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Lost Places. Schönheit des Verfalls.


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Lost Places. Schönheit des Verfalls. Die beiden historischen Propellerflugzeuge sind auf kurzem Weg zu ihrer Startposition gefahren. Etwa zweihundert Meter entfernt erstreckt sich im Halbkreis der Hallenkomplex des Flughafens Tempelhof. Gleich wird der Tower die Startfreigabe erteilen. Die abendliche Kulisse könnte passender und ergreifender kaum sein. Die Götter spielen mit und lassen wilde Wolkenformationen über das Gebäudeareal des letzten innerstädtischen Airports einer Metropole in kräftigem Wind herüberziehen. Trotzdem regnet es. Ein kalter, fahriger Nieselregen, der die Seelenlosigkeit dieses Momentes unterstreicht. Geschichte kennt nicht die Dimension der Gerechtigkeit. Politische Entscheidungen werden gefällt ohne Gespür für ästhetische Dimensionen. Die Starterlaubnis wird erteilt. Der Mann im Tower ist Profi genug, um dabei nicht mit den Tränen zu ringen. Eine völlig andere Stimme hat er sonst aber gehabt, fällt den Piloten auf. Im selben Moment berichten Berliner Radiosender live vom letzten Flug von einem der legendärsten Flughäfen der Welt. Der Reporter von »Spreeradio« hat einen Kloß im Hals, der ihn die Reportage gerade noch zuende bringen lässt. Ein Ort voller geschichtlicher Energie, einer der größten zusammenhängenden Gebäudekomplexe der Welt. Man sieht ihn vom Weltraum aus. Von einer Minute auf die andere ist der Flughafen Tempelhof, weltweit bekanntes Wahrzeichen für den Freiheitswillen eines Volkes und der riesigen Hilfsbereitschaft befreundeter Nationen, LOST PLACE. Er reiht sich nun ein in die Galerie der morbiden, verlassenen Stätten der Industrialisierung, die der Photograph Marc Mielzarjewicz auf seiner Internet-Seite marodes.de versammelt hat. »Zentralflughafen Tempelhof jetzt Lost Place«, heißt es hier in einer Stimmlage, die den Anspruch des Photographen betont, dokumentieren zu wollen. Nicht Partei zu ergreifen. Einundzwanzig im Verfall begriffene Bauwerke in Halle an der Saale finden sich nun in seinem Bildband »Lost Places Schönheit des Verfalls«. Alle Schwarz-Weiß-Photos sind komplett schwarz umrandet, was die Morbidität der Aufnahmen unterstreicht. Es finden sich der Schlachthof, die ehemalige Schokoladenfabrik Most, die Berliner Brücke, der Sophienhafen, der Gasometer. Marc Mielzarjewicz hat das architektonische Siechtum der Mühlenwerke, der Papierfabrik, von Malzfabrik und Brauerei festgehalten. So dokumentiert das auch in Schwarz eingebundene Buch den langsamen Abschied von Industriealisierungs-Bauten. Dieser Abschied, der so unbeachtet, unauffällig geschieht, dass er beinahe unbemerkt vor sich geht. Ein kleines Manko sei am Rande erwähnt: Bei der Schrift hat man wohl versucht, Altes, Abgenutztes zu simulieren. Das ist nicht ganz gelungen; der Betrachter muss genau hinschauen, um diese Absicht zu erraten. Hier hätte eine neutrale Schriftart den Photographien stärker Genüge getan. Dennoch: Dem jungen Photographen gelingt, was der Untertitel des Bildbandes beansprucht: Die Photos hauchen das ganz eigene Fluidum der Schönheit, die im Verfall liegt. Ob es ein Backsteingebäude im Ganzen ist oder das Detail von Jahrzehnte alten Wasserhähnen. Jede Aufnahme berichtet von Geschichtsträchtigkeit. Davon, wieviel gewesen ist und wieviel die Dinge erlebt haben müssen.

Die beiden historischen Propellerflugzeuge sind auf kurzem Weg zu ihrer Startposition gefahren. Etwa zweihundert Meter entfernt erstreckt sich im Halbkreis der Hallenkomplex des Flughafens Tempelhof. Gleich wird der Tower die Startfreigabe erteilen. Die abendliche Kulisse könnte passender und ergreifender kaum sein. Die Götter spielen mit und lassen wilde Wolkenformationen über das Gebäudeareal des letzten innerstädtischen Airports einer Metropole in kräftigem Wind herüberziehen. Trotzdem regnet es. Ein kalter, fahriger Nieselregen, der die Seelenlosigkeit dieses Momentes unterstreicht.

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Geschichte kennt nicht die Dimension der Gerechtigkeit. Politische Entscheidungen werden gefällt ohne Gespür für ästhetische Dimensionen. Die Starterlaubnis wird erteilt. Der Mann im Tower ist Profi genug, um dabei nicht mit den Tränen zu ringen. Eine völlig andere Stimme hat er sonst aber gehabt, fällt den Piloten auf. Im selben Moment berichten Berliner Radiosender live vom letzten Flug von einem der legendärsten Flughäfen der Welt. Der Reporter von »Spreeradio« hat einen Kloß im Hals, der ihn die Reportage gerade noch zuende bringen lässt. Ein Ort voller geschichtlicher Energie, einer der größten zusammenhängenden Gebäudekomplexe der Welt. Man sieht ihn vom Weltraum aus.

Von einer Minute auf die andere ist der Flughafen Tempelhof, weltweit bekanntes Wahrzeichen für den Freiheitswillen eines Volkes und der riesigen Hilfsbereitschaft befreundeter Nationen, LOST PLACE. Er reiht sich nun ein in die Galerie der morbiden, verlassenen Stätten der Industrialisierung, die der Photograph Marc Mielzarjewicz auf seiner Internet-Seite marodes.de versammelt hat. »Zentralflughafen Tempelhof jetzt Lost Place«, heißt es hier in einer Stimmlage, die den Anspruch des Photographen betont, dokumentieren zu wollen. Nicht Partei zu ergreifen.

Einundzwanzig im Verfall begriffene Bauwerke in Halle an der Saale finden sich nun in seinem Bildband »Lost Places Schönheit des Verfalls«. Alle Schwarz-Weiß-Photos sind komplett schwarz umrandet, was die Morbidität der Aufnahmen unterstreicht. Es finden sich der Schlachthof, die ehemalige Schokoladenfabrik Most, die Berliner Brücke, der Sophienhafen, der Gasometer. Marc Mielzarjewicz hat das architektonische Siechtum der Mühlenwerke, der Papierfabrik, von Malzfabrik und Brauerei festgehalten. So dokumentiert das auch in Schwarz eingebundene Buch den langsamen Abschied von Industriealisierungs-Bauten. Dieser Abschied, der so unbeachtet, unauffällig geschieht, dass er beinahe unbemerkt vor sich geht.

Ein kleines Manko sei am Rande erwähnt: Bei der Schrift hat man wohl versucht, Altes, Abgenutztes zu simulieren. Das ist nicht ganz gelungen; der Betrachter muss genau hinschauen, um diese Absicht zu erraten. Hier hätte eine neutrale Schriftart den Photographien stärker Genüge getan. Dennoch: Dem jungen Photographen gelingt, was der Untertitel des Bildbandes beansprucht: Die Photos hauchen das ganz eigene Fluidum der Schönheit, die im Verfall liegt. Ob es ein Backsteingebäude im Ganzen ist oder das Detail von Jahrzehnte alten Wasserhähnen. Jede Aufnahme berichtet von Geschichtsträchtigkeit. Davon, wieviel gewesen ist und wieviel die Dinge erlebt haben müssen.

geschrieben am 24.11.2008 | 439 Wörter | 2775 Zeichen

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