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Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht.


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Rezension von

Matthias Pierre Lubinsky

Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht. ERNST JÜNGERS IRONIE liegt darin, sich in der Bundesrepublik mit politischen Äußerungen zurückgehalten und dennoch für hitzige Debatten den Anlass geliefert zu haben. Seit Gründung des westdeutschen Staates galt er als irgendwie »umstritten«. Befürworter verliehen ihm Preise und holten den Dandy damit kurzfristig aus seinem Forsthaus, tief im Süden der Republik. Aber diese Preisverleihungen, meist von sogenannten Konservativen, hatten eine brüchige Wirkung. Jüngers Gegner schlugen auf ihn ein und auf die Preisverleiher. Die Preisverleiher hatten nicht viel zu sagen. Sie hatten eigentlich gehofft, sich mit dem großen Doyen der deutschen Literatur schmücken zu können. Doch ihre Selbstverteidigung war nicht phantasievoll. Jünger war zu sehr Ästhet, um für sich selbst Wort zu ergreifen. Die sich anschließenden Debatten waren meist nicht niveauvoll und zeugten nur vom Zustand dieses Landes. ERNST JÜNGERS HUNDERTSTER GEBURTSTAG markierte einen gewaltigen Einschnitt. Etwas hatte sich geändert. Zwar bestanden die alten Fronten bei den Medien immer noch. Aber selbst die großen Artikel im Spiegel oder im Stern waren nicht frei von einer gewissen Bewunderung, auch wenn sie es nicht zugeben konnten. DIE NACHRUFE letztlich setzten diesen Weg konsequent fort. Kritik und Häme wichen nun noch stärker einer versuchsweise objektiven Biographie. Die Rezeption Jüngers hatte eine qualitative Veränderung erfahren. Wie beim Wetterwechsel auf einer Mittelmeerinsel, wollte man so recht seinen Augen nicht trauen. Aus Ernst Jünger war nun eine Statue geworden. Ja, es war die genialische Bronze-Büste von Serge Mangin, die die Öffentlichkeit an die Stelle von ihm selbst gesetzt hatte. DARAN SCHULD waren nicht nur die Freunde von Jüngers Werk. Ist es doch klassische Macht-Taktik, seinen Gegner hoch zu loben, um ihn aus der eigenen Umgebung los zu werden, so funktionierte das auch mit diesem Ausnahme-Deutschen. Ist Jünger erst in seinem Anderssein geheiligt, kann die Unibibliothek dessen Bücher getrost ins Magazin verlagern. Alexander Pschera schuf ein verdienstvolles, ein kluges Buch, das den deutschen Schriftsteller-Dandy des 20. Jahrhunderts entstaubt, wieder entziffert, weiterdenkt. Der 1964 in Heidelberg geborene Pschera hatte eine grandiose Idee: Er bat etwa 30 Autoren, einen der essentiellen Begriffe Jüngers der Relektüre zu widmen und dann darüber zu schreiben. Zu den Beiträgern gehören Martin van Creveld, Günter Figal, László F. Földényi, Wolfram Malte Fues, Yuval Noah Havari, Sebastian Kleinschmidt, Ulrich Schacht, Heimo Schwilk und viele andere. Fast alle Texte sind für dieses Buch geschrieben worden. Entstanden sind vollkommen unterschiedliche Stücke. Unterschiedlich in Länge, Art der Auseinandersetzung und natürlich – Niveau. Sie drehen sich wie zirkulierende Gestirne um Jüngersche Begriffe wie Abenteuer, Inneres Erlebnis, Waldgang, Verlorener Posten, Rausch, Autorschaft, Schmerz und andere. STETS EINFÜHLEND UND EINFÜHREND der kurze, jedem Begriff und Kapitel vorangestellte Text von Alexander Pschera. Der hat augenscheinlich seinen Jünger gelesen. In seiner fulminanten Einführung »Was bleibt« umreißt der Herausgeber seine Sichtweise auf Jünger und damit zugleich die Intention des Sammelbandes. Die Idee des Individuums hätte in Jünger ihren größten Befürworter und Kritiker zugleich gefunden. »Wer zerstört, indem er hinblickt, beginnt, an seinem Blick zu zweifeln. Jüngers großes Talent war weniger, den viel gerühmten scharfen Blick zu besitzen, als vielmehr, diesem Blick nicht zu trauen, ja, ihn zu fürchten«, konstatiert Pschera. Und weiter: »Daher durchdringen sich in seinen Tagebüchern Oberfläche und Subtext in einer Weise, die immer wieder an das Zufällige von Pop-Literatur erinnert. Doch Jüngers Tagebücher sind weit mehr als autobiografische Texte, die die Heilszeichen im Alltäglichen suchen und sich mit dem stillen Fluss des metaphysisch überhöhten und bestaunten Banalen begnügen.« Jüngers Tagebücher seien eher Fiktionen denn Diarien. Ähnlich der »Annäherungen«, Jüngers grandiosem Drogen- und Zeit-Essay, sind seine Tagebücher Projektionen des Ich in immer neue Spiegelungen. Jünger ist in seinem Leben immer wieder an die Grenzen gegangen. Er wollte austesten, wie es sich im Grenzbereich anfühlt, wann der Sensemann winkt und ob die Götter Lust am frivolen Spiel haben. In Jüngers Tagebüchern wimmelt es von Täuschungen und ironischen Schattenspielen. Jünger besaß die Fähigkeit, in verschiedene Kleider zu schlüpfen und so die Welt unterschiedlich wahrzunehmen. Auch dies ist das vivre masqué des Dandys.

ERNST JÜNGERS IRONIE liegt darin, sich in der Bundesrepublik mit politischen Äußerungen zurückgehalten und dennoch für hitzige Debatten den Anlass geliefert zu haben. Seit Gründung des westdeutschen Staates galt er als irgendwie »umstritten«. Befürworter verliehen ihm Preise und holten den Dandy damit kurzfristig aus seinem Forsthaus, tief im Süden der Republik. Aber diese Preisverleihungen, meist von sogenannten Konservativen, hatten eine brüchige Wirkung. Jüngers Gegner schlugen auf ihn ein und auf die Preisverleiher. Die Preisverleiher hatten nicht viel zu sagen. Sie hatten eigentlich gehofft, sich mit dem großen Doyen der deutschen Literatur schmücken zu können. Doch ihre Selbstverteidigung war nicht phantasievoll. Jünger war zu sehr Ästhet, um für sich selbst Wort zu ergreifen. Die sich anschließenden Debatten waren meist nicht niveauvoll und zeugten nur vom Zustand dieses Landes.

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ERNST JÜNGERS HUNDERTSTER GEBURTSTAG markierte einen gewaltigen Einschnitt. Etwas hatte sich geändert. Zwar bestanden die alten Fronten bei den Medien immer noch. Aber selbst die großen Artikel im Spiegel oder im Stern waren nicht frei von einer gewissen Bewunderung, auch wenn sie es nicht zugeben konnten.

DIE NACHRUFE letztlich setzten diesen Weg konsequent fort. Kritik und Häme wichen nun noch stärker einer versuchsweise objektiven Biographie. Die Rezeption Jüngers hatte eine qualitative Veränderung erfahren. Wie beim Wetterwechsel auf einer Mittelmeerinsel, wollte man so recht seinen Augen nicht trauen. Aus Ernst Jünger war nun eine Statue geworden. Ja, es war die genialische Bronze-Büste von Serge Mangin, die die Öffentlichkeit an die Stelle von ihm selbst gesetzt hatte.

DARAN SCHULD waren nicht nur die Freunde von Jüngers Werk. Ist es doch klassische Macht-Taktik, seinen Gegner hoch zu loben, um ihn aus der eigenen Umgebung los zu werden, so funktionierte das auch mit diesem Ausnahme-Deutschen. Ist Jünger erst in seinem Anderssein geheiligt, kann die Unibibliothek dessen Bücher getrost ins Magazin verlagern.

Alexander Pschera schuf ein verdienstvolles, ein kluges Buch, das den deutschen Schriftsteller-Dandy des 20. Jahrhunderts entstaubt, wieder entziffert, weiterdenkt. Der 1964 in Heidelberg geborene Pschera hatte eine grandiose Idee: Er bat etwa 30 Autoren, einen der essentiellen Begriffe Jüngers der Relektüre zu widmen und dann darüber zu schreiben. Zu den Beiträgern gehören Martin van Creveld, Günter Figal, László F. Földényi, Wolfram Malte Fues, Yuval Noah Havari, Sebastian Kleinschmidt, Ulrich Schacht, Heimo Schwilk und viele andere. Fast alle Texte sind für dieses Buch geschrieben worden. Entstanden sind vollkommen unterschiedliche Stücke. Unterschiedlich in Länge, Art der Auseinandersetzung und natürlich – Niveau. Sie drehen sich wie zirkulierende Gestirne um Jüngersche Begriffe wie Abenteuer, Inneres Erlebnis, Waldgang, Verlorener Posten, Rausch, Autorschaft, Schmerz und andere.

STETS EINFÜHLEND UND EINFÜHREND der kurze, jedem Begriff und Kapitel vorangestellte Text von Alexander Pschera. Der hat augenscheinlich seinen Jünger gelesen. In seiner fulminanten Einführung »Was bleibt« umreißt der Herausgeber seine Sichtweise auf Jünger und damit zugleich die Intention des Sammelbandes. Die Idee des Individuums hätte in Jünger ihren größten Befürworter und Kritiker zugleich gefunden. »Wer zerstört, indem er hinblickt, beginnt, an seinem Blick zu zweifeln. Jüngers großes Talent war weniger, den viel gerühmten scharfen Blick zu besitzen, als vielmehr, diesem Blick nicht zu trauen, ja, ihn zu fürchten«, konstatiert Pschera. Und weiter: »Daher durchdringen sich in seinen Tagebüchern Oberfläche und Subtext in einer Weise, die immer wieder an das Zufällige von Pop-Literatur erinnert. Doch Jüngers Tagebücher sind weit mehr als autobiografische Texte, die die Heilszeichen im Alltäglichen suchen und sich mit dem stillen Fluss des metaphysisch überhöhten und bestaunten Banalen begnügen.« Jüngers Tagebücher seien eher Fiktionen denn Diarien.

Ähnlich der »Annäherungen«, Jüngers grandiosem Drogen- und Zeit-Essay, sind seine Tagebücher Projektionen des Ich in immer neue Spiegelungen. Jünger ist in seinem Leben immer wieder an die Grenzen gegangen. Er wollte austesten, wie es sich im Grenzbereich anfühlt, wann der Sensemann winkt und ob die Götter Lust am frivolen Spiel haben. In Jüngers Tagebüchern wimmelt es von Täuschungen und ironischen Schattenspielen. Jünger besaß die Fähigkeit, in verschiedene Kleider zu schlüpfen und so die Welt unterschiedlich wahrzunehmen. Auch dies ist das vivre masqué des Dandys.

geschrieben am 13.10.2008 | 647 Wörter | 3921 Zeichen

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Rezension von

Jan Robert Weber

Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht. "Bunter Staub" ist ein Bekenntnisbuch. Mit etwa 24 Beiträgen von ca. 30 Autoren hat der Herausgeber Alexander Pschera den Schriftsteller Ernst Jünger in ein doppeldeutiges "Gegenlicht" gestellt. Zum einen soll der so häufig an den Pranger gestellte eine verehrende Würdigung durch seine Leser erfahren; es handelt sich also um eine äußerst vielfarbig schillernde Gegendarstellung zum öffentlichkeitswirksamen Negativbild vom "Stahlgewitter"-Autor, das Pschera in der bisherigen Rezeption allzu dunkel geraten ist. Zum anderen wirkt der Band ganz offensichtlich dem jüngsten Trend in der nach wie vor andauernden Auseinandersetzung mit Jünger entgegen, nämlich der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Werk und Leben des "Jahrhundertautors". Um von den zahlreichen Spezialstudien der letzten Jahre zu schweigen: Seit Jüngers Tod 1998 sind mehrere Biographien erschienen, fast ein Dutzend literaturwissenschaftlicher Sammelbände sind publiziert worden und nicht zuletzt werden seit Ende der 1990er Jahre Jüngers Briefwechsel ediert. Kein Zweifel: Ernst Jünger ist zum Objekt der Wissenschaft geworden. Damit droht dessen Werk der Tod durch Überforschung (wie allen Klassikern). Diese Gefahr haben Pschera und seine Mitstreiter erkannt und versuchen sie nun mit dieser Publikation zu bannen. Jünger wird daher ganz persönlich gelesen und besprochen, fern jeder Wissenschaftlichkeit und "Objektivität". Unter einem typisch Jünger'schen Oberbegriff präsentiert jeder "seinen" Jünger (die Reihe der Beiträger reicht von Journalisten wie Heimo Schwilk, Lorenz Jäger und Felix Krömer über Philosophen wie Peter Trawny und Günter Figal bis hin zu Schriftstellern wie Thor Kunkel, Ulrich Schacht und Georg Klein), so dass tatsächlich etwas ganz Buntes herausgekommen ist. Das allerdings hat mit Staub o. Ä. wenig zu tun, es gleicht eher dem Farbenspektrum eines Kaleidoskops oder Kristalls... Wie dem auch sei: Dieser Sammelband ist zunächst für die Literaturwissenschaftler der nachfolgenden Generationen geschrieben, nämlich als Materialgrundlage für eine (in 20 oder 30 Jahren abzufassende) Doktorarbeit über die Jünger-Rezeption um die Jahrtausendwende. Daneben gilt natürlich ebensogut: Wenn auch die wirklichen, echten Jünger-Leser (im Sinne Pscheras) zukünftig die Werke von und nicht über Jünger lesen sollen, so sei ihnen doch mit "Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht" aus dem Berliner Matthes&Seitz-Verlag eine Ausnahme ans abenteuerliche Herz gelegt. Es ist auch ein ganz handliches Büchlein und passt sowohl in den Tornister als auch in die Botanisiertrommel. Viel Spaß!

"Bunter Staub" ist ein Bekenntnisbuch. Mit etwa 24 Beiträgen von ca. 30 Autoren hat der Herausgeber Alexander Pschera den Schriftsteller Ernst Jünger in ein doppeldeutiges "Gegenlicht" gestellt. Zum einen soll der so häufig an den Pranger gestellte eine verehrende Würdigung durch seine Leser erfahren; es handelt sich also um eine äußerst vielfarbig schillernde Gegendarstellung zum öffentlichkeitswirksamen Negativbild vom "Stahlgewitter"-Autor, das Pschera in der bisherigen Rezeption allzu dunkel geraten ist. Zum anderen wirkt der Band ganz offensichtlich dem jüngsten Trend in der nach wie vor andauernden Auseinandersetzung mit Jünger entgegen, nämlich der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Werk und Leben des "Jahrhundertautors".

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Um von den zahlreichen Spezialstudien der letzten Jahre zu schweigen: Seit Jüngers Tod 1998 sind mehrere Biographien erschienen, fast ein Dutzend literaturwissenschaftlicher Sammelbände sind publiziert worden und nicht zuletzt werden seit Ende der 1990er Jahre Jüngers Briefwechsel ediert. Kein Zweifel: Ernst Jünger ist zum Objekt der Wissenschaft geworden. Damit droht dessen Werk der Tod durch Überforschung (wie allen Klassikern).

Diese Gefahr haben Pschera und seine Mitstreiter erkannt und versuchen sie nun mit dieser Publikation zu bannen. Jünger wird daher ganz persönlich gelesen und besprochen, fern jeder Wissenschaftlichkeit und "Objektivität". Unter einem typisch Jünger'schen Oberbegriff präsentiert jeder "seinen" Jünger (die Reihe der Beiträger reicht von Journalisten wie Heimo Schwilk, Lorenz Jäger und Felix Krömer über Philosophen wie Peter Trawny und Günter Figal bis hin zu Schriftstellern wie Thor Kunkel, Ulrich Schacht und Georg Klein), so dass tatsächlich etwas ganz Buntes herausgekommen ist. Das allerdings hat mit Staub o. Ä. wenig zu tun, es gleicht eher dem Farbenspektrum eines Kaleidoskops oder Kristalls...

Wie dem auch sei: Dieser Sammelband ist zunächst für die Literaturwissenschaftler der nachfolgenden Generationen geschrieben, nämlich als Materialgrundlage für eine (in 20 oder 30 Jahren abzufassende) Doktorarbeit über die Jünger-Rezeption um die Jahrtausendwende. Daneben gilt natürlich ebensogut: Wenn auch die wirklichen, echten Jünger-Leser (im Sinne Pscheras) zukünftig die Werke von und nicht über Jünger lesen sollen, so sei ihnen doch mit "Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht" aus dem Berliner Matthes&Seitz-Verlag eine Ausnahme ans abenteuerliche Herz gelegt. Es ist auch ein ganz handliches Büchlein und passt sowohl in den Tornister als auch in die Botanisiertrommel. Viel Spaß!

geschrieben am 07.10.2009 | 356 Wörter | 2221 Zeichen

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Rezension von

Daniel Bigalke

Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht. Gerade wo Menschen sich im Zuge der Leidvermeidung allem zu entziehen trachten, was Leid bedeuten könnte, treiben sie in ein Leben hinein, ein leeres Sein, in dem es nur noch das Gefühl der Sinnlosigkeit gibt, welches dem des Schmerzes in nichts nachsteht. Ernst Jünger lebte in diesem Sinne; er war sich der Bedeutung von Extremen bewußt, suchte Räume der Extreme auf, lotete sie aus, trieb mit ihnen mittels seiner Neugierde aus jeder Konvention heraus und fasste sie in literarische Formen. Er liebte das rauhe Element, bannte es auf Papier. Es war für ihn die literarische und gelebte Rückkehr zu sich selbst. Eine neue Ordnung sollte wieder den Raum für menschliche Leidenschaften bieten, die Fülle des Lebens ermöglichen, eine Heimkehr des Menschen ermöglichen. Jünger betonte in seinem Werk immer wieder die Fülle des Lebens im unhemmbaren Willen der Bewegung auf ein Ziel. Es ist der z.B. blutsmäßige Zwang, der den Kämpfer vorwärts treibt über alle Hemmungen eines entwurzelten, ausgesogenen und tödlichen Intellektes. Es ist der Schmerz, der zu Ende gelebt werden muß und der hinter jedem Schematismus der Sicherheit aufscheint und lächelnd zuwinkt. Ernst Jünger mag damit die Geister spalten. Das aber macht seine Faszination aus. Das vorliegende Buch „Bunter Staub“ ist ein jüngersches Wörterbuch und ein Langessay in einem. Seine Beiträge unterschiedlichster Autoren unterziehen die wichtigsten weltanschaulichen Grundbegriffe Ernst Jüngers einer Relektüre, bieten Erklärungen und Hintergründe: Abenteuer – Inneres Erlebnis – Waldgang – Myrdun – Verlorener Posten – Désinvolture – Heiterkeit – Autorschaft – Schmerz – Rausch – Linie – Strahlungen – Überlegte Partie – Flugtraum – Arbeit – Technik und Spiel – Gläserne Bienen – Posaunisten – und andere. Der Schmerz als Kategorie bei Jünger scheint hier als Prüfpunkt auf, um dem Gejammer einer verbürgerlichten Gesellschaft zu entkommen, die ihre Erfüllung in hedonistischen Verstrickungen sieht und für den Ernstfall nicht mehr gewappnet ist. Das Ziel des Lebens scheint auf als ein Aushalten der immanenten Widersprüchlichkeiten, Immanenz und Transzendenz haben eine reife Konstellation erfahren. Die menschliche Existenz unterliegt den Achsen der Transzendenz, der Spiritualität des göttlichen Plans und der der körperlichen, naturhaften und existentiellen Materialität. Der Versuch, beide Achsen zur Deckung zu bringen führt zur Zerstörung der immanent-transzendenten Realität unseres Lebens, zur Aufhebung der sinnvollen Entspannung zwischen den beiden Achsen. Alle jene Gedanken fasst Jünger mit speziellen Grundbegriffen, die hier erläutert werden. Ernst Jüngers Texte erscheinen hier in einer neuen Optik, sie werden in Gegenlicht getaucht und zum Tanzen gebracht. Bunter, glitzernder Staub: Rambo auf Waldgang - Schmerz und Rausch - Reisen in den Raum der Tiefe - Das universelle Theorie-Subjekt - Der alte Mann und das Meer. Zum Begriff „Abenteuer” schreibt der Jünger-Biograph Heimo Schwilk. Andere Autoren sehen Jünger einmal abseits von seiner politisch aufgeladenen Weimarer-Zeit, betrachten sein Werk als gelebtes Abenteuer und können die Verbannung in den Giftschrank nicht nachvollziehen. So erkennt der Leser in dieser Fülle bunter Bilder und Erläuterungen eine Art säkularer Theologie im Werke Jüngers, die uns zuruft, Heroismus und Désinvolture sowie das pure Erlebnis nicht unter dem warmen Geplänkel des Medialen und der totalen Verfügbarkeit einer müden Zeit nicht verkümmern zu lassen, sondern den letzten Rest von kämpferischer Echtheit zuzulassen, zu leben und als immer wieder neu dialektisch hervorgerufenen Erfahrungsraum im Leben anzuerkennen! Es liegt hiermit einer der originellsten Bänder über die Person Jüngers vor, eine geballte Einführung in seine literarischen Konfigurationen voller Sprengkraft, die eine gebannte Lektüre verheißt!

Gerade wo Menschen sich im Zuge der Leidvermeidung allem zu entziehen trachten, was Leid bedeuten könnte, treiben sie in ein Leben hinein, ein leeres Sein, in dem es nur noch das Gefühl der Sinnlosigkeit gibt, welches dem des Schmerzes in nichts nachsteht. Ernst Jünger lebte in diesem Sinne; er war sich der Bedeutung von Extremen bewußt, suchte Räume der Extreme auf, lotete sie aus, trieb mit ihnen mittels seiner Neugierde aus jeder Konvention heraus und fasste sie in literarische Formen. Er liebte das rauhe Element, bannte es auf Papier. Es war für ihn die literarische und gelebte Rückkehr zu sich selbst.

weitere Rezensionen von Daniel Bigalke


Eine neue Ordnung sollte wieder den Raum für menschliche Leidenschaften bieten, die Fülle des Lebens ermöglichen, eine Heimkehr des Menschen ermöglichen. Jünger betonte in seinem Werk immer wieder die Fülle des Lebens im unhemmbaren Willen der Bewegung auf ein Ziel. Es ist der z.B. blutsmäßige Zwang, der den Kämpfer vorwärts treibt über alle Hemmungen eines entwurzelten, ausgesogenen und tödlichen Intellektes. Es ist der Schmerz, der zu Ende gelebt werden muß und der hinter jedem Schematismus der Sicherheit aufscheint und lächelnd zuwinkt.

Ernst Jünger mag damit die Geister spalten. Das aber macht seine Faszination aus. Das vorliegende Buch „Bunter Staub“ ist ein jüngersches Wörterbuch und ein Langessay in einem. Seine Beiträge unterschiedlichster Autoren unterziehen die wichtigsten weltanschaulichen Grundbegriffe Ernst Jüngers einer Relektüre, bieten Erklärungen und Hintergründe: Abenteuer – Inneres Erlebnis – Waldgang – Myrdun – Verlorener Posten – Désinvolture – Heiterkeit – Autorschaft – Schmerz – Rausch – Linie – Strahlungen – Überlegte Partie – Flugtraum – Arbeit – Technik und Spiel – Gläserne Bienen – Posaunisten – und andere. Der Schmerz als Kategorie bei Jünger scheint hier als Prüfpunkt auf, um dem Gejammer einer verbürgerlichten Gesellschaft zu entkommen, die ihre Erfüllung in hedonistischen Verstrickungen sieht und für den Ernstfall nicht mehr gewappnet ist. Das Ziel des Lebens scheint auf als ein Aushalten der immanenten Widersprüchlichkeiten, Immanenz und Transzendenz haben eine reife Konstellation erfahren. Die menschliche Existenz unterliegt den Achsen der Transzendenz, der Spiritualität des göttlichen Plans und der der körperlichen, naturhaften und existentiellen Materialität. Der Versuch, beide Achsen zur Deckung zu bringen führt zur Zerstörung der immanent-transzendenten Realität unseres Lebens, zur Aufhebung der sinnvollen Entspannung zwischen den beiden Achsen. Alle jene Gedanken fasst Jünger mit speziellen Grundbegriffen, die hier erläutert werden.

Ernst Jüngers Texte erscheinen hier in einer neuen Optik, sie werden in Gegenlicht getaucht und zum Tanzen gebracht. Bunter, glitzernder Staub: Rambo auf Waldgang - Schmerz und Rausch - Reisen in den Raum der Tiefe - Das universelle Theorie-Subjekt - Der alte Mann und das Meer. Zum Begriff „Abenteuer” schreibt der Jünger-Biograph Heimo Schwilk. Andere Autoren sehen Jünger einmal abseits von seiner politisch aufgeladenen Weimarer-Zeit, betrachten sein Werk als gelebtes Abenteuer und können die Verbannung in den Giftschrank nicht nachvollziehen. So erkennt der Leser in dieser Fülle bunter Bilder und Erläuterungen eine Art säkularer Theologie im Werke Jüngers, die uns zuruft, Heroismus und Désinvolture sowie das pure Erlebnis nicht unter dem warmen Geplänkel des Medialen und der totalen Verfügbarkeit einer müden Zeit nicht verkümmern zu lassen, sondern den letzten Rest von kämpferischer Echtheit zuzulassen, zu leben und als immer wieder neu dialektisch hervorgerufenen Erfahrungsraum im Leben anzuerkennen!

Es liegt hiermit einer der originellsten Bänder über die Person Jüngers vor, eine geballte Einführung in seine literarischen Konfigurationen voller Sprengkraft, die eine gebannte Lektüre verheißt!

geschrieben am 08.10.2009 | 551 Wörter | 3279 Zeichen

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