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Museen im Nationalsozialismus: Akteure - Orte - Politik


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Rezension von

Hiram Kümper

Museen im Nationalsozialismus: Akteure - Orte - Politik Der gewichtige Aufsatzband geht auf eine internationale Tagung am Deutschen Historischen Museum in Berlin vom Juni 2013 zurück. In zwanzig Einzelstudien, die in fünf Sektionen gruppiert wurden, werden dabei die Entwicklung des Museums- und Ausstellungswesens im Dritten Reich ausgeleuchtet. Dabei werden Kunstmuseen ebenso in den Blick genommen wie kulturhistorische Häuser und Ausstellungen. Seit einigen Jahren haben einzelne Häuser – etwa das Frankfurter Städel-Museum oder das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg – angefangen, ihre eigene Geschichte während des Nationalsozialismus auszuleuchten. Von einer breiten Aufarbeitung dieses Kapitels deutscher Museumsgeschichte kann aber noch keine Rede sein. Umso willkommener ist nun dieser Band. Jeden Einzelbeitrag hier mit einem kurzen Satz oder zwei anzuzeigen, macht wenig Sinn. Auch die fünf Sektionen lassen sich nur schwer in ihren jeweiligen Essenzen kurzfassen – denn die Abgrenzung untereinander leuchtet nicht immer ein. Was etwa den unter „Akteure im Museum“ angesiedelten Beitrag über das Museum Lüneburg von dem unter „Kunst und Ideologie“ gesetzten Beitrag zur Städtischen Galerie Würzburg perspektivisch trennt – beide haben mit Akteuren ebenso wie mit institutionellen Strukturen zu tun –, wird nicht ganz ersichtlich. Letztlich ist die Fünfteilung also etwas künstlich. Das torpediert aber in keiner Weise die Qualität der Einzelbeiträge. Wenn man versucht, einige übergeordneten Einsichten aus der Lektüre dieses spannenden und vielschichtigen Sammelbandes zusammenfassen, wäre das vielleicht diese: Zum einen, wie eng die gerade in den 1930er Jahren noch einmal Fahrt aufnehmende Professionalisierung der Museen einher ging mit ihrer ideologischen Indienstnahme – und zwar trotz der durchaus internationalen Ausrichtung mancher Fachdebatten unter Museumsleuten. Moderne Gestaltung und Vermittlungsmethoden sollten ausdrücklich der Ausformung der neuen „Volksmuseen“ dienen. Dass zugleich aber auch die NS-Museumspolitik kein monolithischer Maßnahmenblock gewesen ist, sondern ständig changierte und sich regional unterschiedlich ausprägte, zeigt das Beispiel Berlin, wo die Museumslandschaft zumindest mit Blick auf die großen Häuser in wesentlichen Punkten unverändert blieb. Wenig verwunderlich ist die gezielte politische Förderung und zunehmende lokale Initiative für Museums- und Ausstellungstypen, die Grundgedanken der Heimatideologie befördern halfen, also etwa Häuser zur vorgeblich „germanischen“ Ur- und Frühgeschichte, zur Regional- oder auch zur Militär- und Technikgeschichte. Hier wäre aber sicher noch manches zu leisten, was diese erst einmal erwartbare Grundeinsicht weiter ausdifferenziert und etwas mehr herausstreicht als etwa den platten Germanenmythos des NS – Uta Haller zeigt die Möglichkeiten sehr überzeugend in ihrem Beitrag zum Lippischen Landesmuseum in Detmold. Viel zukünftige Anschlussfläche wird auch die Verbindung der hier erarbeiteten Einsichten zur personalen Komponente mit einzelnen Disziplinengeschichten bieten, etwa der Aufarbeitung der Kunstgeschichte im NS, die selbst noch einiges aufzuholen hat. Zwar finden sich interessante Einsichten in die Entwicklung des Museumspersonals – etwa in der spannenden Studie von Monika Löscher und Susanne Hehenberger zum Wiener Kunsthistorischen Museum oder dem Beitrag von Morwenna Blewett zum Restauratorenwesen –; aber für eine verknüpfte oder vergleichende Erforschung akademischer und musealer Kunst- und Kulturgeschichte ist noch viel Raum. Auch die problematischen Verbindungen zwischen Denkmalschutz und NS-Ideologie werden (etwa von Reena Perschke) überzeugend aufgezeigt. Hier entstehen viele spannende Anschlussstellen, die hoffentlich weitere Arbeiten anstoßen. Man könnte noch eine ganze Reihe weiterer solcher Anschlussangebote aufzeigen, die dieser lesenswerte Band markiert, und jede Leserin und jeder Leser wird eigene finden. Das ist die Stärke dieses Bandes, der vor allem im mikrohistorischen Bereich punktet. Die große Synthese war nicht Absicht der Tagung und wäre sicher auch, wie die vielen Einzelstudien zeigen, noch verfrüht. Vielmehr will der Band ganz ausdrücklich eine Anregung sein. Und das ist ohne Frage gelungen – und zwar weit über eine Buchbindersynthese von bloßen Einzelfallstudien hinaus. Ein guter Weg, der hoffentlich weiter beschritten wird.

Der gewichtige Aufsatzband geht auf eine internationale Tagung am Deutschen Historischen Museum in Berlin vom Juni 2013 zurück. In zwanzig Einzelstudien, die in fünf Sektionen gruppiert wurden, werden dabei die Entwicklung des Museums- und Ausstellungswesens im Dritten Reich ausgeleuchtet. Dabei werden Kunstmuseen ebenso in den Blick genommen wie kulturhistorische Häuser und Ausstellungen.

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Seit einigen Jahren haben einzelne Häuser – etwa das Frankfurter Städel-Museum oder das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg – angefangen, ihre eigene Geschichte während des Nationalsozialismus auszuleuchten. Von einer breiten Aufarbeitung dieses Kapitels deutscher Museumsgeschichte kann aber noch keine Rede sein. Umso willkommener ist nun dieser Band.

Jeden Einzelbeitrag hier mit einem kurzen Satz oder zwei anzuzeigen, macht wenig Sinn. Auch die fünf Sektionen lassen sich nur schwer in ihren jeweiligen Essenzen kurzfassen – denn die Abgrenzung untereinander leuchtet nicht immer ein. Was etwa den unter „Akteure im Museum“ angesiedelten Beitrag über das Museum Lüneburg von dem unter „Kunst und Ideologie“ gesetzten Beitrag zur Städtischen Galerie Würzburg perspektivisch trennt – beide haben mit Akteuren ebenso wie mit institutionellen Strukturen zu tun –, wird nicht ganz ersichtlich. Letztlich ist die Fünfteilung also etwas künstlich. Das torpediert aber in keiner Weise die Qualität der Einzelbeiträge.

Wenn man versucht, einige übergeordneten Einsichten aus der Lektüre dieses spannenden und vielschichtigen Sammelbandes zusammenfassen, wäre das vielleicht diese: Zum einen, wie eng die gerade in den 1930er Jahren noch einmal Fahrt aufnehmende Professionalisierung der Museen einher ging mit ihrer ideologischen Indienstnahme – und zwar trotz der durchaus internationalen Ausrichtung mancher Fachdebatten unter Museumsleuten. Moderne Gestaltung und Vermittlungsmethoden sollten ausdrücklich der Ausformung der neuen „Volksmuseen“ dienen. Dass zugleich aber auch die NS-Museumspolitik kein monolithischer Maßnahmenblock gewesen ist, sondern ständig changierte und sich regional unterschiedlich ausprägte, zeigt das Beispiel Berlin, wo die Museumslandschaft zumindest mit Blick auf die großen Häuser in wesentlichen Punkten unverändert blieb.

Wenig verwunderlich ist die gezielte politische Förderung und zunehmende lokale Initiative für Museums- und Ausstellungstypen, die Grundgedanken der Heimatideologie befördern halfen, also etwa Häuser zur vorgeblich „germanischen“ Ur- und Frühgeschichte, zur Regional- oder auch zur Militär- und Technikgeschichte. Hier wäre aber sicher noch manches zu leisten, was diese erst einmal erwartbare Grundeinsicht weiter ausdifferenziert und etwas mehr herausstreicht als etwa den platten Germanenmythos des NS – Uta Haller zeigt die Möglichkeiten sehr überzeugend in ihrem Beitrag zum Lippischen Landesmuseum in Detmold.

Viel zukünftige Anschlussfläche wird auch die Verbindung der hier erarbeiteten Einsichten zur personalen Komponente mit einzelnen Disziplinengeschichten bieten, etwa der Aufarbeitung der Kunstgeschichte im NS, die selbst noch einiges aufzuholen hat. Zwar finden sich interessante Einsichten in die Entwicklung des Museumspersonals – etwa in der spannenden Studie von Monika Löscher und Susanne Hehenberger zum Wiener Kunsthistorischen Museum oder dem Beitrag von Morwenna Blewett zum Restauratorenwesen –; aber für eine verknüpfte oder vergleichende Erforschung akademischer und musealer Kunst- und Kulturgeschichte ist noch viel Raum. Auch die problematischen Verbindungen zwischen Denkmalschutz und NS-Ideologie werden (etwa von Reena Perschke) überzeugend aufgezeigt. Hier entstehen viele spannende Anschlussstellen, die hoffentlich weitere Arbeiten anstoßen.

Man könnte noch eine ganze Reihe weiterer solcher Anschlussangebote aufzeigen, die dieser lesenswerte Band markiert, und jede Leserin und jeder Leser wird eigene finden. Das ist die Stärke dieses Bandes, der vor allem im mikrohistorischen Bereich punktet. Die große Synthese war nicht Absicht der Tagung und wäre sicher auch, wie die vielen Einzelstudien zeigen, noch verfrüht. Vielmehr will der Band ganz ausdrücklich eine Anregung sein. Und das ist ohne Frage gelungen – und zwar weit über eine Buchbindersynthese von bloßen Einzelfallstudien hinaus. Ein guter Weg, der hoffentlich weiter beschritten wird.

geschrieben am 02.01.2017 | 577 Wörter | 3762 Zeichen

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