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Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat


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Rezension von

Ragan Tanger

Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat Stets aktuell und immer noch richtig Der zivile Ungehorsam ist in Deutschland so eine Sache. Demonstrationen, politische Guerillaagitation und bereits eine einfache Sitzblockade werden in jenem, aus der Geschichte so nachvollziehbarem, staatsdienenden Volk mit Regression und ungewöhnlicher Schärfe verurteilt. Auch wenn das Recht der Versammlungsfreiheit prinzipiell etwas anderes vorgibt. Andere Länder haben da eine weitaus progressivere Tradition, man denke nur einmal an Frankreich. Zumindest theoretisch kann man die Geburtsstunde des Aufbegehrens gegen das bürgerliche Politiksystem in Amerika verorten, genauer gesagt bei Henry David Thoreau und seinem Aufsatz des civil disobedience aus dem Jahr 1849. Zu jener Zeit steckten die Vereinigten Staaten im Bruderkampf, stritten um Rechte und Pflichten der Sklavenhaltung und zogen gegen die mexikanische Zivilbevölkerung in einer ausbeuterischen Krieg. Genügend Gründe also gab es, um auf diese, mit dem Gewissen einer freiheitlichen und menschenrechtlichen Verfassung überhaupt nicht in Einklang zu bringenden Missstände hinzuweisen. Thoreau, der später auszog in den Wäldern zu leben und das Dissidententum des Bürgers schick machte (wenn man so will war er der erste Grüne, nur ohne VW-Bus), pointiert in dieser Schrift auf der Höhe seines Könnens scharf und klug das vertrackte Wesen der angeblichen Demokratie. Dem positiven Recht des Staates solle man sich seiner Meinung nach nur beugen, wenn die Exekutive in Übereinstimmung mit den moralischen Werten des Einzelnen handelt. Kriege finanzieren und Sklaven ausbeuten gehörten seiner Meinung nach nicht zu den rechtschaffenden Prinzipien amerikanischer Bürger, darum forderte er seine Landsleute auf, die Steuern dieser unfähigen Regierung vorzuenthalten. Gandhi oder Luther King knüpften an jene vorbehaltlosen Thesen tatsächlicher gesellschaftlicher Mitsprache unabdingbar und erfolgreich an. Vielleicht nicht ganz zufällig veröffentlichte das deutsche Verlagswesen eine gebundene Übersetzung 1966, die erste auditive Form wurde 1969 gesprochen. Zeiten der Aufruhr, des Umbruchs und nicht zuletzt der Auflehnung gegen überkommene, verkrustete und usurpatorische Staatengewalt. Genau jene 69er Fassung wird nun von Diogenes neu aufgelegt. Nicht um den anachronistischen Stil hervorzuheben, sondern weil damals schon der geeignetste Sprecher für dieses Vorgehen gefunden werden konnte. Helmut Qualtinger, österreichische Künstlerlegende, inszenierte mit unverhohlenem Pathos die Pflicht zum Ungehorsam. Der Hörer hat das eindringliche Gefühl, als stände Qualtinger auf einer Empore, an einem Pult, recke die Faust in die Höhe und spreche zu Tausenden von anfangs noch schüchternen, später begeisterten Interessierten. Eine Paraderolle, wie sie im Buche respektive auf dem Zettel steht. Das Layout, das Booklet, das Arrangement dieses Produktes lässt, wie immer bei Diogenes, keine Wünsch offen, die Neubearbeitung der Produktion ist sensationell, kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass dies vor über vierzig Jahren mit noch deutlich beschränkteren technischen Mitteln aufgenommen worden ist. Ein jeder hat nun also die Gelegenheit, dem Aufruf zu folgen und dieser Kampfesrede beizuwohnen. Auch wenn das der staatstreuen Seele der Deutschen schwerfallen mag; es lohnt sich. P.S.: Am Tag der Niederschrift dieser Rezension wurden in Stuttgart Kinder und Senioren, die sich als Baumschützer positionieren wollten, mit Wasserwerfern und Pfeffersprays verletzt.

Stets aktuell und immer noch richtig

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Der zivile Ungehorsam ist in Deutschland so eine Sache. Demonstrationen, politische Guerillaagitation und bereits eine einfache Sitzblockade werden in jenem, aus der Geschichte so nachvollziehbarem, staatsdienenden Volk mit Regression und ungewöhnlicher Schärfe verurteilt. Auch wenn das Recht der Versammlungsfreiheit prinzipiell etwas anderes vorgibt. Andere Länder haben da eine weitaus progressivere Tradition, man denke nur einmal an Frankreich. Zumindest theoretisch kann man die Geburtsstunde des Aufbegehrens gegen das bürgerliche Politiksystem in Amerika verorten, genauer gesagt bei Henry David Thoreau und seinem Aufsatz des civil disobedience aus dem Jahr 1849.

Zu jener Zeit steckten die Vereinigten Staaten im Bruderkampf, stritten um Rechte und Pflichten der Sklavenhaltung und zogen gegen die mexikanische Zivilbevölkerung in einer ausbeuterischen Krieg. Genügend Gründe also gab es, um auf diese, mit dem Gewissen einer freiheitlichen und menschenrechtlichen Verfassung überhaupt nicht in Einklang zu bringenden Missstände hinzuweisen. Thoreau, der später auszog in den Wäldern zu leben und das Dissidententum des Bürgers schick machte (wenn man so will war er der erste Grüne, nur ohne VW-Bus), pointiert in dieser Schrift auf der Höhe seines Könnens scharf und klug das vertrackte Wesen der angeblichen Demokratie.

Dem positiven Recht des Staates solle man sich seiner Meinung nach nur beugen, wenn die Exekutive in Übereinstimmung mit den moralischen Werten des Einzelnen handelt. Kriege finanzieren und Sklaven ausbeuten gehörten seiner Meinung nach nicht zu den rechtschaffenden Prinzipien amerikanischer Bürger, darum forderte er seine Landsleute auf, die Steuern dieser unfähigen Regierung vorzuenthalten. Gandhi oder Luther King knüpften an jene vorbehaltlosen Thesen tatsächlicher gesellschaftlicher Mitsprache unabdingbar und erfolgreich an.

Vielleicht nicht ganz zufällig veröffentlichte das deutsche Verlagswesen eine gebundene Übersetzung 1966, die erste auditive Form wurde 1969 gesprochen. Zeiten der Aufruhr, des Umbruchs und nicht zuletzt der Auflehnung gegen überkommene, verkrustete und usurpatorische Staatengewalt. Genau jene 69er Fassung wird nun von Diogenes neu aufgelegt. Nicht um den anachronistischen Stil hervorzuheben, sondern weil damals schon der geeignetste Sprecher für dieses Vorgehen gefunden werden konnte. Helmut Qualtinger, österreichische Künstlerlegende, inszenierte mit unverhohlenem Pathos die Pflicht zum Ungehorsam.

Der Hörer hat das eindringliche Gefühl, als stände Qualtinger auf einer Empore, an einem Pult, recke die Faust in die Höhe und spreche zu Tausenden von anfangs noch schüchternen, später begeisterten Interessierten. Eine Paraderolle, wie sie im Buche respektive auf dem Zettel steht. Das Layout, das Booklet, das Arrangement dieses Produktes lässt, wie immer bei Diogenes, keine Wünsch offen, die Neubearbeitung der Produktion ist sensationell, kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass dies vor über vierzig Jahren mit noch deutlich beschränkteren technischen Mitteln aufgenommen worden ist. Ein jeder hat nun also die Gelegenheit, dem Aufruf zu folgen und dieser Kampfesrede beizuwohnen. Auch wenn das der staatstreuen Seele der Deutschen schwerfallen mag; es lohnt sich.

P.S.: Am Tag der Niederschrift dieser Rezension wurden in Stuttgart Kinder und Senioren, die sich als Baumschützer positionieren wollten, mit Wasserwerfern und Pfeffersprays verletzt.

geschrieben am 05.10.2010 | 474 Wörter | 2998 Zeichen

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