem Umstand. Als sie mit ihrem Ă€lteren Bruder und ihrer Mutter einen Wanderausflug in den Appalachen unternimmt und die beiden sich wieder einmal streiten, macht Trisha den gröĂten Fehler und betritt den Wald. Sie ist sich vollkommen sicher, dass sie den Weg sofort wiederfinden kann, doch dann gerĂ€t sie immer tiefer und tiefer ins Unterholz und verliert völlig die Orientierung.
Plötzlich muss die AchtjĂ€hrige mit nur wenigen VorrĂ€ten, einem Regencape und ihrem Walkman ganz allein in der Wildnis klarkommen und dem Gedanken ins Gesicht sehen, dass sie auch die finstere Nacht im Wald verbringen wird. Obwohl ihre Mutter und ihr Bruder die Polizei alarmieren und eine groĂe Suche gestartet wird, wird Trisha nicht gefunden und irrt Tag um Tag durch die groĂen WĂ€lder. Doch sie ist dort nicht so allein, wie sie zuerst geglaubt hat. Irgendetwas verbirgt sich am Tag im Unterholz und nĂ€hert sich ihr nur nachts, wenn sie schlĂ€ft, wĂ€hrend es auf den Moment wartet, um zuzuschlagen.
âDas MĂ€dchenâ ist der erste Roman, den ich von Stephen King gelesen habe. Auf der einen Seite habe ich mich darauf gefreut, endlich einmal ein Buch dieses berĂŒhmten Autors zu lesen, andererseits habe ich aber auch einige Bewertungen und Leseproben von Stephen Kings Werken vor mir gehabt, in denen seine Schreibweise langatmig und ausschweifend erscheint.
âDas MĂ€dchenâ hingegen ist in seiner Schreibweise sogar Ă€uĂerst angenehm zu lesen. Im Wesentlichen beschreibt King, wie die kleine Trisha durch den Wald irrt und versucht, in der Wildnis zu ĂŒberleben. Ab und zu gibt es auch RĂŒckblenden, in denen Trishas zerrĂŒttetes Familienleben geschildert wird und manchmal springt der Autor auch fĂŒr einige SĂ€tze zu der Familie selbst oder zu der Polizei und beschreibt ganz kurz, wie es dort vorangeht. Ich hatte beim Lesen jedoch nie das GefĂŒhl, dass diese kurzen Unterbrechungen des eigentlichen Geschehens die Handlung unnötig in die LĂ€nge ziehen und ihr dadurch schaden wĂŒrden. Im Gegenteil, es handelt sich ja durchaus auch um spannende Szenen, die dem Leser helfen, Trishas Charakter besser zu verstehen. DarĂŒber hinaus empfand ich es mitunter durchaus als angenehm, dass die Wanderungen durch den Wald hin und wieder von anderen ErzĂ€hlungen unterbrochen wurden.
ZutrĂ€glich hingegen wĂ€re es der Geschichte gewesen, wenn die ewig langen Beschreibungen der Baseballspiele, die sich Trisha mit dem Radio ihres Walkmans anhört, gekĂŒrzt worden wĂ€ren. FĂŒr Trisha bedeuten diese Spiele ihrer Lieblingsbaseballmannschaft eine Verbindung zur AuĂenwelt, die sie davor bewahrt, aufzugeben. FĂŒr den Leser jedoch ziehen sich die detaillierten Beschreibungen endlos in die LĂ€nge, zumal wenn man mit den Regeln des Baseballs nicht allzu vertraut ist. Weitreichende Kenntnisse der Sportart werden nĂ€mlich vorausgesetzt. Leider muss ich da passen, weshalb ich diese Passagen spĂ€ter nur noch ĂŒberflogen habe.
Umso spannender sind dafĂŒr die Sequenzen, in denen Trisha durch den Wald wandert und sich mit ihren Ăngsten auseinandersetzt, die sich besonders in der Nacht zeigen, wenn sie ĂŒberall GerĂ€usche zu hören glaubt, oder wenn sie auf rĂ€tselhafte Klauenspuren und blutige Tierkadaver stöĂt. Immer stĂ€rker wird das GefĂŒhl, verfolgt zu werden, und die Furcht vor der anbrechenden Nacht. Gleichzeitig muss sich Trisha darum kĂŒmmern, genĂŒgend Nahrung und Trinkwasser zu finden, und sich gegen SĂŒmpfe und MĂŒcken behaupten. Schonungslos und realistisch beschreibt der Autor alle Schwierigkeiten, denen sich ein Verirrter im Wald mitunter stellen muss.
Trisha selbst ist meiner Meinung nach ein sympathischer und glaubwĂŒrdiger Charakter, mit dem man schnell mitfĂŒhlen kann. Ab und zu trifft sie zwar Entscheidungen, die vielleicht etwas zu erwachsen fĂŒr eine AchtjĂ€hrige scheinen, dann wieder reagiert sie aber durch und durch wie ein kleines Kind. Zudem möchte ich mir nicht anmaĂen beurteilen zu können, wie Menschen in einer solchen Extremsituation tatsĂ€chlich reagieren. Dennoch habe ich festgestellt, dass ich mir Trisha, nachdem ihr Alter nur ein- oder zweimal kurz erwĂ€hnt wurde, automatisch Ă€lter vorgestellt habe, aberdas verĂ€ndert die Geschichte selbst ja nicht.
Wie es fĂŒr King wohl ĂŒblich ist, wird die Frage, ob nun tatsĂ€chlich etwas ĂbernatĂŒrliches geschehen ist, also ob Trisha tatsĂ€chlich verfolgt wird, oder ob ihre Phantasie ihr nur einen Streich spielt, in dem Roman nicht geklĂ€rt. So kann der Leser sich am Schluss selbst entscheiden, welche Version der Geschichte er bevorzugt.
Fazit: âDas MĂ€dchenâ ist ein Ă€uĂerst spannendes, wenn auch mit knapp 300 Seiten eher kurzes LesevergnĂŒgen. Nur ab und zu einmal habe ich die ausschweifende Schreibweise Kings als ein klein wenig störend empfunden, aber nach wenigen Seiten hatte mich die Geschichte schon wieder in ihren Bann geschlagen, denn der Autor vermag es auf hervorragende Weise, dem Leser Trishas GefĂŒhlswelt nĂ€her zu bringen und ihn mit dem kleinen MĂ€dchen fĂŒhlen und fĂŒrchten zu lassen. âDas MĂ€dchen wird mit Sicherheit nicht mein letzter Roman von Stephen King sein.
geschrieben am 14.05.2011 | 830 Wörter | 4767 Zeichen
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