Navigation

Seiten der Rubrik "Bücher"


Google Anzeigen

Anzeigen

Bücher

Diplomatische Tauschgeschäfte – "Gastarbeiter" in der westdeutschen Diplomatie


Statistiken
  • 10797 Aufrufe

Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
  Sprache
  Seiten
  Erscheinungsjahr
  Extras

Rezension von

Gérard Bökenkamp

Diplomatische Tauschgeschäfte – "Gastarbeiter" in der westdeutschen Diplomatie Das Buch ist deshalb bemerkenswert, weil es dem Leser eine neue Sichtweise auf die Einwanderungspolitik eröffnet. Diese Sichtweise liegt jenseits der üblichen zu diesem Thema oft vorgebrachten Thesen. Die zwei einander gegenüberstehenden Thesen, die bislang die Diskussion über die Gründe der Einwanderung dominieren sind: Die Wirtschaft habe billige Arbeitkräfte gebraucht und deshalb den politischen Druck erzeugt, der schließlich zur Aufnahme von zwei Millionen Gastarbeitern führte. Die zweite These lautet so: Weil die Gewerkschaften drastische Arbeitszeitverkürzungen durchsetzten, mussten Einwanderer aufgenommen werden, um durch die fehlenden Arbeitskräfte verursachte Wachstumsverluste zu vermeiden. Wie man unschwer erkennt, ist die eine These eher wirtschafts-, die andere eher gewerkschaftskritisch. Heike Knortz kann empirisch belegen, dass beide Ursachenerklärungen nicht greifen, da der Rahmen der Einwanderungspolitik nicht durch die Notwendigkeiten des Arbeitsmarktes oder die Interessen der Wirtschaft vorgegeben war, sondern auf einem anderen Politikfeld entwickelt wurde. Die Arbeit dient dem empirischen Beweis von zwei grundlegenden Thesen der Autorin: Die erste These lautet: Die eigentlichen Impulse für die Aufnahme von Gastarbeitern gingen nicht von der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt aus, sondern von der bundesdeutschen Diplomatie. Das Auswärtige Amt war federführend bei den Vertragsschlüssen mit den Mittelmeerstaaten nicht das Wirtchafts- oder Arbeitministerium. Die zweite These lautet: Die Einwanderung war der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik nicht förderlich sondern hinderlich. Durch die Einwanderung wurden veraltete Industrien wie der Kohlebergbau am Leben erhalten und die langfristig unaufhaltsame Rationalisierung verzögert. Kann die Autorin ihre zwei zentralen Thesen belegen? Der Rezensent ist dieser Meinung. Die Untersuchung basiert auf den Akten des Bundesministeriums für Arbeit, des Auswärtigen Amtes, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundeskanzleramtes. Die Autorin kann anhand der Quellen die Entwicklung von der ersten diplomatischen Anbahnung zwischen der deutschen und der italienischen Regierung, über die nach einem ähnlichen Muster gestrickten Vereinbarungen mit den übrigen Mittelmeerstaaten bis hin zu den Verträgen mit der Türkei nachzeichnen. In diesen Abschlüssen ging es um Folgendes: Die Bundesrepublik war zur Pflege und Vertiefung der Beziehungen bereit, die Arbeitmärkte der Partnerländer zu entlasten, indem sie überschüssige Arbeitskräfte aufnahm. Die Partnerländer profitierten von dem Devisenzufluss ihrer Bürger in der Bundesrepublik. Dieser „Primat der Außenpolitik“ bei der Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte führte in der Bundesrepublik deshalb zur Verzerrung der Marktbedingungen, weil es sich bei der Aufnahme ungelernter Arbeitkräfte um eine Form implizierter Subventionierung von Branchen wie z. B. Bergbau, Textil und Landwirtschaft handelte. Dies verzögerte die Rationalisierung, Automatisierung und Auslagerung in diesen Bereichen wie sie etwa Japan betrieb. Längerfristig konnten diese Tendenzen aber nicht aufgehalten werden, so dass gerade die in diesen Bereichen tätigen Gastarbeiter Ende der siebziger Jahre (und bis heute) besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen waren (und sind). Da das Thema für die Sozialgeschichte der Bundesrepublik von großer Bedeutung ist, die Thesen der Autorin auf einer soliden empirischen Basis beruhen und sie mit der These des „Primats der Außenpolitik“ erklären kann, wie durch diese marktfremden Einflüsse eine Fehlleitung von Ressourcen verursacht werden konnte, verdient die Studie eine breite Rezeption.

Das Buch ist deshalb bemerkenswert, weil es dem Leser eine neue Sichtweise auf die Einwanderungspolitik eröffnet. Diese Sichtweise liegt jenseits der üblichen zu diesem Thema oft vorgebrachten Thesen.

Die zwei einander gegenüberstehenden Thesen, die bislang die Diskussion über die Gründe der Einwanderung dominieren sind: Die Wirtschaft habe billige Arbeitkräfte gebraucht und deshalb den politischen Druck erzeugt, der schließlich zur Aufnahme von zwei Millionen Gastarbeitern führte. Die zweite These lautet so: Weil die Gewerkschaften drastische Arbeitszeitverkürzungen durchsetzten, mussten Einwanderer aufgenommen werden, um durch die fehlenden Arbeitskräfte verursachte Wachstumsverluste zu vermeiden.

Wie man unschwer erkennt, ist die eine These eher wirtschafts-, die andere eher gewerkschaftskritisch.

Heike Knortz kann empirisch belegen, dass beide Ursachenerklärungen nicht greifen, da der Rahmen der Einwanderungspolitik nicht durch die Notwendigkeiten des Arbeitsmarktes oder die Interessen der Wirtschaft vorgegeben war, sondern auf einem anderen Politikfeld entwickelt wurde.

Die Arbeit dient dem empirischen Beweis von zwei grundlegenden Thesen der Autorin:

Die erste These lautet: Die eigentlichen Impulse für die Aufnahme von Gastarbeitern gingen nicht von der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt aus, sondern von der bundesdeutschen Diplomatie. Das Auswärtige Amt war federführend bei den Vertragsschlüssen mit den Mittelmeerstaaten nicht das Wirtchafts- oder Arbeitministerium.

Die zweite These lautet: Die Einwanderung war der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik nicht förderlich sondern hinderlich. Durch die Einwanderung wurden veraltete Industrien wie der Kohlebergbau am Leben erhalten und die langfristig unaufhaltsame Rationalisierung verzögert.

Kann die Autorin ihre zwei zentralen Thesen belegen? Der Rezensent ist dieser Meinung.

Die Untersuchung basiert auf den Akten des Bundesministeriums für Arbeit, des Auswärtigen Amtes, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundeskanzleramtes.

Die Autorin kann anhand der Quellen die Entwicklung von der ersten diplomatischen Anbahnung zwischen der deutschen und der italienischen Regierung, über die nach einem ähnlichen Muster gestrickten Vereinbarungen mit den übrigen Mittelmeerstaaten bis hin zu den Verträgen mit der Türkei nachzeichnen.

In diesen Abschlüssen ging es um Folgendes: Die Bundesrepublik war zur Pflege und Vertiefung der Beziehungen bereit, die Arbeitmärkte der Partnerländer zu entlasten, indem sie überschüssige Arbeitskräfte aufnahm. Die Partnerländer profitierten von dem Devisenzufluss ihrer Bürger in der Bundesrepublik.

Dieser „Primat der Außenpolitik“ bei der Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte führte in der Bundesrepublik deshalb zur Verzerrung der Marktbedingungen, weil es sich bei der Aufnahme ungelernter Arbeitkräfte um eine Form implizierter Subventionierung von Branchen wie z. B. Bergbau, Textil und Landwirtschaft handelte.

Dies verzögerte die Rationalisierung, Automatisierung und Auslagerung in diesen Bereichen wie sie etwa Japan betrieb. Längerfristig konnten diese Tendenzen aber nicht aufgehalten werden, so dass gerade die in diesen Bereichen tätigen Gastarbeiter Ende der siebziger Jahre (und bis heute) besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen waren (und sind).

Da das Thema für die Sozialgeschichte der Bundesrepublik von großer Bedeutung ist, die Thesen der Autorin auf einer soliden empirischen Basis beruhen und sie mit der These des „Primats der Außenpolitik“ erklären kann, wie durch diese marktfremden Einflüsse eine Fehlleitung von Ressourcen verursacht werden konnte, verdient die Studie eine breite Rezeption.

geschrieben am 10.05.2008 | 476 Wörter | 3184 Zeichen

Kommentare lesen Kommentar schreiben

Kommentare zur Rezension (0)

Platz für Anregungen und Ergänzungen