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Ellen Klandt: Nach-Klang, Eine Liebesgeschichte


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Rezension von

Alexander Muehlen

Ellen Klandt: Nach-Klang, Eine Liebesgeschichte Nun liegt der >zweite Streich< Ellen Klandts vor mir auf dem Tisch. Nach der Aufarbeitung einer Familienchronik zur Zeit und nach Ende des 2. Weltkrieges anhand von Originaldokumenten und -briefen ist jetzt die 68er Generation an der Reihe. Die Verfasserin, Jahrgang 1950, lässt kaum einen Zweifel daran, dass auch hier wieder selbst Erlebtes und Erlittenes die Hauptrolle spielen. Faktisch knüpft das Buch an den Vorgängerroman an, überspringt aber die 50er Jahre, verschlüsselt die Personen und verfeinert die Stilmittel. Vor Allem tritt hier eine vermutlich fiktive Hauptperson ins Zentrum: der am Leben verzweifelnde, selbstvergessen Klavier spielende Quasi-Autist Friedrich, in dessen Person sich alle Strömungen der Zeit treffen oder widerspiegeln. Er fungiert als Dauer-Objekt der Begierde der Ich-Erzählerin, räumlich mal nah, mal getrennt, aber immer unerreichbar. Sein Lebensweg steuert unaufhaltsam auf den finalen Suizid zu. Rahmen ist die Selbstfindung derjenigen, die zur Zeit des 1967er Schah-Besuches gerade volljährig werden und, von Berlin ausgehend, die „Lebenslüge der Wirtschaftswunder-Eltern“ bloßstellen. Man demonstriert gegen das System und meint damit - die Erstarrung der Adenauer-Ära mit ihren Vorkriegs-Regeln und -Ritualen. - die Lübkes, Filbingers, Goppels und Kiesingers – und bewundert Beate Klarsfeld, welche den Mut hat, Letzteren zu ohrfeigen - den Autokraten aus dem Morgenland, nicht ahnend, dass dem Iran danach noch Schlimmeres droht - die Wiederbewaffnung, den Vietnamkrieg, die Obristen in Griechenland etc. etc. Das Beispiel DDR entfacht keine Kritik, selbst wenn die verschiedenen Personen permanent von Bonn nach Berlin – und wieder zurück – ziehen. Die Handlung, durch Rückblenden erhellt, ist schnell erzählt: Im Jahre 2015 macht sich die Ich-Erzählerin auf die Suche nach der Schuld am Tod ihres Ex-Geliebten, der sich zweiunddreißig Jahre zuvor umgebracht hat. Sie spricht mit Frauen, die ebenfalls Rollen in seinem Leben gespielt haben, und sucht Orte auf, die Erinnerungen auslösen. Es beginnt mit Schülerliebe, endlosen Briefen, Hin und Her zwischen verschiedenen Partnern, und – unausgesprochen – der Gewissheit, dank „Pille“ nicht wie die noch im Krieg Geborenen bei jedem Sex an die Lebensplanung zu denken*. Die Bonner Atmosphäre der 70er Jahre einschließlich der Szene-Lokale lebt auf, man hört die Musik der Epoche und schluckt und raucht, was angesagt ist… In Berlin zieht man in eine Kommune, dazu passen indische Röcke und Karl Marx sowie Adorno, Marcuse und Wilhelm Reich. Wer nicht rechtzeitig an die Spree zieht oder Pech hat, wird zum Wehrdienst eingezogen. Dem Autisten Friedrich bleibt dies, zumindest anfänglich, nicht erspart. Doch auch die verspätete Anerkennung als Verweigerer hält den schleichenden Niedergang seines Lebenswillens nicht auf. Ausführlich folgen weitere Szenen aus dem Studentenmilieu der 70er und frühen 80er Jahre in beiden Hauptstädten. Motto : Freiheit bedeutet, Grenzen zu überschreiten. Mit viel Liebe zum Detail und Sympathie für die Akteure schildert die Autorin eine Zeitspanne, die sich fundamental von allem Voraufgegangenem und, wie wir heute wissen, auch von der nachfolgenden Digitalwelt unterscheidet. Im Briefmarkensammler-Jargon: eine abgeschlossene Epoche! Mit all ihren Verirrungen, Exzessen und Rechthabereien in gewissem Sinne eine Zeit der Unschuld. Friedrich ist daran und an sich selbst zerbrochen, die Verfasserin hat es überlebt, und ebenso wir, die Anderen. Lesenswert. A.M. *Verfasser der Rezension, Jg. 1942 !

Nun liegt der >zweite Streich< Ellen Klandts vor mir auf dem Tisch. Nach der Aufarbeitung einer Familienchronik zur Zeit und nach Ende des 2. Weltkrieges anhand von Originaldokumenten und -briefen ist jetzt die 68er Generation an der Reihe. Die Verfasserin, Jahrgang 1950, lässt kaum einen Zweifel daran, dass auch hier wieder selbst Erlebtes und Erlittenes die Hauptrolle spielen. Faktisch knüpft das Buch an den Vorgängerroman an, überspringt aber die 50er Jahre, verschlüsselt die Personen und verfeinert die Stilmittel.

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Vor Allem tritt hier eine vermutlich fiktive Hauptperson ins Zentrum: der am Leben verzweifelnde, selbstvergessen Klavier spielende Quasi-Autist Friedrich, in dessen Person sich alle Strömungen der Zeit treffen oder widerspiegeln. Er fungiert als Dauer-Objekt der Begierde der Ich-Erzählerin, räumlich mal nah, mal getrennt, aber immer unerreichbar. Sein Lebensweg steuert unaufhaltsam auf den finalen Suizid zu.

Rahmen ist die Selbstfindung derjenigen, die zur Zeit des 1967er Schah-Besuches gerade volljährig werden und, von Berlin ausgehend, die „Lebenslüge der Wirtschaftswunder-Eltern“ bloßstellen.

Man demonstriert gegen das System und meint damit

- die Erstarrung der Adenauer-Ära mit ihren Vorkriegs-Regeln und -Ritualen.

- die Lübkes, Filbingers, Goppels und Kiesingers – und bewundert Beate Klarsfeld, welche den Mut hat, Letzteren zu ohrfeigen

- den Autokraten aus dem Morgenland, nicht ahnend, dass dem Iran danach noch Schlimmeres droht

- die Wiederbewaffnung, den Vietnamkrieg, die Obristen in Griechenland etc. etc.

Das Beispiel DDR entfacht keine Kritik, selbst wenn die verschiedenen Personen permanent von Bonn nach Berlin – und wieder zurück – ziehen.

Die Handlung, durch Rückblenden erhellt, ist schnell erzählt:

Im Jahre 2015 macht sich die Ich-Erzählerin auf die Suche nach der Schuld am Tod ihres Ex-Geliebten, der sich zweiunddreißig Jahre zuvor umgebracht hat. Sie spricht mit Frauen, die ebenfalls Rollen in seinem Leben gespielt haben, und sucht Orte auf, die Erinnerungen auslösen. Es beginnt mit Schülerliebe, endlosen Briefen, Hin und Her zwischen verschiedenen Partnern, und – unausgesprochen – der Gewissheit, dank „Pille“ nicht wie die noch im Krieg Geborenen bei jedem Sex an die Lebensplanung zu denken*.

Die Bonner Atmosphäre der 70er Jahre einschließlich der Szene-Lokale lebt auf, man hört die Musik der Epoche und schluckt und raucht, was angesagt ist…

In Berlin zieht man in eine Kommune, dazu passen indische Röcke und Karl Marx sowie Adorno, Marcuse und Wilhelm Reich.

Wer nicht rechtzeitig an die Spree zieht oder Pech hat, wird zum Wehrdienst eingezogen. Dem Autisten Friedrich bleibt dies, zumindest anfänglich, nicht erspart. Doch auch die verspätete Anerkennung als Verweigerer hält den schleichenden Niedergang seines Lebenswillens nicht auf.

Ausführlich folgen weitere Szenen aus dem Studentenmilieu der 70er und frühen 80er Jahre in beiden Hauptstädten. Motto : Freiheit bedeutet, Grenzen zu überschreiten.

Mit viel Liebe zum Detail und Sympathie für die Akteure schildert die Autorin eine Zeitspanne, die sich fundamental von allem Voraufgegangenem und, wie wir heute wissen, auch von der nachfolgenden Digitalwelt unterscheidet.

Im Briefmarkensammler-Jargon: eine abgeschlossene Epoche! Mit all ihren Verirrungen, Exzessen und Rechthabereien in gewissem Sinne eine Zeit der Unschuld.

Friedrich ist daran und an sich selbst zerbrochen, die Verfasserin hat es überlebt, und ebenso wir, die Anderen. Lesenswert.

A.M.

*Verfasser der Rezension, Jg. 1942 !

geschrieben am 04.06.2019 | 503 Wörter | 3018 Zeichen

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