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Interviews

Von schwergewichtigen Ogern und makelbehafteten Helden


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Im Spätsommer dieses Jahres erscheint Stephan Russbülts Debütroman „Die Oger“. Damit reiht sich das bislang unbeschriebene Autorenblatt Stephan Russbült in eine der – wenn nicht die – kommerziell und anhängermäßig erfolgreichste Fantasy-Reihe auf dem deutschen Buchmarkt ein. Webcritics.de hat diesen Anlass genutzt, um sich ein wenig mit dem Autoren zu unterhalten.

Marc-Florian Wendland: Guten Tag, Stephan Russbült und herzlich Willkommen auf webcritics.de! Ich glaube, dass unsere Leser sich freuen würden, wenn du ein wenig von dir erzählst. Wer ist Stephan Russbült aus eigener Sicht?

Stephan Russbült: Hallo Marc-Florian, erst einmal möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken ein Interview zu geben. Dieses soll das erste in meinem Leben werden, wenn wir von Bewerbungsgesprächen einmal absehen. Viele hören nur, dass ich hoch aus dem Norden Deutschlands komme, und stellen sich einen großen blonden Hünen mit blauen Augen vor. Ich bin eher die Wicki-Version eines Normannen. Tja, was gibt es noch über mich zu sagen? Ich bin jemand, der genauso gut über sich wie auch über andere lachen kann. Wortspielereien gefallen mir gut und ich kann mich Stunden über Stunden darin verstricken. Auch andere Hobbys lebe ich gern exzessiv aus, darunter zum Beispiel "Pen and Paper"-Rollenspiele. Dennoch bin ich jemand, der nicht dauernd auf Achse sein muss. Ich kann stundenlang in einem Café sitzen und mir nur die Leute anschauen. Sonst bin ich wie viele andere auch, vielleicht mit dem Unterschied, dass meine Kaffeeverbrauch fast genauso hoch ist wie der einer mittleren Kleinstadt.

Marc-Florian Wendland: „Die Oger“, dein Debütroman, erscheint im August dieses Jahres. Bist du so frei und gibst ein paar Details zur Geschichte bekannt?

Stephan Russbült: Wie schon der Titel sagt, handelt das Buch über Oger – nicht über einen einzelnen, sondern über das Volk der Oger. Somit versuche ich auch die Welt mit ihren Augen zu beschreiben. Mein Protagonist Mogda ist in der glücklichen Situation, durch ein magisches Amulett mit Intelligenz gesegnet worden zu sein. Er versucht das Volk der Oger aus der Knechtschaft zu führen. Neben Ogern spielen auch Zwerge, Menschen, Orks und Drachen eine Rolle, sowie die "Meister", über die ich noch nichts verraten möchte. Es gibt einen Satz aus einem Film, der mir immer im Kopf herumschwirrt, den ich aber nie benutzt habe, weil ich gebrauchte Zitate nicht sonderlich mag. Doch er passt wie die Faust aufs Auge: "Wie konntet ihr nur so dumm sein, Gottes ältester Fressmaschine Verstand zu verleihen?" (Deep Blue Sea; Samuel L. Jackson)

Marc-Florian Wendland: Du setzt also auf bewährten Rassen, um die du deine Oger ergänzt. Spielt die Geschichte in einer eigenständigen oder entliehenen Welt, wie beispielsweise Mittelerde?

Stephan Russbült: Die Welt ist eine Eigenkreation. Genauer gesagt spielt die Handlung in dem Königreich Nelbor, einem Teilbereich der Welt. Wenn ich ehrlich sein soll, stellte sich mir die Frage nach einer eigenen Welt oder einer Implementierung in eine bestehende gar nicht. Welchem Autor hätte ich es zumuten können, seiner mit Liebe und Sorgfalt erstellten Welt meine Oger aufzubürden? Städte, die detailreich beschrieben wurden, Landschaften, die sich bildlich in den Köpfen der Leser festgesetzt hatten, und die Bewohner des Landes, die von vielen lieb gewonnen wurden, hätte ich das alles mit meinen Schwergewichtlern zerstören sollen? Nein!

Marc-Florian Wendland: Spätestens seit „Shrek“ sind die Oger gesellschaftsfähig geworden, wenngleich sie in der Fantasy bislang nur eine Randgruppe darstellten. Was ließ dich ein Buch über diese tumben Geschöpfe zu schreiben?

Stephan Russbült: Zum Einen natürlich, gerade weil sie nur eine Randgruppe waren – sie haben besseres verdient. Zum Anderen, weil ihre Ecken und Kanten sie dafür prädestinieren über sie zu schreiben. Für mich sind Oger große, ungezogene Zwerge. Die Einfachheit, mit der sie die Welt betrachten, ist einzigartig. Gewalt wird mit Gewalt beantwortet und lästige Fragen ebenso. Feinde, die ihnen im Weg stehen, werden aus dem Leben gerückt und verschlossenen Türen aus den Angeln gehoben. Es brachte mir schon viel Spaß diese, wie du sie nanntest, "tumben" Geschöpfe zu beschreiben und ihnen Leben einzuhauchen, aber ihnen die Welt zu erklären war einfach fantastisch. Eine super Gelegenheit viel Wortwitz und Situationskomik an den Mann, bzw. den brachialen Oger zu bringen.

Marc-Florian Wendland: Angenommen, ich wüsste nicht, dass du die Oger beschrieben hast, so könnten diese Eigenschaften ebenso für Trolle gelten? Was sind deiner Meinung nach die signifikanten Unterschiede zwischen Ogern und Trollen?

Stephan Russbült: Dazu muss ich sagen, dass ich natürlich stark Rollenspiel geprägt bin. Wenn man das Internet einmal nach Ogern oder Trollen durchforstet, bekommt man allerhand verschiedene Darstellungen beider Völker. Ich habe mich dann dazu entschlossen der klassischen RPG-Typisierung zu folgen. Während Oger eher dem menschlichen Bild gleichen, sind die Trolle durch ihre überlangen Gliedmaßen und einer borkenähnlichen Haut wesentlich skurriler. Über ihre unterschiedliche Körperfülle und deren Gewichte möchte ich mich hier lieber nicht auslassen, da ich sonst dem einen oder anderen meiner Hauptfiguren zu nahe treten würde. Trolle erachte ich als von Grund auf böse und verschlagen. Ihr Hass und ihre Verachtung auf alle anderen Völker werden nur noch von ihrer Wildheit im Kampf übertroffen. Oger sind da eher die phlegmatischen Bösen. Über mehrere Stunden anhaltende Nahrungsengpässe und der Entzug ihrer Verdauungsschläfchen können bei ihnen zur Raserei führen. Natürlich kann auch der böseste Troll nichts gegen eine hungrig-müde Ogerkeule ausrichten. *g*

Marc-Florian Wendland: „Die Oger“ fügen sich in eine sehr erfolgreiche Verlags übergreifende Fantasyreihe ein. Der Erwartungsdruck wird entsprechend hoch sein. Was zeichnet gerade die Oger aus? Ein wenig Eigenlob ist hier erwünscht.

Stephan Russbült: Ich glaube, dass "Die Oger" sich gut in die bestehende Reihe einfügt. Der Roman beschreibt das Volk, deren Hintergründe und die Welt, in der die Oger leben. Ich finde die Geschichte ist inhaltsreich und spannend. Sie beschreibt die Geschehnisse des Landes aus der Sicht der Oger – eben der anderen Seite, die sich selbst nicht als andere Seite sieht. Aber ich kann den interessierten Leser beruhigen, es geht natürlich einiges zu Bruch. Man kann nicht über diese Kampfkolosse schreiben ohne Stadtmauern einzureißen und massig Rüstungen zu verbeulen. Die Oger sind eben keine Sensibelchen. Aber es bleibt natürlich nicht aus, ihre guten Seiten zu zeigen, auch wenn diese nur schwer zu erkennen sind, weil die meisten Oger auf ihnen sitzen. Wer zum Schluss diese schwergewichtigen Helden nicht als Sympathieträger sieht, hat kein Verständnis dafür, zu was einen der Hunger alles treiben kann. Ich glaube, es ist mir gelungen eine gerechte Mischung aus Spannung, Action und Humor zu verbinden.

Marc-Florian Wendland: Bist du eher ein Autor, der an seinen Charakteren hängt, oder kommt es vor, dass du einen Charakter, der dir persönlich ans Herz gewachsen ist, sterben lässt?

Stephan Russbült: Ich nehme an mit persönlich ans Herz gewachsen meinst du die Charaktere, die einen Namen und ein Aussehen bekommen haben. Natürlich hänge ich an jedem einzelnen Leben, dass meinen Gedanken entsprungen ist, doch wie heißt es so schön: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Bei der Beschreibung einer großen Schlacht gehen einem irgendwann die namenlosen Einheitsgesichter aus. Dann ist man urplötzlich darauf angewiesen jemanden über die Klinge springen zu lassen, dem man zuvor einen Spitznamen gegeben hat. So etwas tut natürlich weh, aber man muss eben auch die Gegenseite sehen; hat der Drache nichts Besseres verdient als Dosenfutter?

Marc-Florian Wendland: Der Bastei-Verlag kündigt für Oktober bereits einen Nachfolgeband an. Ist die Geschichte des ersten Bandes abgeschlossen oder hast du den zweiten Teil komplett vom ersten gelöst? Rein storytechnisch.

Stephan Russbült: Ja und nein. Der erste Teil ist natürlich eine abgeschlossene Geschichte, genauso wie der zweite Band. Dennoch greifen die beiden ineinander über. Der Schauplatz, das Land Nelbor, bleibt der gleiche. Die Charaktere, soweit zum Ende des ersten Bandes noch auf den Beinen, werden weitergeführt und neue kommen hinzu. Über die alten und die neuen Feinde brauche ich nicht viel zu erzählen, Oger haben immer Feinde. Jeder der beiden Romane kann einzeln gelesen oder zusammen betrachtet werden. Schwierig wird es nur, wenn man sie synchron lesen will.

Marc-Florian Wendland: Was erwiderst du Kritikern, die in dieser Veröffentlichungspolitik das Ausnutzen eines Booms sehen?

Stephan Russbült: Erst einmal möchte ich dazu sagen, dass ein Boom etwas Gutes ist, denn er zeigt, dass die Allgemeinheit an etwas Gefallen findet. Warum sollte man also nicht dazu beitragen dieses Interesse zu befriedigen. Natürlich könnte ich mich hinsetzten, Glückwunschkarten in Althebräisch schreiben und mich darüber freuen gegen den Trend zu arbeiten, aber ich glaube es würde mich nicht glücklicher machen. Auch ich verfolge die angeheizten Diskussionen im Internet über die so genannte "Die-Reihe". Ich lese die Forumsbeiträge meist mit gemischten Gefühlen und wundere mich über die Kritikfreudigkeit von Menschen, die die Romane nicht gelesen haben und allein vom Cover oder einem Pluralartikel im Titel auf dessen Qualität schließen. Ein guter Roman bleibt ein guter Roman, egal unter welchem Sternzeichen er geboren ist. Wichtig ist nur, dass der Leser Freude am Buch hat, denn das ist der Grund, warum ich schreibe. Kritik ist wichtig für jeden, aber sie sollte von denen kommen, die nicht vorurteilsbelastet sind. Nur durch Kritik kann das nächste Buch besser werden. Allen, die sagen: "Nicht schon wieder eines von Tolkiens Geschöpfen!", kann ich nur fragen:" Habt ihr euch auch beschwert, als in all den Jahren zuvor nur über Menschen geschrieben wurde?". Die "Die-Reihe" belebt das Fantasy-Genre ungemein und macht es farbenfroh. Die Erfolge von Markus Heitz, Bernhard Hennen und Christoph Hardebusch zeigen, dass es den Lesern gefällt, und das ist das Wichtigste.

Marc-Florian Wendland: Eine Frage zur Entstehung der Bände. Wie weit war die Geschichte fortgeschritten, als du den Vertrag unterzeichnetest? Und wie kam überhaupt der Kontakt mit dem Verlag zustande?

Stephan Russbült: Da muss ich jetzt etwas ausholen, was bei meiner Reichweite aber nicht sonderlich weh tut. Ich schreibe für meine Rollenspielgruppe schon seit Jahren Abenteuer nach Wunsch. Die Mitglieder geben mir nur Eckpunkte an und ich versuche daraus eine runde Geschichte zu machen. Irgendwann hatte ich mich dann entschlossen diese Geschichten etwas breiter auszuarbeiten, und als ich schließlich im Internet las, dass es so gut wie keine Chance für junge deutsche Autoren auf dem Buchmarkt gab, war in mir der Ehrgeiz entfacht. Ich schrieb "Die Oger" bis zur letzten Seite und schickte eine Reihe Exposés an Literaturagenturen und kleinere Verlage. Durch einen Bericht über Christoph Hardebusch und seine Trolle fand ich zur Agentur Schmidt und Abrahams.

Marc-Florian Wendland: Wie lange hast du an dem ersten Manuskript geschrieben?

Stephan Russbült: Für das Manuskript zu den Ogern habe ich fast genau ein Jahr gebraucht. Natürlich hatte ich mir schon vorher Gedanken zum Roman gemacht und einige Recherchearbeit geleistet. Ich tippe eben nicht besonders schnell. Außerdem habe ich den vollständigen Text auf einem Handheld geschrieben, der nur etwas doppelt so groß war wie eine Zigarettenschachtel.

Marc-Florian Wendland: Zum Abschluss würde ich mich freuen, wenn du uns ein wenig an deinen Zukunftsplänen teilhaben ließest. In welche Richtung wird das nächste Buchprojekt laufen – natürlich ohne zu viel zu verraten.

Stephan Russbült: Dazu kann ich nur sagen, dass es mir Schwergewichte oder Antihelden echt angetan haben. Charaktere mit kleinen Fehlern sind etwas Sympathisches und lassen selten den Humor vermissen. Etwas in eine Form zu bringen, in die es nicht passt, ist spannend für den Schreiber wie auch den Leser. Ich habe momentan mehrere Konzepte entwickelt, von High bis Dark Fantasy und in allen haben die Hauptpersonen kleine Schönheitsfehler. Welcher von diesen dann später der Einäugige unter den Blinden wird, wird sich zeigen.

Marc-Florian Wendland: Also versuchst du „Glückwunschkarten auf althebräisch“ zu schreiben – natürlich im auf die Fantasy übertragenen Sinne? Findest du es spannend über Dinge zu schreiben, die für gewöhnlich nicht zusammen passen bzw. gehören?

Stephan Russbült: Das bezieht sich eigentlich ausschließlich auf meine Protagonisten. Über Helden zu schreiben, die als Helden geboren sind, ist eine Sache. Jemanden zum Helden werden zu lassen, eine andere. Supermann, Duke Nukem und Beowulf sind die geborenen Helden. Mit Föhnfrisur, strahlendem Lächeln mit vierunddreißig Zähnen und der Gewissheit jedem Gegner trotzen zu können, gingen sie in die Geschichte ein. Andere hatten es da schwerer. Der Hulk musste sich erst furchtbar aufregen, bevor ihm der Kragen platzte. Zack Mc Kracken hatte es auch nicht immer einfach, und Elric von Melniboné konnte sich überhaupt nur mit Magie über Wasser halten. Aber alle diese Hemmnisse machen einen Helden erst sympathisch. Die kleinen Fehler lassen ihn menschlicher erscheinen. Die Story muss auf den Helden abgestimmt sein und nicht anders herum. Ich fände es nicht gut, wenn man in meinen Geschichten die Hauptfigur durch einen x-beliebigen Helden ersetzen könnte. Ich habe es versucht mit Pinocchio, und – hurra, es klappte nicht! Bei der Story aber liegt die Sache schon anders. Ich schätze es gar nicht, wenn durch Unstimmigkeiten oder Stilbrüche die Stimmung kaputt geht. Als alter Rollenspielhase achte ich peinlichst genau darauf, dass alles aufeinander abgestimmt ist. Man kann nicht verschiedene Mythen miteinander vermischen und dem Leser oder Spieler ein einheitliches Bild vermitteln wollen. Es gibt natürlich auch gekonnte Ausnahmen, wie zum Beispiel bei Shadowrun, aber diese gelten nicht grundsätzlich.

Marc-Florian Wendland: Stephan, im Namen von webcritics.de bedanke ich mich für dieses offene Gespräch und wünsche dir weiterhin alles Gute.

Eine Leseprobe zu „Die Oger“ finden Sie unter http://webcritics.de/page/rehearsal.php5?id=2021. Mehr zu Stephan Russbült unter http://www.russbuelt.net.

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